Die Familie Erdoğan, die Mafia und die Osmanen Germania

Die Geständnisse des Mafiapaten Sedat Peker erschüttern das AKP/MHP-Regime und finden auch in Deutschland Widerhall. Offenbar war der Ehemann einer Nichte Erdoğans an Geldtransfers an faschistische Mafiagruppen in Deutschland beteiligt.

Nach einer Machtverschiebung innerhalb des kriminellen Netzwerks um das AKP/MHP-Regime in der Türkei wurde der Mafiaboss Sedat Peker ausgebootet. Er floh ins Ausland und rächt sich nun mit einer Serie von Enthüllungsvideos, in denen er die Verbindungen des Kreises um Erdoğan zum organisierten Verbrechen offenlegt, an dessen Regierung. In seinem letzten Video beschäftigte sich der Unterweltboss mit der Rolle von Erdoğan-treuen Netzwerken in Deutschland und sagte, er sei vom AKP-Politiker Metin Külünk gebeten worden, Geld an türkische Vereine zu schicken. Regelmäßig sei das auch „unter der Hand“ geschehen. An welche Organisationen hierzulande das Geld geflossen ist, sagte Peker nicht explizit. Die Nennung von Külünk legt aber nahe, dass den „Osmanen Germania“ finanziell unter die Arme gegriffen wurde.

Eine der brutalsten Auslandsorganisationen des AKP/MHP-Regimes

Die türkisch-nationalistischen „Osmanen Germania“ wurden 2014 in Hessen gegründet und galten zeitweise als am schnellsten wachsende Rockergang in Deutschland. Die Organisation war in versuchten Mord, Erpressung, Drogenhandel, Zwangsprostitution sowie Zuhälterei und Freiheitsberaubung verwickelt und wurde 2018 von Bundesinnenminister Horst Seehofer verboten. Betroffen von dem Verbot waren auch alle Teilorganisationen. Die Gruppierung war damals bereits mit 16 Ortsgruppen, sogenannte „Chapter“, im Bundesgebiet aktiv. In vielen Städten führt sie ihre Aktivitäten weitgehend ungestört unter anderen Namen fort.

Faschismus und organisierte Kriminalität mit besten Verbindungen in Palast

Die „Osmanen Germania“ und ihre Nachfolgeorganisationen gehören sicherlich zu den gefährlichsten Netzwerken des AKP/MHP-Regimes. Die Spuren des als „Schlägertrupp“ des türkischen Staates in Deutschland berüchtigten Clubs reichen bis in den türkischen Präsidentenpalast. Den Geständnissen Pekers zufolge brachte Serdar Ekşioğlu, der Ehemann einer Nichte Erdoğans, den Osmanen das Geld. Zuvor hatte Peker bereits ein Video von einem Gespräch zwischen ihm und Ekşioğlu veröffentlicht. In dem Videotelefonat wirft Peker Ekşioğlu vor, er verhalte sich unaufrichtig, da beide an der Misshandlung eines ehemaligen AKP-Abgeordneten auf einer Polizeiwache, an der Lieferung von Waffen an Dschihadisten in Syrien und anderen Verbrechen beteiligt gewesen seien. Ekşioğlu räumt in dem Gespräch seine Beteiligung an diesen Taten ein.

Osmanen wurden von der AKP gekauft

Die Unterstützung der „Osmanen Germania“ durch Ekşioğlu war auch Gegenstand eines Berichts der AKP-nahen Zeitung Sabah vom 16. Oktober 2015. Darin heißt es, Ekşioğlus Hilfe hätte insbesondere Auswirkungen auf die Entscheidung der Osmanen gehabt, die AKP bei den Wahlen am 1. November desselben Jahres zu unterstützen.

Geld für Angriffe auf Kurd:innen

Aus Gesprächsaufnahmen aus dem Jahr 2017 geht hervor, dass der Erdoğan-Vertraute und ehemalige AKP-Abgeordnete Metin Külünk den „Osmanen Germania“ mehrfach Geld zum Waffenkauf zukommen ließ. Von diesem Geld kaufte die Organisation Pistolen und Schnellfeuerwaffen, um diese gegen Kurd:innen einzusetzen. Aufgrund dieser Aktivitäten wurden die Osmanen-Chefs Mehmet Bagci und Selcuk Sahin 2018 inhaftiert.

Deutsche Justiz blendet Verbindungen zum Erdoğan-Regime aus

Obwohl in dem Verfahren in Stuttgart die Verbindungen zum Erdoğan-Regime offengelegt wurden, erhielten die Angeklagten nur Haftstrafen wegen anderer Delikte. In dem Prozess kam weder vom Gericht noch von Seiten der Staatsanwaltschaft zur Sprache, dass die vermeintlichen Osmanen Attentate auf Oppositionelle vorbereitet hatten. Die höchste Strafe erhielt der Führer der Abteilung in Stuttgart, Levent Uzundal, mit sechs Jahren Haft. Mehmet Bagci, der „Weltführer der Osmanen Germania“, erhielt nur drei Jahre und vier Monate. Von ihm liegen Bilder vor, wie er von Erdoğan höchstpersönlich in dessen Palast empfangen wurde. In einem Beitrag in der Post-Ausgabe von April 2016, einer in Köln erscheinenden AKP-Publikation, erklärten Bagci und Sahin ausführlich, dass sie bereit seien, dem türkischen Staat zu dienen. In vielen Städten Deutschlands, insbesondere in Köln und Stuttgart, hätten sie bereits Angriffe auf Kurd:innen organisiert.

