Seit dem 3. Juni sind Bewohner des österreichischen „Rückkehrzentrum Bürglkopf“ im Hungerstreik. Sie fordern die Schließung der Einrichtung. Die Initiative „Schließt Bürglkopf“ hat in Innsbruck einen Solidaritätshungerstreik gestartet, um auf den Zustand in dem Abschiebezentrum aufmerksam zu machen. Vor dem Landesmuseum Innsbruck steht seit gestern rund um die Uhr ein Protestzelt, auch eine Online-Petition ist gestartet worden. Am Samstag hat außerdem eine Kundgebung gemeinsam mit den Bewohner*innen des Rückkehrzentrums Bürglkopf in Fieberbrunn stattgefunden.
Isoliert und entmündigt
Die Betroffenen berichteten auf der Kundgebung von ihrer persönlichen Geschichte und den Zuständen im Rückkehrzentrum. Deutlich zum Ausdruck kam dabei vor allem, dass viele der Bewohner*innen bereits jahrelang in anderen Städten Österreichs gelebt hatten, Wohnung, Freunde und Arbeit hatten, Deutsch gelernt haben - bis sie plötzlich aus alldem, was sie sich aufgebaut hatten herausgerissen und im Rückkehrzentrum interniert wurden. Die Berichte der Bewohner*innen von den Bedingungen in der Unterkunft zeichneten ein noch detaillierteres Bild ihrer verzweifelten Lage. Sie seien ob der fast völligen Isolation, der zahlreichen entmündigenden Maßnahmen, der respektlosen Behandlung seitens der Sicherheitsfirma ORS und des ständigen Aufeinandersitzens „kurz vor dem Durchdrehen“. Wollen die Kinder einen Fußball ausleihen, müssen sie dafür ihren Namen angeben, möchten sie ein Spiel benutzen, müssen sie dafür ihren Namen angeben. Unter dem Vorwand der Hygiene erfolgen tägliche Zimmerkontrollen, um diese auf selbstbeschaffte Lebensmittel zu durchsuchen.
Täglich verkehrt nur ein einziger Shuttlebus mit acht Plätzen auf dem Forstweg zwischen dem Rückkehrzentrum und Fieberbrunn, von wo aus sie nach nur zwei Stunden Aufenthalt wieder in ihre Unterkunft gebracht werden. Unter anderem kommt es auch deshalb immer wieder zu Konflikten darüber, wer heute einen der acht Plätze erhalten wird. Ein Mann, der bereits mehrere Jahre in einer österreichischen Stadt mit Frau und Kindern lebte und dort arbeitete, wurde wie bereits beschrieben vor wenigen Monaten urplötzlich von der Polizei abgeholt und auf den Bürglkopf gebracht. Als er die Angestellten auf seine Lage aufmerksam machen wollte, meinten diese, dass er dann besser mal keine Kinder hätte zeugen sollen. Während der Kundgebung mussten zwei der Hungerstreikenden vom Bürglkopf, entkräftet nach dem Marsch ins Dorf, Hilfe von Sanitätern in Anspruch nehmen. Daraufhin ließ sich einer von beiden ins Krankenhaus bringen.
Freiwillige Ausreise erzwingen
Zu dem Rückkehrzentrum Bürgelkopf teilt die Initiative mit:
Die seit November 2017 bestehende Anlage liegt auf 1250 Metern Höhe, drei bis vier Gehstunden vom Dorf Fieberbrunn entfernt. Ca. 40 Personen, darunter Familien mit Kindern, wurden dort zwangsuntergebracht und können die Region Kitzbühel nicht ohne strafrechtliche Konsequenzen verlassen. Sie haben keinen Zugang zu rechtlicher Beratung, was die Inanspruchnahme ihrer Rechte, sowie die Einhaltung juristischer Fristen verhindert. Da die Personen in dem Rückkehrzentrum nicht auf herkömmliche Weise abgeschoben werden können, versucht man sie durch die inhumanen Bedingungen dort zur „freiwilligen“ Ausreise zu bewegen. Eine Rückkehr wäre jedoch aufgrund der Kriegszustände im Herkunftsland oder politischer Verfolgung lebensbedrohlich. Der hungerstreikende Vater einer staatenlosen Familie hat uns mehrmals gefragt: „Wir haben nichts Kriminelles verbrochen, um hier in Isolation zu landen. Wir wollen menschenwürdig leben und nicht wie Tiere.“ Ein 15-Jähriger betonte uns gegenüber mehrfach, dass er sich wünscht, wie andere österreichische Jugendliche zur Schule gehen zu dürfen.
Bestehende Traumatisierung, Perspektivlosigkeit und soziale Isolation erhöhen massiv das psychische Leiden. Psychologische Betreuung fehlt in der Einrichtung und eine medizinische Versorgung ist durch die Abgeschiedenheit eingeschränkt möglich. Es gibt keinerlei Leistungen in Bargeld, weshalb die Beschaffung von geeigneten Medikamenten ebenfalls schwierig ist. Trotz der miserablen Zustände verursachte die Einrichtung allein im Vorjahr Kosten in Höhe von 1,39 Millionen Euro. Dies ging aus einer Anfragebeantwortung durch den Ex-Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hervor, unter welchen dieses Zentrum installiert wurde.