Istanbuler Samstagsmütter trotzen Polizeiblockade

Trotz Polizeiblockade haben die Istanbuler Samstagsmütter zum 710. Mal Aufklärung über ihre verschwundenen Angehörigen gefordert.

Seit 23 Jahren bereits kämpfen die Samstagsmütter in der Türkei um die Aufklärung zum Verbleib ihrer in Polizeigewahrsam verschwundenen Angehörigen und fordern die Bestrafung der Täter. Wie bereits in den letzten Wochen wurde auch die Aktion am heutigen Samstag verboten. Die Polizei sperrte beidseitig die Straße ab, in der sich die Istanbuler Zweigstelle des Menschenrechtsvereins IHD befindet. Unterstützt wurden die Samstagsmütter von den HDP-Parlamentarierinnen Hüda Kaya und Oya Ersoy, dem CHP-Abgeordneten Ali Şeker sowie der Schauspielerin Nur Sürer.

Thema der heutigen Kundgebung war das Schicksal des 61-jährigen Bauern Nazım Gülmez, der vor 24 Jahren in der nordkurdischen Provinz Dersim verschwunden ist. Der Vater von neun Kindern lebte mit seiner Familie im Dorf Taşıtlı in der Kreisstadt Xozat von Landwirtschaft und Tierhaltung. Am 14. Oktober 1994 wurde er von Soldaten im Rahmen einer Militäroperation der Kommandobrigade Bolu aus seinem Haus abgeführt, weil er als Lotse eingesetzt werden sollte. Drei weitere Dorfbewohner wurden ebenfalls gegen ihren Willen in das Operationsgebiet geführt, wie später alle Bewohner*innen von Taşıtlı bezeugt hatten. Nach einer Weile kehrten drei Personen zurück, von Nazım Gülmez jedoch fehlt seitdem jede Spur.

Seine Frau Garip Gülmez kämpft seit fast einem Vierteljahrhundert für die Aufklärung des Verschwindenlassens ihres Ehemanns. Da sie schwer krank ist und intensivmedizinisch behandelt wird, konnte sie an der Aktion heute nicht teilnehmen. Stellvertretend verlas die Menschenrechtlerin Sebla Arcan eine Erklärung, in der sie darauf hinwies, dass die Aktionen der Samstagsmütter so lange fortgesetzt werden, bis das Verschwindenlassen von Menschen in Polizeigewahrsam geahndet wird. Von den Behörden wurde gefordert, hinreichend zu ermitteln und eine Verurteilung der Täter zu erwirken. „Wir bestehen auf unser Recht, unsere Toten zu bestatten. Damit es einen Ort gibt, an dem wir trauern können“, sagte Arcan.