Geld von „patriotischen“ Geschäftsläuten

Darüber hinaus lobten sich die Osmanenführer für die Teilnahme an den damaligen AKP-Kundgebungen in Deutschland und forderten mehr Hilfe vom türkischen Staat ein. „Wir sind bereit, für das Vaterland zu sterben. Wir haben unsere Familien und unsere Kinder zurückgestellt. Daher erwarten wir von unserem Staat und den vaterlandstreuen Geschäftsleuten, dass sie uns helfen, unsere jungen Leute, die in unseren Sportvereinen ausgebildet werden, mit entsprechenden Mitteln auszustatten.“

Befehle aus dem Palast

Aus abgehörten Telefongesprächen wird deutlich, dass Metin Külünk seine Anweisungen an die Osmanen Germania direkt von Erdoğan erhielt. So hatte der türkische Staatspräsident seinen Gefährten am 1. Juni 2016 angewiesen, Demonstrationen gegen eine Anerkennung des Genozids an den Armenier:innen zu organisieren. Daraufhin folgten Aufmärsche der Osmanen am folgenden Tag in der Nähe des Bundestags.

Bei einem anderen Telefongespräch gab Külünk dem damaligen Vorsitzenden der Mannheimer AKP-Lobbyorganisation UETD, Yilmaz Ilkay Arin, den Befehl, eine Bestrafungsaktion gegen den Satiriker Jan Böhmermann durchzuführen. Dessen bekannte Erdoğan-Satire hatte damals hohe Wellen geschlagen. Daraufhin rief Arin am 1. April 2016 den Osmanen-Chef Bagci an und gab ihm Anweisungen, gegen Böhmermann vorzugehen. Arin sprach davon, dass Külünk wolle, dass sich die „Türken“ in Deutschland bewaffnen und erklärte, er verfüge über ein Depot mit „sauberen Waffen“ und Munition. Nach Polizeirazzien kam Külünk nicht mehr nach Deutschland und auch Arin floh in die Türkei. Dort wurde er vom AKP/MHP-Regime in den Vorstand der Box-Föderation ernannt.

Unsummen von Peker an Osmanen geflossen

An Külünk sollen nach Berichten türkischer Medien monatlich etwa 10.000 Dollar von Sedat Peker für die Unterstützung der Osmanen geflossen sein. Peker selbst sprach davon, den AKP-Politiker mit weitaus höheren Summen vergünstigt zu haben.

Jelpke: Türkischer tiefer Staat gehört restlos ausgetrocknet – auch in Deutschland

Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, fordert nach den Aussagen Pekers Ermittlungen in Deutschland. Auch müsse untersucht werden, welche Organisationen mittlerweile als Ersatzvereinigungen der Osmanen agieren. „In der letzten Folge seiner ‚Geständnisse‘ hat der Mafia-Pate Sedat Peker auch darüber gesprochen, wie er im Auftrag von Politikern der türkischen Regierungspartei AKP türkisch-nationalistische Vereinigungen in Deutschland illegal mit hohen Geldsummen versorgt hat. Die AKP nutzte solche Vereinigungen, um während Wahlkämpfen die extreme Polarisierung innerhalb der Türkei auch unter die türkische Diaspora in Deutschland zu treiben und so Unterstützung für Präsident Erdogan und sein Regime zu erhalten. Ich erwarte von der Bundesregierung und deutschen Sicherheitsbehörden, dass sie die Aussagen Pekers über den ‚tiefen Staat‘ aus Politik, Gangstern und Geheimdienst in der Türkei und seine Verbindungen nach Deutschland zum Anlass nehmen und genauer hinschauen, welche Gruppierungen außer den ja inzwischen verbotenen Osmanen Germania noch über solche Mafia-Kanäle finanziert und womöglich bewaffnet wurden. Der türkische ‚tiefe Staat‘ gehört restlos ausgetrocknet – auch in Deutschland! Erdogans rabiaten Agentenstrukturen muss dazu endlich das Handwerk gelegt werden. Auch der Kuschelkurs der Bundesregierung gegenüber Grauen Wölfen und dem Islamverband DITIB muss ein Ende haben – alle diese an der langen Leine von Ankara agierenden Truppen sind eine Gefahr für türkeistämmige Oppositionelle im deutschen Exil, für Kurden und Aleviten und für das friedliche Zusammenleben der Menschen hierzulande.“