Die Entscheidung eines Gerichts in Ankara, den Anwalt Tamer Doğan per Verweis vom Strafverfahren gegen Max Zirngast fernzuhalten, wurde nun nochmals bestätigt. Das hat die Solidaritätskampagne #FreeMaxZirngast am Mittwoch bekannt gegeben.
Der österreichische Student und Journalist Max Zirngast wurde am 11. September bei einer Hausdurchsuchung in Ankara festgenommen und befindet sich seitdem wegen Terrorismusvorwürfen in Untersuchungshaft. Eine Woche nach seiner Festnahme erging an Zirngast-Anwalt Tamer Doğan ein Beschluss der 4. Strafkammer Ankara, wonach er vom Verfahren gegen seinen Mandanten ausgeschlossen wurde. Den Antrag hatte der ermittelnde Oberstaatsanwalt aufgrund eines gegen Doğan laufenden Verfahrens wegen vermeintlicher PKK-Unterstützung aus dem Jahr 2016 gestellt. Tamer Doğan hatte den Beschluss der Strafkammer allerdings erst eine Woche später zugestellt bekommen und legte auf die Entscheidung vom 18. September folgend Berufung ein. Nun liegt eine Entscheidung der 5. Strafkammer Ankara vor, die sich mit dem Berufungsantrag befasst hatte. Diese verfügte nach „Prüfung“ des Antrags des Oberstaatsanwaltes und des Gerichtsentscheides, dass letzterer „dem Verfahren und der Rechtslage“ entspreche und für ein Jahr gelte. Somit sei der Berufungsantrag zurückzuweisen.
Das Verfahren von März 2016 war Teil einer Festnahmewelle gegen Anwält*innen der mittlerweile der Notstandsdekret verbotenenen linken Anwaltsvereinigung Özgürlükçü Hukukçular Derneği (ÖHD; dt.: Verein freiheitlicher Anwält*innen), die ihre im Rahmen der sogenannten KCK-Verfahren angeklagten Kolleg*innen vor Gericht vertreten hatten. Dabei wurden Doğan und die 30 anderen im Zuge der Operation in Gewahrsam genommenen Personen – mehrheitlich Anwält*innen – wenige Tage nach der Festnahme im Anschluss an die erste Gerichtsverhandlung wieder freigelassen.
Nach Angaben von Tamer Doğan bestehe nun die Möglichkeit, innerhalb eines Monats nochmals Berufung einzulegen, diesmal jedoch beim Verfassungsgericht. Sollte der Antrag dort ebenfalls abgelehnt werden, so Doğan, werde er einen entsprechenden Antrag beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einreichen. „Sie scheuen sich nicht, offen gegen ihre eigenen Gesetze zu verstoßen und so zu tun, als hätten die Dekrete, die während des Ausnahmezustandes erlassen wurden, noch immer Gesetzeskraft“, meinte Doğan gegenüber der Solidaritätskampagne #FreeMaxZirngast. Was Doğan anspricht, sei die Untersagung, seinen Mandanten vor Gericht zu vertreten, und zwar trotz dessen ausdrücklichem Wunsch. Der Anwalt wurde ebenfalls per Verweis vom Strafverfahren gegen Mithatcan Türetken und Hatice Göz von der Parteinitiative Soziale Freiheit (TÖP) ferngehalten, die mit Zirngast inhaftiert worden waren. Der Journalist hatte unter anderem auch für die TÖP Artikel verfasst.
Die Solidaritätskampagne kritisiert die Praxis des türkischen Regimes, „unliebsame“ Anwält*innen mit willkürlichen Gründen von Verfahren zu entfernen und/oder einzusperren. Dies sei inakzeptabel und stelle eine Verletzung der Rechte Zirngasts dar. Die Kampagne fordert die sofortige Gestattung des Berufungsantrages von Anwalt Tamer Doğan, damit er seinen anwaltlichen Pflichten nachgehen könne.
Max Zirngast sitzt derzeit im Hochsicherheitsgefängnis in Sincan. Es gibt bislang keine Anklageschrift und die Akte ist unter Verschluss. Nach Informationen des re:volt magazine, in dem auch Zirngast involviert war, versuchen die Staatsanwaltschaft und Antiterrorpolizei, eine Verbindung des inhaftierten Studenten zu einer früheren, wenig bekannten kommunistischen Splittergruppe namens TKP/Kıvılcım zu konstruieren. Dabei handelt es sich um eine Gruppe, die unter anderem per Gerichtsbeschluss aus dem Jahre 2015 als nichtexistent bezeichnet wurde.