Protest in Mexmûr gegen Angriffe auf Gefallenenfriedhöfe

Der bereits mehrfach zerstörte und wiederaufgebaute Gefallenenfriedhof Sîsê in Licê wurde kürzlich Opfer eines Waldbrands, den Soldaten entzündeten. Für die Bewohner von Camp Mexmûr bedeutet der Vorfall eine weitere Entwürdigung der Werte der Kurden.

Schon seit Längerem geht die türkische Regierung wieder gezielt gegen Friedhöfe vor, auf denen Gefallene der kurdischen Befreiungsbewegung begraben sind. Solche Methoden haben in der Türkei System und sind Mittel der psychologischen Kriegsführung gegen den kurdischen Teil der Bevölkerung. Insbesondere der Friedhof von Sîsê (Yolçatı) in der Nähe der Kreisstadt Licê gerät regelmäßig ins Visier der türkischen Armee. Mit dem Ende des Friedensprozesses im Jahr 2015 kam es hier ein- oder zweimal im Jahr zu Angriffen oder Grabschändungen – in der Regel im Anschluss an Militäroperationen. Immer wieder wurde die Ruhestätte von Anwohner*innen mühsam wiederaufgebaut, auch, als zuletzt die Grabsteine aller 250 Gräber von Soldaten zerschlagen wurden. Letzte Woche mussten Besucherinnen und Besucher zudem feststellen, dass die Ruhestätte Opfer eines über mehrere Tage lodernden Waldbrandes geworden ist.

Für die Bewohner von Camp Mexmûr in Südkurdistan kommt der Vorfall einer weiteren Entwürdigung der Werte des kurdischen Volkes gleich. In dem seit über einem Jahr abgeschotteten Lager, das etwa 60 Kilometer südwestlich von Hewlêr (Erbil) liegt, fand am Montag eine Kundgebung gegen den „Krieg gegen die Toten der kurdischen Befreiungsbewegung“ statt, wie die Angriffe auf Guerillagräber genannt wurden. „Friedhöfe zu zerstören oder niederzubrennen ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, sagte Neşat Kara, einer der Camp-Bewohner. In einer Rede hob er hervor, dass der Schutz der Totenruhe ein hohes Gut ist und die unantastbare Würde des Menschen über dessen Tod hinauswirkt.

Die Angriffe auf Gefallenenfriedhöfe seien „bösartig“, sagte Kara, aber in der Türkei, die von einem „faschistischen Staatsapparat“ regiert werde, gehörten sie mittlerweile zum Alltag. Dass es noch immer nicht zu einem kollektiven Aufschrei gegen das Vorgehen der Regierung gekommen ist, sei unverständlich. „Wir fordern die demokratische und progressive Öffentlichkeit auf, angesichts dieser feindstrafrechtlich gefärbten Handlungen nicht zu schweigen und für die Werte des kurdischen Volkes einzutreten.“

Die Kundgebung endete mit den Parolen „Şehîd namirin“ – „Gefallene sind unsterblich“ und „Şehîdên me nirx û rûmeta me ne“ – „Unsere Gefallenen sind unsere Würde und unser Stolz“.