Der Guerillakommandant Xemgîn Serhed und der Kämpfer Bahoz Farqîn sind am 8. Juni bei schweren Auseinandersetzungen mit türkischen Operationseinheiten in Licê in der nordkurdischen Provinz Amed (tr. Diyarbakır) gefallen. Das teilte das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) am Samstag in Behdînan mit. Die HPG würdigen die Gefallenen als Helden, die durch ihre kompromisslose und aufopferungsvolle Teilnahme an der apoistischen Linie einen ehrenden Platz in der Geschichte des Kampfes des kurdischen Volkes eingenommen haben. Ihren Angehörigen und der Bevölkerung Kurdistans sprechen die HPG ihr Beileid aus.
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Codename: Xemgîn Serhed
Vor- und Nachname: Sami Özdemir
Geburtsort: Mûş
Namen von Mutter und Vater: Sultan – Mehmet
Todestag und -ort: 8. Juni 2023 / Amed
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Codename: Bahoz Farqîn
Vor- und Nachname: Ümit Korkmaz
Geburtsort: Amed
Namen von Mutter und Vater: Cahide – Hikmet
Todestag und -ort: 8. Juni 2023 / Amed
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Xemgîn Serhed
Xemgîn Serhed wurde 1984 als Sohn einer dem Stamm der Mîllî zugehörigen patriotischen Familie in Kelê (Malazgirt) bei Mûş geboren. Er wuchs im natürlichen, kommunalen Dorfleben auf, das geprägt war von der Kultur der Serhed-Region. Nach der dritten Klasse verließ die Familie den Wohnort und migrierte nach Istanbul. „Xemgîn Serhed stand hier bereits früh auf eigenen Beinen, arbeitete in Berufen zum wirtschaftlichen Vorteil für seine Familie, begegnete der Arbeiterklasse und lernte das Phänomen der Arbeit kennen. Dabei sah er auch den Raub der Arbeitskraft durch die kapitalistische Ordnung, die Ungleichheit zwischen den Klassen, die in unsäglichem Reichtum lebende Bourgeoisie auf der einen Seite und die zum Hunger verurteilten, ausgebeuteten Klassen auf der anderen. Aus diesem Ausbeutungsverhältnis entstand bei unserem Genossen ein Klassenwiderspruch, der dazu führte, dass er nach einer Alternative zur brutalen kapitalistischen Ordnung suchte und sich der demokratisch-sozialistischen Ideologie zuneigte. Auf seiner Suche begegnete er der Befreiungsbewegung. Damit spürte er seine kurdische Identität, die in den Metropolen der Türkei verachtet wurde und mit der Assimilation konfrontiert war, noch intensiver und setzte sich mit aller Kraft für sie ein. Die Assimilierungstendenz des Feindes schlug in Sturheit und Beharren auf seiner Identität um“, schreiben die HPG in einem Nachruf auf den Gefallenen.
Der Guerilla schloss sich Xemgîn Serhed im Jahr 2000 an. Erste praktische Erfahrungen in den Bergen sammelte er in Kelareş, später ging er nach Xinerê und in den Zap. 2003 wurde er Teil der Sondereinheit Hêzên Taybet, die eine explizite Opferbereitschaft und ideologischen Tiefgang voraussetzt. Drei Jahre später kehrte er zurück nach Nordkurdistan, wo er sich mehr als sieben Jahre in Amed aufhalten sollte. „Er beteiligte sich an diversen Guerillaoffensiven in der Region, insbesondere im Gebiet Şehîd Brûsk, und leistete mit hohem Mut und apoistischen Opfergeist Pionierarbeit. Unser Freund galt als Experte der Sniper- und Sabotagetaktik und hat an Initiativen mitgewirkt, die die Technik in den Dienst spezifischer Guerillataktiken stellen“, betonen die HPG. Mit dem Rückzug der Guerilla aus Nordkurdistan im Rahmen des Waffenstillstands 2013 wechselte Xemgîn Serhed in die Medya-Verteidigungsgebiete. Bei der Kommandantur der Apollo-Akademien vertiefte er ab 2014 seine Erfahrungen und blieb bis 2018 an der Haki-Karer-Akademie. Später ging er wieder zu den Hêzên Taybet und betätigte sich als Ausbilder der Fedai („Opferbereite“).
