„Sea-Eye 4“ bringt 129 Gerettete in Italien an Land

Das Seenotrettungsschiff „Sea-Eye 4” darf 129 Gerettete aus dem Mittelmeer in der süditalienischen Stadt Tarent an Land bringen. Unter ihnen befinden sich 48 unbegleitete Minderjährige.

Das Seenotrettungsschiff „Sea-Eye 4” kann 129 Gerettete aus dem Mittelmeer in der süditalienischen Stadt Tarent an Land bringen. Nach zwei Wochen Warten für mehr als die Hälfte der Schutzsuchenden, darunter 48 unbegleitete Minderjährige, hatten die Behörden dem Schiff der Betreiberorganisation Sea-Eye e.V. am Donnerstag die Erlaubnis dazu erteilt. Am Nachmittag konnten die ersten Menschen das Rettungsschiff verlassen.

Die Crew der Sea-Eye 4 hatte am 2. September 76 Geflüchtete aus einem Holzboot gerettet, von denen einer später aus medizinischen Gründen evakuiert werden musste. Am vergangenen Donnerstag wurden weitere 54 Menschen vom Rettungsschiff „Rise Above“ der Organisation Mission Lifeline an Bord genommen, weil die Sea-Eye 4 besser ausgestattet ist.

Währenddessen sorgt sich Sea-Eye um die Finanzierung der weiteren Arbeit. Angesichts der Inflation und drohenden Wirtschaftskrise, insbesondere im Zusammenhang mit den gestiegenen Energiepreisen, stehe die Organisation vor der schwerwiegenden Frage, ob Rettungsmissionen im Mittelmeer noch durchgeführt werden können und wenn ja, wann. „Die derzeitige wirtschaftliche und politische Lage hat in diesem Jahr zu einem Spendenrückgang um mehr als 30 Prozent geführt“, teilte der Verein am Freitag in Regensburg mit. Auch die humanitären Organisationen seien mit stark angestiegenen Kosten konfrontiert.

„Bei einem gleichzeitigen Spendenrückgang sind das zwei wesentliche und bedrohliche Faktoren, die unsere weiteren Einsätze gefährden“, sagte Vereinsvorsitzender Gorden Isler. Dabei seien die Einsätze von Sea-Eye auch im Herbst und Winter wichtig, weil die Schlechtwetterperioden zunehmen. „Weniger Rettungsschiffe führen dazu, dass die Flucht über das Mittelmeer gefährlicher wird, denn die Fluchtversuche aus Libyen finden dennoch statt“, so Isler. 2022 sind durchschnittlich jeden Tag vier Menschen auf der Flucht über das Mittelmeer gestorben.

Die Parteien der Ampelkoalition hatten in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, dass man für eine Verbesserung der Situation Sorge tragen würde. Isler kritisiert: „Bisher sind das nur schöne Worte, die niemandem helfen. Wir brauchen keine Würdigungen und wohlklingenden Versprechungen. Die Seenotrettungsorganisationen brauchen endlich substanzielle Unterstützung, um weiter Menschenleben retten zu können, und politische Kurskorrekturen, die dazu beitragen, dass unsere Arbeit überflüssig wird.“

Gefährliche Fluchtroute Mittelmeer

Das Mittelmeer gilt als eine der gefährlichsten Fluchtrouten der Welt. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) starben seit Jahresbeginn bei der Überfahrt mindestens 1.280 Menschen oder gelten als vermisst. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Es gibt keine staatlich organisierte Seenotrettung, nur private Organisationen halten nach Flüchtlingen in Seenot Ausschau. Nach ihren Rettungen müssen die Helferinnen und Helfer oftmals lange auf die Zuweisung eines Hafens warten, um die Menschen an Land zu bringen.

Foto: Rettung von Geflüchteten am 2. September 2022 von einem Holzboot durch die Crew der Sea-Eye 4 © Fiona Mischel | Sea-Eye e.V.