Invasion der Türkei im Nordirak
„Siwar hatin, peya cûn“ – das alte kurdische Sprichwort bedeutet übersetzt soviel wie: „Sie kamen zu Pferd und gingen zu Fuß.“ Die Situation, in die sich die türkische Invasionsarmee in den von der Guerilla geschützten Medya-Verteidigungsgebieten manövriert hat, könnte mit diesem Sprichwort nicht treffender ausgedrückt werden. Die türkische Regierung hatte angekündigt, binnen Wochen bis Qendîl zu marschieren und der Guerilla das Rückgrat zu brechen. Aus Wochen sind Jahre geworden und auch wenn das türkische Regime an seiner leeren Erfolgspropaganda festhält, sieht die Lage vor Ort anders aus. Aus der Offensive der türkischen Armee ist rasch eine Defensive geworden.
Die Guerilla konnte ihre Stellungen trotz schwerer Angriffe immer besser halten und ging Schritt für Schritt in die Offensive über. Im vergangenen Jahr begann sie der türkischen Armee durch massive Operationen, bei denen Dutzende Soldaten getötet wurden, schwere Schläge zu versetzen. Der Armee wurde nicht nur die Hoheit am Boden, sondern auch in der Luft streitig gemacht. Das Luftabwehrsystem der Guerilla holte türkische Drohnen, den Stolz des türkischen Staates, vom Himmel. In diesem Jahr begann die Guerilla, ebenfalls Drohnen einzusetzen und auch in der Luft in die Offensive zu gehen. So werden türkische Stellungen, in denen sich die Armee eingeigelt hat, nicht nur von Kämpfer:innen gestürmt, sondern auch systematisch und erfolgreich mit Drohnen angegriffen. Dies hat die psychische Verfassung der Armee weiter verschlechtert. Abgeschnitten von Nachschub, Ablösung, geschweige denn Ersatz, sitzen die türkischen Einheiten in ihren Stellungen fest. Auch wenn die Unterstützung durch die Kollaboration der südkurdischen PDK die türkischen Besatzungstruppen vor dem Zusammenbruch bewahrte, so häuften sich Suizide und schwere psychische Traumata, das sogenannte Zap-Syndrom, unter den Soldaten.
Die Armee hält sich mithilfe der PDK-Kollaborateure
Aufnahmen aus Südkurdistan zeigen, dass die türkische Armee nun mithilfe der PDK massive Betonbauteile in die Region bringen lässt. Die PDK kann die türkische Armee versorgen, da die Guerilla diese Einheiten bisher nicht angreift, um einen offenen innerkurdischen Krieg zu vermeiden. Allerdings wird das Vorgehen der PDK immer dreister und ein offener Krieg scheint kaum noch abwendbar. Unter der Regie der PDK hat die irakische Regierung ein Abkommen mit Ankara gegen die kurdische Freiheitsbewegung geschlossen und unterstützt die türkische Armee direkt mit Geheimdienstinformationen, Logistik und Personal. Das letzte Beispiel kommt aus Behdînan. Offiziell handelt es sich um ein Naherholungsgebiet nahe der Kleinstadt Amêdî und wird von Spezialkräften der PDK, den Zêrevanî, kontrolliert.
Ausflugsort wird zu türkischem Militärbunker
Der Girê Amêdî (Amêdî-Gipfel) liegt westlich des Zap. Die türkische Armee versucht seit vier Jahren, mit aller Gewalt das Gebiet zu erobern. Bisher scheiterten die Truppen der zweitgrößten NATO-Armee am Widerstand der Kämpfer:innen von HPG und YJA Star. Trotz Einsatz von Chemiewaffen und unkonventionellen Bomben mussten die türkischen Truppen schwere Verluste einstecken, und der Widerstand und die Aktionen der Guerilla gehen weiter. Insbesondere die Luftangriffe der Guerillaeinheiten Şehîd Axîn Mûş und Şehîd Doğan Zinar setzten der türkischen Armee am Girê Amêdî im Sommer dieses Jahres schwer zu. Während Dutzende Soldaten sterben, ist die psychologische Wirkung eines permanent über den Köpfen der Soldaten schwebenden Damoklesschwerts noch viel größer. Viele ranghohe Militärs, darunter auch der Mitglieder des Kommandostabs der Armee, wurden von der Guerilla getötet.
Das Gebiet, in dem der Betonbunker errichtet wird, wird von den Menschen in der Region als „seyrangeh“, also so etwas wie „Ausflugsort“ bezeichnet. Während vorher Kinder dort spielten, befindet sich dort nun die Großbaustelle der türkischen Armee.
Die Ausschreibung für die von der türkischen Besatzungsarmee in Berê Silê eingerichtete Baustelle, d.h. den Amêdî-Park, wurde an Süleyman Odabaşı, einen Kollaborateur aus dem nordkurdischen Amed (tr. Diyarbakır) vergeben. Das Unternehmen, das unter dem Namen Odabaşı Nakliyat A.Ş. agiert, gießt fertige Betonstellungen für die türkische Armee. Jede Betonstellung ist Berichten zufolge zwei Meter hoch und wiegt neun Tonnen. Die Baustelle wird von einer massiven türkischen Militärpräsenz abgeschirmt.
Ein in Beton gegossenes Monument der Niederlage
Die Besatzungsarmee klammert sich an diese Stellungen, um das Zap-Syndrom zu überwinden und aus der Sackgasse, in die sie sich manövriert hat, auszubrechen. Dabei ist die Einrichtung dieser Stellungen wie ein in Beton gegossenes Monument der eigenen verzweifelten Lage. Dieses Vorgehen zeigt, dass sich die türkische Armee nicht vor den Aktionen der Guerilla schützen kann. Es ist ein faktisches Eingeständnis des Verlusts an Offensivkraft. Währenddessen gehen die Aktionen der Guerilla Tag für Tag weiter. Erst am Freitag wurde ein Panzerfahrzeug der Armee in der westlichen Zap-Region von einer Guerilladrohne getroffen.