Jineolojî beim Performing Arts Festival Implantieren '24

In Frankfurt am Main wird heute das diesjährige Performing Arts Festival Implantieren '24 eröffnet. Eines der dreizehn Projekte des Festivals bringt Ideen der kurdischen Frauenbefreiungsbewegung mit Kunst und Theater zusammen.

Mit Jineolojî zu einem freien Theater?

Wissenschaftskritik, künstlerische Lernprozesse und Gemeinschaft – von diesen Themen handelt das diesjährige Performing Arts Festival Implantieren '24, das zwischen dem 7. September und 1. Dezember in Frankfurt, Offenbach und Neu-Isenburg stattfindet. Die dreizehn Projekte des Festivals widmen sich historisch ausgeschlossenen Formen von Wissen und setzen sich dabei kritisch mit der Universität als Ort der Ausgrenzung, des Individualismus und der Produktion patriarchaler Ideen auseinander.

Das Festival findet unter dem Motto „Auf den Ruinen der Universität“ statt – doch das Programm möchte die klassische Art der Wissensvermittlung sprengen. Von einer queeren Halloweenparty über Community Hangouts und Ausstellungen bis zu partizipativen, kollektiven Kunstprojekten sind unterschiedlichste Veranstaltungen geplant.

Projekt Amargi der Künstlerin Ceren Yildirim

Das Projekt Amargi der Künstlerin Ceren Yildirim unter der Fragestellung „Mit Jineolojî zu einem freien Theater?“ bringt Ideen der kurdischen Frauenbefreiungsbewegung mit Kunst und Theater zusammen. Es wird in Kooperation mit dem in Brüssel ansässigen Jineolojî Zentrum Europa und dem kurdischen Frauenrat Amara in Frankfurt durchgeführt.

Jineolojî: Wissenschaft der Frau

Jineolojî, übersetzt „Wissenschaft der Frau“, ist zum einen eine Kritik an der patriarchalen und machtorientierten Wissenschaft und Geschichtsschreibung. Sie bringt feministische und antikapitalistische Theorien, Erfahrungen aus Befreiungskämpfen und revolutionäre Praxis zusammen. Jineolojî-Komitees, die sich über Kurdistan hinaus erstrecken und sich mittlerweile auch in vielen Städten Europas aufgebaut haben, arbeiten gemeinsam heraus, wie Wissen aus Sicht der Frau und aus Sicht der Gesellschaft entwickelt werden kann und wie unterschiedliche Erfahrungen und Perspektiven teil eines revolutionären Kampfes werden können, der Machtstrukturen und Unterdrückung herausfordert.

Kollektive Praxis und partizipative Formate

Jineolojî ist in erster Linie eine kollektive Praxis. Neben Einführungsveranstaltungen zu den Grundlagen und zur Geschichte der Jineolojî finden im Rahmen des Projekts Amargi daher unterschiedliche partizipative Formate statt.

Die künstlerische Leiterin Ceren Yildirim beschäftigt sich im Rahmen ihres Masterstudiums in Angewandter Theaterwissenschaft mit Jineolojî und mit Widerstandsbewegungen im Mittleren Osten. Bei der Pressekonferenz zur Eröffnung des Festivals erklärt sie, dass sie die kollektive historische Analyse durch die Perspektive der Jineolojî als Mittel begreift, heutige Krisen zu verstehen und zu überwinden. Genauso wie Jineolojî Theorie und Praxis zusammenbringt, möchte sie mit ihrem Projekt Kunst und Wissenschaft zusammenbringen. Jenseits von klassischen Vorträgen soll künstlerisch und kollektiv geforscht werden. Das Finale des Projekts soll eine Performance werden, die die Möglichkeiten eines freien Theaters durch die Linse der Jineolojî ergründet.

Dreimonatiges Programm

Teil des dreimonatigen Programms sind die Versammlungswochenenden am Ende jedes Monats, an denen Workshops, Filmvorführungen, Performances und Gesprächsrunden stattfinden, die verschiedene Communities und Projekte zusammenbringen. Alle Infos zum Programm sind auf der Webseite des Festivals zu finden, die fortlaufend aktualisiert wird.