Erdoğan will Syrien beim Kampf gegen „Terrorismus“ helfen

In Ankara trafen sich der syrische Interimspräsident und der türkische Staatspräsident. Zentrales Thema war die Demokratische Selbstverwaltung im Nordosten Syriens, die Erdoğan zerschlagen sehen will.

Ahmed al-Scharaa besucht Türkei

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan hat dem syrischen Interimspräsidenten Ahmed al-Scharaa eine Zusammenarbeit beim Kampf gegen „Terrorismus“ in Syrien angeboten. „Wir sind bereit, Syrien die notwendige Unterstützung im Kampf gegen jede Form des Terrorismus zu gewährleisten“, sagte Erdoğan nach einem Treffen mit al-Scharaa am Dienstag in Ankara.

Erdoğans Äußerungen sind eine Andeutung auf die von Ankara beabsichtigte militärische Zusammenarbeit mit der nun in Damaskus herrschenden Dschihadistenallianz „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) beim Kampf gegen die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD). Explizit nannte Erdoğan die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die nach Ansicht der Türkei Verbindungen zu den QSD hätte, die das autonome Nord- und Ostsyrien verteidigen. Er habe mit al-Scharaa „Maßnahmen gegen die separatistische Terrororganisation und ihre Anhänger erörtert, die den Nordosten Syriens besetzt halten“, sagte Erdoğan.

Dass die Türkei Besatzungsmacht in Syrien ist und nach mehreren Angriffskriegen und Invasionen weite Gebiete nahe der syrisch-türkischen Grenze zusammen mit Dschihadistenmilizen besetzt hält, erwähnte Erdoğan mit keinem Wort. Er drängte seinen Amtskollegen, die Kontrolle über die bisher von den QSD bewachten Gefängnisse und Lager mit IS-Angehörigen zu übernehmen. Ankara wolle dabei Unterstützung leisten. Außerdem sei es Erdoğan zufolge wichtig, dass die arabischen und muslimischen Länder die neue syrische Regierung in der Übergangsphase finanziell und anderweitig unterstützten.

Al-Scharaa, der in einer offiziellen türkischen Maschine anreiste, sagte, Syrien und die Türkei arbeiteten an einer gemeinsamen Strategie, „um den Sicherheitsbedrohungen in der Region zu begegnen“. Sie hätten auch über „Bedrohungen“ gesprochen, „die die territoriale Integrität im Nordosten Syriens verhindern“, betonte er. Der HTS-Chef, der nach einem Besuch in Saudi-Arabien in der Türkei nun seine zweite offizielle Auslandsreise als Übergangspräsident machte, bezog sich damit ebenfalls auf die QSD. Erdoğan lud er seinerseits zu einem Besuch nach Syrien ein.

Besatzungsoffensive gegen Nord- und Ostsyrien

Der Sturz von Langzeitmachthaber Baschar al-Assad durch eine von HTS angeführte Dschihadistenallianz hat den Einfluss der Türkei in Syrien erheblich gesteigert. Ankara gehört zu den Hauptunterstützern der neuen Herrscher des Landes und steuert die Besatzungsoffensive ihrer Proxytruppe „Syrische Nationalarmee“ (SNA) gegen die Demokratische Selbstverwaltung im Nordosten. Der Großangriff hatte parallel zur Offensive gegen das Assad-Regime begonnen und die Autonomieverwaltung die Städte Minbic und Tel Rifat gekostet. Seit Dezember versuchen türkische Armee und SNA, die Tişrîn-Talsperre am Euphrat einzunehmen, um Kobanê leichter angreifen zu können.