Der politische Gefangene Ergin Aktaş ist mit einer Beschwerde gegen seine Haft vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gescheitert. Die Straßburger Richter entschieden, dass sein weiterer Verbleib im Gefängnis gerechtfertigt sei.
Ergin Aktaş verlor im Jahr 2011 beide Hände, als während einer Demonstration in der nordkurdischen Provinz Agirî (Ağrı) eine Bombe explodierte. Er wurde verhaftet und wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ zu einer erschwerten lebenslangen Haftstrafe plus weiteren 28 Jahren verurteilt. Die türkische Justiz wirft ihm vor, für die Explosion verantwortlich zu sein. Einen Nachweis dafür gibt es bis heute nicht.
Momentan befindet sich Aktaş im Istanbuler R-Typ-Gefängnis Metris, die meiste Zeit in Isolationshaft. Es handelt sich um eine geschlossene Vollzugsanstalt für Frauen, Männer und Kinder mit körperlicher oder seelischer Behinderung. Das rechtsmedizinische Institut von Istanbul hat Aktaş, der neben einer Reihe von schwerwiegenden Krankheiten auch an der Atemwegserkrankung COPD leidet, bisher fünfmal bescheinigt, dass er nicht in Haft verbleiben kann. Mehrmals starteten seine Anwälte daraufhin Versuche, eine Haftentlassung zu erwirken. Doch immer wieder werden die Entlassung des politischen Gefangenen als „gefährlich“ eingestuft und entsprechende Anträge mit Verweis auf Sanktionen abgelehnt.
Dagegen hatte seine Anwältin Gülizar Tuncer vor dem EGMR geklagt. Sie führte ins Feld, dass mit der Aufrechterhaltung der Inhaftierung ihres Mandanten der Tatbestand der Folter sowie erniedrigende und unmenschliche Behandlung gegeben sei. Der EGMR folgte dieser Argumentation nicht. Stattdessen folgte er der Rechtfertigung der türkischen Regierung, die durch die Freilassung Aktaşs das Land in Gefahr sieht.
Tuncer nannte das Urteil des EGMR eine Schande. Die Entscheidung sei ohne Beachtung der Menschenrechte und des Rechts auf Leben gefallen, kritisierte die Anwältin. „Die volle Aufmerksamkeit der Straßburger Richter galt offensichtlich ausschließlich den Beschönigungen des türkischen Staates, was die Ausstattung der R-Typ-Gefängnisse betrifft.“ Haftanstalten vom Typ R wurden nach dem „Zellensystem“ in sechs Blöcken mit zwölf Einzel- und 46 Gemeinschaftshafträumen für je drei Gefangene eingerichtet. Die Türkei behauptet zu ihrer Verteidigung, dass den Gefangenen zur pflegerischen und medizinischen Versorgung rund um die Uhr ein Gesundheitsdienst zur Verfügung stünde. „Nichts weiteres als eine von vielen Lügen dieser Regierung“, sagte Tuncer. Unzumutbare Zustände im Metris-Gefängnis sowie allen weiteren Haftanstalten in der Türkei seien mittlerweile Standart.
„Einer der Mitgefangenen Aktaşs ist vom Hals abwärts gelähmt. Der zweite Gefangene ist querschnittsgelähmt. Der Alltag in der Zelle gestaltet sich so, dass Ergin die Kleidung aller drei mit seinen Füßen wäscht. Seine beiden Mitgefangenen wringen sie mit ihren Händen aus. Diese drei Menschen sollen also eine riesige Gefahr für die Türkei darstellen. Eine menschenverachtende Betrachtungsweise, der sich der Europäische Gerichtshof angeschlossen hat. Es ist beschämend“, sagte Tuncer.
Seit sich Ergin Aktaş vergangenen März an einem Hungerstreik beteiligte, leidet er zudem unter chronischer Pneumonie (Lungenentzündung). Auch der Menschenrechtsverein IHD setzt sich bereits seit Jahren für seine Freilassung ein und fordert die türkischen Behörden immer wieder auf, den 31-Jährigen schnellstmöglich aus dem Gefängnis zu entlassen.