Die politische Gefangene Jiyan Ateş wird trotz abgesessener Haftstrafe nicht aus der Frauenvollzugsanstalt Sincan bei Ankara entlassen. Das teilt ihre Schwester Ipek Ateş mit. Jiyan Ateş ist seit zehn Jahren im Gefängnis. Verurteilt wurde sie wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“, gemeint ist die PKK, zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und neun Monaten. Nach der türkischen Rechtsprechung hätte sie jetzt freigelassen werden müssen. Ihre Schwester erfuhr von ihr bei einem Telefongespräch, dass die Entlassung aufgrund einer Entscheidung des sogenannten „Aufsichts- und Verwaltungsausschusses“ um sechs Monate verzögert wird. Ipek Ateş sagt, dass keine handfesten Gründe dafür vorliegen und ihre Schwester zu einem „Reuebekenntnis“ gezwungen werden soll. Die Entscheidung sei willkürlich und auf Anordnung erfolgt.
Im Gefängniskomplex Sincan sind viele politische Gefangene inhaftiert, darunter auch die ehemalige Abgeordnete Ayla Akat Ata und weitere HDP-Politikerinnen. Fünfzig Frauen wurden im vergangenen Jahr wegen kurdischer Lieder und Tanzen am 15. August mit Disziplinarstrafen sanktioniert. Das Strafmaß schwankte zwischen der Einschränkung von Kommunikationsmitteln wie Briefen oder Telefonaten und einem Besuchsverbot für jeweils einen Monat. Jiyan Ateş, Hanım Yıldırım und Rojdan Erez wurde aufgrund des Verfahrens die vorzeitige Haftentlassung gestrichen.
Politische Gefangene in der Türkei werden nicht freigelassen, wenn der Aufsichts- und Verwaltungsausschuss keine günstige Sozialprognose ausstellt. Der Ausschuss besteht aus Vollzugspersonal und übernimmt gravierende juristische Befugnisse. Von dieser Praxis sind immer mehr politische Gefangene betroffen.