Bei einer breitangelegten Polizeioperation im nordkurdischen Êlih (tr. Batman) sind am Montag weitere Personen im Zusammenhang mit den Kobanê-Protesten vom Oktober 2014 festgenommen worden. Am Sonntag waren mit Kemal Arzık, Nazmi Boral, Ahmet Tufan und Kudbettin Atak bereits vier Männer aus dem Kreis Hezo (Kozluk) in Gewahrsam genommen worden, denen eine Beteiligung an den damaligen Demonstrationen gegen die Unterstützung der türkischen Regierung für die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) vorgeworfen wird. Heute wurden nun zehn weitere Beschuldigte, deren Namen noch unklar sind, festgenommen. Vier Personen sind zur Fahndung ausgeschrieben.
Wie es heißt, sollen die Festgenommenen am Dienstag einem Gericht im Justizpalast in Hezo überstellt werden. Solange befinden sie sich bei der Bezirkspolizeidirektion in Gewahrsam.
Hintergrund der Kobanê-Proteste
Am Abend des 6. Oktober 2014 war es dem IS nach 21 Tagen Widerstand der Verteidigungseinheiten YPG/YPJ sowie der Bevölkerung von Kobanê gelungen, ins Zentrum der kurdischen Stadt im Norden Syriens einzudringen. Angesichts der kritischen Situation hatte die HDP die Bevölkerung Nordkurdistans und der Türkei zu einem unbefristeten Protest gegen die AKP-Regierung aufgerufen, da diese ihre Unterstützung für den IS nicht beendete. Im Zuge dessen kam es in vielen Städten zu regelrechten Straßenschlachten zwischen Sicherheitskräften und den Protestierenden: Soldaten, Polizisten, Dorfschützer sowie Mitglieder und Anhänger der radikalislamistischen türkischen Hisbollah (Hizbullah) führten einen gemeinsamen Kampf gegen Kurd*innen, die sich an den Protesten beteiligten. Die Zahl der dabei getöteten Personen, bei denen es sich größtenteils um Teilnehmende des Aufstands handelte, schwankt zwischen 46 und 53.
Bisher 27 Verhaftungen
Im Rahmen der von der Generalstaatsanwaltschaft Ankara im September eingeleiteten „Kobanê-Ermittlungen“ befinden sich derzeit 27 hochrangige Politikerinnen und Politiker der HDP (Demokratische Partei der Völker) und ihrer Schwesterpartei DBP (Partei der Demokratischen Regionen) in Untersuchungshaft. Sie werden der versuchten Zerstörung der Einheit und Integrität des Staates, Körperverletzung in hunderten Fällen, Mord, Plünderung, Anstachelung zur Gewalt und Freiheitsberaubung beschuldigt. Als Beweis wird ein Protestaufruf der HDP-Zentrale herangezogen. Einen Antrag der HDP auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Kobanê-Proteste vom Herbst 2014 hat das türkische Parlament abgelehnt.