Innenminister wollen Abschiebestopp nach Syrien beenden
Berichten zufolge zeichnet sich bereits vor dem Beginn der Innenministerkonferenz ab, dass der Abschiebestopp nach Syrien auslaufen soll.
Berichten zufolge zeichnet sich bereits vor dem Beginn der Innenministerkonferenz ab, dass der Abschiebestopp nach Syrien auslaufen soll.
Seit 2012 kann aus gutem Grund nicht nach Syrien abgeschoben zu werden. Innenminister von Bund und Ländern versuchen dieses Verbot immer wieder zu unterlaufen und scheibchenweise zu demontieren. Im Vorfeld der Innenministerkonferenz am Freitag scheint sich eine Mehrheit abzuzeichnen, die den Abschiebestopp in das von Krieg und Besatzung zerrüttete Land auslaufen lassen möchte. Die SPD-regierten Länder konnten sich einem DPA-Bericht zufolge nicht mit ihrer Forderung einer Verlängerung des Abschiebestopps durchsetzen.
Behörden dürfen damit wieder die Möglichkeit einer Abschiebung prüfen. Der bayrische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte ähnlich wie Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) für ein Auslaufen der Regelung mit der Behauptung geworben, dass dies die Mehrheit der Schutzsuchenden aus Syrien nicht betreffe, sondern nur eine „kleine Gruppe von schweren Straftätern und Gefährdern“. Real geht es ihm um die Umsetzung einer Salamitaktik: Gruppen, für die schwer einzutreten ist, werden als Türöffner verwendet, um das generelle Aussetzen von Abschiebungen in den Bürgerkrieg zu beenden und das Schicksal von Schutzsuchenden dem Gutdünken der Behörden zu überlassen. Regionale Unterschiede bei Schutzquoten von Geflüchteten aus Ländern wie Afghanistan zeigen die Willkür behördlicher Entscheidungen bei der Erteilung eines Schutzstatus.
Innenminister will in besetzte Gebiete abschieben
Da die Bundesregierung keine diplomatischen Beziehungen mit dem Assad-Regime oder der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien pflegt, kommen als Gebiete, in die solche Abschiebungen möglich sein könnten, alleine die besetzten Gebiete in Nord- und Ostsyrien in Frage. Ob dies völkerrechtlich angesichts der rechtswidrigen Besatzung durch die Türkei möglich ist, bleibt zu bezweifeln. Dennoch behauptete Herrmann, Assad-Gegner könnten möglicherweise in Landesteile unter der Kontrolle der Türkei oder kurdischer Gruppen geschickt werden.
Abschiebung in besetzte Gebiete bedeutet Anerkennung der Besatzung
Erst im September hatte die UN-Syrien-Kommission der sogenannten SNA (Syrische Nationalarmee), dem Proxy-Invasionskorps der Türkei, und auch der Türkei selbst, Kriegsverbrechen in Syrien vorgeworfen. Die mit der Türkei verbündete, von ihr bezahlte und gelenkte SNA besteht aus einem losen Verband aus zahlreichen dschihadistischen Milizen, die sich seit Beginn der Invasion in den ehemals selbstverwalteten Gebieten an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bedienen. Dazu gehören Plünderungen, Folter, Vergewaltigungen, Schändung religiöser Stätten, sowie Raub und Zerstörung von Weltkulturerbe, wie es auch im Untersuchungsbericht der UN-Kommission heißt. Der Generalkommandant der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), Mazlum Abdi, hatte den Bericht sogar als unzureichend kritisiert. Die dokumentierten Fälle seien nur die Spitze des Eisbergs an Kriegsverbrechen, die von bewaffneten Gruppierungen mit „politischer Rückendeckung der Türkei“ an der kurdischen Bevölkerung in Efrîn, Serêkaniyê (Ras al-Ain) und Girê Spî (Tall Abyad) begangen werden.
Jelpke: „Menschenrechte gelten auch für sogenannte Gefährder und Straftäter“
Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, kritisierte das Vorhaben der Innenminister scharf: „Die von innenpolitischen Hardlinern wie Seehofer angestoßene Debatte um eine Wiederaufnahme von Abschiebungen nach Syrien dient allein der Stimmungsmache gegen Geflüchtete und spielt damit rechten Hetzern in die Hände. Syrien ist nicht sicher, darauf weist selbst das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht hin. Menschenrechte sind unteilbar, und sie gelten auch für sogenannte Gefährder und Straftäter – niemand darf nach Syrien abgeschoben werden.“
„Islamismus verschwindet nicht, wenn man Täter abschiebt“
Die Abgeordnete weiter: „Das Problem des Islamismus verschwindet nicht, wenn ein Täter abgeschoben wird. Gerade bei islamistischen Straftätern gibt es vielmehr die reale Gefahr, dass diese sich in Syrien dem weiterhin aktiven sog. Islamischen Staat anschließen und dort Terror ausüben. Eine geeignete Antwort auf Straftaten wäre, die Tat und ihre Hintergründe detailliert aufzuklären und den mutmaßlichen Täter hier vor Gericht zu stellen. Stattdessen Abschiebungen in ein Land zu fordern, in denen Rückkehrenden Verfolgung und Folter drohen, ist menschenrechtswidrig und schlicht unverantwortlich. Ich befürchte, dass diese Debatte als Türöffner dienen soll, um langfristig auch andere Gruppen nach Syrien abschieben zu können. Eine Akzeptanz für Abschiebungen nach Syrien darf es nicht geben!“