Menschenrechtler in der Türkei: Unser Kampf geht weiter

Zum Ende der Woche der Menschenrechte veranstalteten der Menschenrechtsverein İHD und die Menschenrechtsstiftung TİHV eine Menschenkette auf dem Istanbuler Barbaros-Platz.

Anlässlich des 70. Jahrestages der Verkündung der Charta der Menschenrechte veranstalteten der Menschenrechtsverein İHD und die Stiftung für Menschenrechte in der Türkei (TİHV) in Istanbul eine Woche der Menschenrechte. Bei einer Reihe von Aktivitäten, die zum Internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember eingeleitet worden waren, wurde auf die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und weltweit aufmerksam gemacht. Die Woche wurde gestern Abend mit einer Menschenkette am Barbaros-Platz in Istanbul-Beşiktaş abgeschlossen.

Mit Kerzen wurde die Zahl 70 abgebildet und ein Transparent mit der Aufschrift „Menschenrechtswoche vom 10. bis 17. Dezember – unser Kampf für Menschenwürde, Gleichheit, Gerechtigkeit, Frieden und Demokratie geht weiter“ aufgestellt. An der Kundgebung nahmen neben Menschenrechtsaktivist*innen auch die Samstagsmütter und im Rahmen von Notstandsdekreten entlassene Akademiker*innen teil, darunter auch Ümit Biçer, der bis zu seiner Entlassung am Institut für Rechtsmedizin der Universität Kocaeli lehrte.

Die Hoffnungslosigkeit wird mit Solidarität überwunden

Eröffnet wurde die Kundgebung von der Vorsitzenden des Istanbuler İHD-Büros, Gülseren Yoleri. Sie erinnerte an die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und weltweit und hob die Bedeutung der Verteidigung der Menschenrechte in einer Zeit, in denen alle Völker der Welt durch Kriege, Armut und Hunger bedroht sind, hervor. Yoleri erklärte, es habe eine ganz besondere Bedeutung, sich hier an den Händen zu fassen. In Zeiten wie dieser, in der die Gesellschaft von einer Politik der Isolierung, der Polarisierung und Hetze beherrscht werde, sei Solidarität der einzige Weg, um die Hoffnungslosigkeit zu überwinden.

Es gibt in der Türkei keine Verfassung

Trotz der Repression werde der Kampf für Menschenrechte weitergehen, sagte Yoleri. „Das grundsätzlichste Recht des Menschen ist das Recht auf Leben und das Recht auf Meinungsfreiheit. Diese Rechte werden derartig eingeschränkt, dass die Menschen schon allein aufgrund ihrer Gedanken ins Gefängnis geworfen werden. In einer solchen Zeit müssen wir noch einmal die Bedeutung der Solidarität betonen. In der Türkei sind wir heute mit dem Problem einer fehlenden Verfassung konfrontiert. Die Gerechtigkeit, die mittlerweile die gesamte Gesellschaft fordert, muss unter juristischen Schutz gestellt werden. Es ist notwendig, dass der Staat durch das Recht in seine Schranken verwiesen wird. Wir wollen, dass von heute an wieder nach der Verfassung, den internationalen Abkommen und der Menschenwürde angemessen gehandelt wird.“

Widerstand gegen Unterdrückung ist ein Recht!

Yoleri kritisierte auch die Strafen gegen die Vorstandsmitglieder der Ärztekammer (TTB) wegen eines Friedensappells und verwies dabei auf die Erklärung der Menschenrechte: „Widerstand gegen Repression ist ein Recht. Wenn der Staat einen Aufstand verhindern will, dann soll er die Menschenrechte anwenden. Es muss ein Rechtssystem gelten, das auf den Menschenrechten basiert. Unser Kampf dafür geht weiter.“

Das Erbe von Vedat Aydın und Tahir Elçi

Ümit Efe von der Istanbuler Vertretung der TİHV sagte, dass die seit Jahrhunderten unterdrückten, verarmten Menschen mit ihrem Kampf für Gleichheit, Freiheit und Geschwisterlichkeit die Räder der Geschichte ins Rollen bringen. Er erinnerte an den Kampf der Friedensmütter gegen die Folter, der den Kampf um Menschenrechte in der Türkei initiiert hat, und an diejenigen, die in diesem Kampf ihr Leben verloren haben.

Die Krise der Menschheit beherrsche die Welt und wirke sich in der Türkei aus, erklärte Efe. „Wir als Menschenrechtsverteidiger erklären, dass wir unseren Kampf niemals aufgeben werden. Auch wenn nur noch einer von uns übrig ist, werden wir niemals vergessen. Jeder düstere Tag bringt uns einer sonnigen Zukunft näher.“

Nach den Redebeiträgen fassten sich alle Anwesenden an den Händen und riefen gemeinsam: „Die Menschenwürde wird die Folter besiegen“ und „Schweige nicht, denn wenn du schweigst, kommst du selbst an die Reihe“.