In Istanbul wird der Prozess gegen Mitglieder und Unterstützende der Initiative der Samstagsmütter fortgesetzt. Angeklagt sind 46 Personen, denen wegen einer nicht genehmigten Mahnwache im August 2018 bis zu drei Jahre Haft drohen. Vor Verhandlungsbeginn wollten die Samstagsmütter zusammen mit Vertreter:innen von Menschenrechts- und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie von politischen Parteien eine Erklärung vor dem Strafgericht in Istanbul-Çağlayan abgeben. Die Polizei schritt ein und verwies auf ein eintägiges Versammlungsverbot der Landratsbehörde Kağıthane. Daraufhin wollten die Anwesenden ohne die Abgabe einer Erklärung auf den Verhandlungsbeginn warten. Die Menschenmenge wurde von der Polizei eingekreist und zahlreiche Personen wurden gewaltsam festgenommen.
Unter den 14 Festgenommenen befinden sich die Rechtsanwält:innen Efkan Bolaç und Meriç Eyüboğlu, die die Angeklagten in dem Prozess verteidigen. Auch die Istanbuler Vorsitzende des Menschenrechtsvereins IHD, Gülseren Yoleri, das IHD-Vorstandsmitglied Leman Yurtsever, der Linksparteipolitiker Alper Taş, Newroz Tosun von den Samstagsmüttern sowie Faruk Eren, Murat Akbaş, Uğur Tuncer, Ümit Sezer, Yalçın Köse und Burcu Bingöllü wurden mit auf dem Rücken fixierten Händen abgeführt.
Angeklagten drohen mehrjährige Haftstrafen
Den Angeklagten wird ein Verstoß gegen das türkische Versammlungs- und Demonstrationsgesetz Nr. 2911 vorgeworfen wird. Bei einer Verurteilung drohen ihnen bis zu drei Jahre Haft. Gegenstand der Anklage ist die Mahnwache vom 25. August 2018. An diesem Tag kamen die Samstagsmütter zum 700. Mal auf ihrem angestammten Platz vor dem Galatasaray-Gymnasium in der Istanbuler Fußgängerzone Istiklal Caddesi zusammen, um an ihre verschwundenen Angehörigen zu erinnern. Auf Anordnung von Innenminister Süleyman Soylu, der die Versammlung im Vorfeld wegen angeblicher Verbindungen zu einer „Terrororganisation“ verboten hatte, fuhr die Polizei mit Wasserwerfern vor und griff die Menschenmenge mit Tränengas und Gummigeschossen an. 47 Personen wurden damals brutal festgenommen, neben Angehörigen von Verschwundenen auch etliche prominente Menschenrechtler:innen, Journalist:innen und Gewerkschafter:innen.