Er soll den Rechtsanwalt Serkan Karakaş absichtlich mit dem Auto angefahren haben, um ihn zu töten: Wegen heimtückischen Mordversuchs ist der Polizeikommissar S.E. am Montag in der nordkurdischen Provinz Şirnex (tr. Şırnak) verhaftet worden. Er habe den 27-jährigen Juristen am Vortag abgepasst, als dieser eine Panne mit seinem Wagen hatte und in den sicheren Seitenstreifen auswich. Dann sei er von hinten in Tötungsabsicht auf ihn zugefahren, sodass er keine Möglichkeit zum Ausweichen gehabt habe.
Karakaş war in dem Moment bereits ausgestiegen, um nach dem Rechten an seinem Wagen zu schauen. So schilderten es auch Personen, die den Vorfall im Stadtzentrum von Şirnex beobachtet hatten und den Anwalt in ein Krankenhaus brachten. S.E. war zu dem Zeitpunkt bereits auf sein Revier geflüchtet. Dort hielt man ihn zunächst ohne offizielle Anordnung zur Ingewahrsamnahme fest. Erst durch das Wirken der Rechtsanwaltskammer Şırnak ließ der diensthabende Staatsanwalt den Polizisten festnehmen.
In seiner Vernehmung gab S.E. zu Protokoll, die Kollision in voller Absicht herbeigeführt zu haben. „Ich befand mich in einem psychologischen Ausnahmezustand. Ich habe Stimmen vernommen und daraufhin auf den Rückwärtsgang geschaltet“, erklärte der Beamte. Sein Opfer Serkan Karakaş befindet sich derweil noch immer im Krankenhaus. Eine erste Operation verlief am Sonntag zwar erfolgreich. Da er durch den Aufprall multiple Knochenbrüche erlitt und ein Bein unterhalb des Knies völlig zerschmettert wurde, werde er sich wohl noch häufig unters Messer legen müssen.
Proteste vor dem Justizpalast
Vor dem Justizpalast in Şirnex haben sich am Montag zahlreiche Mitglieder zivilrechtlicher Organisationen versammelt, um gegen den Mordversuch an Serkan Karakaş zu protestieren. „Dieser Vorfall verdeutlicht uns auf unmissverständliche Weise die Gefahr, der wir alle durch Sicherheitskräfte ausgesetzt sind. Niemand scheint sicher zu sein“, sagte Rojhat Dilsiz, Vorsitzender der örtlichen Rechtsanwaltskammer. Vor Ort war unter anderem auch Ali Bayram vom Vorstand der Vereinigung der Rechtsanwaltskammern der Türkei (TBB). Er forderte die umgehende Entlassung von S.E. als Polizist und eine angemessene Bestrafung. „Die TBB verurteilt diesen Mordversuch gegen unseren Kollegen auf das Schärfste und wird das Verhalten der Justizbehörden beim Ermittlungsverfahren gegen S.E. genauestens beobachten“, sagte Bayram. Für Serkan Karakaş wurden baldige Genesungswünsche übermittelt.
Junger Anwalt für Menschenrechte
Serkan Karakaş gilt mit seinen 27 Jahren zwar als noch junger Anwalt, dennoch ist er in Şirnex bereits bekannt für seinen Kampf bei der Durchsetzung von Menschen- und Bürgerrechten. Innerhalb der Rechtsanwaltskammer ist er zuständig für das kammereigene Büro für Anwaltsrecht, zu seinen Mandanten gehören meist Opfer staatlicher Willkür. Unter seinen Fällen befindet sich auch die Akte Abdulgaffar Dayan. Der 23-jährige Kurde war Ende Januar im Kreis Cizîr von einem gepanzerten Geländewagen der türkischen Polizei erfasst und mehrere Meter mitgeschleift worden. Nach zwei Tagen im Krankenhaus erlag er am 26. Januar seinen schweren Verletzungen.