Weiter erklären die HPG: „Um die größeren Aufgaben der Partei zu verwirklichen und neuzeitliche Herausforderungen auf die kompetenteste Art und Weise zu bewältigen, hielt sich Xemgîn Serhed an unserer nach Sakine Cansız benannten PKK-Schmiede auf. Mit großer Liebe zum Kampf, Entschlossenheit und Zielstrebigkeit schloss er seine Ausbildung ab und kehrte nach Amed zurück. Vom Guerillakämpfer bis zum apoistischen Fedai hin zum Teamkommandant und Mitglied des Regionalkommandos erfüllte er als führender Dirigent der Guerilla der Demokratischen Moderne alle Aufgaben mit Bravour. Besonders in den letzten Jahren, in denen die feindlichen Vorstöße sehr intensiv waren, vereitelte er geschickt jegliche Angriffe, führte seine Freundinnen und Kameraden an und versetzte den Aggressoren bei jeder sich bietenden Gelegenheit schwere Schläge. Am 8. Juni 2023 lieferte er sich zusammen mit Bahoz Farqîn bis zum letzten Atemzug und aufopferungsvoll heftige Gefechte mit der türkischen Besatzerarmee. Im Zuge dieses Zusammenstoßes und intensiven Bombardements durch den Feind schlossen sich beide Freunde der Karawane der Gefallenen an.”
Bahoz Farqîn
Bahoz Farqîn wurde in Amed geboren. Seine Familie galt seit jeher als patriotisch und dem kurdischen Kampf tief verbunden. Auch das Umfeld, in dem er aufwuchs, war geprägt von der Widerstandstradition Kurdistans und der sozialen Moral seines Volkes. Diese Realität wirkte sich auf seine Persönlichkeit aus. „So war es nur natürlich, dass sich Hevalê Bahoz als Heranwachsender der ehrenhaften Jugend Kurdistans anschloss, um seine Verantwortung gegenüber unserem Volk zu erfüllen“, so die HPG.
Nach einer Weile in der Jugendarbeit und wichtigen Erfahrungen in der Organisierung äußerte Bahoz Farqîn den Wunsch, zur Guerilla zu gehen. Tief beeindruckt von Personen wie Arîn Mîrkan, die in Kobanê gegen den IS kämpfte, und Çiyager Hêvî (Cihat Türkan), der als Kommandant den Widerstand gegen die türkische Militärbelagerung in Sûr anführte, wollte er in die Berge. „Ganz gleich in welchem Bereich er aktiv war: Genosse Bahoz hielt das Niveau der Beteiligung am Kampf nie für ausreichend. Er stellte seine eigene Beteiligung angesichts dieser Widerstände, die in der Linie der Fedai durchgeführt wurden, in Frage und erkannte, dass die Kampflinie der damaligen Zeit im Stil von Arîn und Çiyager verborgen war. Aus diesem Grund entschied er sich 2018, in einer Zeit, in der unser Kampf am härtesten war, in die Reihen der Guerilla einzutreten. Dazu wandte er sein Gesicht den hohen Gipfeln von Amed zu“, erklären die HPG.
Angekommen bei der Guerilla sammelte Bahoz Farqîn erste praktische Erfahrungen in den Gebieten Şehîd Kendal, Şehîd Remzi und Dorşîn. Er beteiligte sich relativ früh an Kampfeinsätzen und zahlreichen Aktionen gegen die türkische Armee. Darüber hinaus wirkte er beim Umstrukturierungsprozess der PKK-Guerilla mit. „Er entwickelte unsere neuzeitliche Ausrichtung mit und reflektierte das Guerillatum der Demokratischen Moderne in seiner eigenen Praxis. Er war Denker, Stratege und Lehrer, der seine Kameradinnen und Weggefährten in die Guerillataktiken der Neuzeit einwies.“