Nachruf auf Asya Ali und Rojger Hêlîn

Die HPG haben einen Nachruf auf die in Ankara gefallenen Kämpfer:innen Asya Ali und Rojger Hêlîn veröffentlicht.

„Bataillon der Unsterblichen“

Das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) hat Angaben zu Asya Ali und Rojger Hêlîn veröffentlicht. Die beiden Kämpfer:innen der Sondereinheit „Tabura Nemîran“ sind am Mittwoch bei dem Anschlag auf das türkische Rüstungsunternehmen TUSAŞ bei Ankara ums Leben gekommen. Die HPG hatten sich gestern zu der Aktion bekannt und die Identität ihrer Gefallenen bekannt gegeben.

„Unsere Weggefährt:innen Asya und Rojger haben den Weg in die Berge Kurdistans als Reaktion darauf eingeschlagen, dass ihnen das Recht auf ein freies Leben aberkannt und ihre Sprache, Identität und Kultur als nicht existent betrachtet wurde. Ihre Entscheidung war eine Antwort darauf, dass sie jeder Form der Unterdrückung durch den auf einen Völkermord abzielenden türkischen Kolonialstaat ausgesetzt waren, wenn sie auch nur auf einem Mindestniveau dafür kämpften. Alle gesellschaftlichen Formen des Kampfes waren ihnen verboten, sie hatten in der feindlichen Realität kein Mitspracherecht. In den Bergen Kurdistans haben sie sich mit der apoistischen Ideologie und dem apoistischen Opfergeist gerüstet und wurden zu unbesiegbaren Militanten“, erklärten die HPG.

Asya Ali und Rojger Hêlîn seien zunächst Teil der Sondereinheit Hêzên Taybet geworden, bevor sie sich dem Bataillon der Unsterblichen angeschlossen hätten. Als autonomes Team dieses Bataillons hätten sie für die Selbstverteidigung ihres Volkes ein feindliches Ziel angegriffen. Mit der professionellen Ausführung ihrer Aktion hätten sie gezeigt, dass apoistische Fedai-Militante nicht aufzuhalten seien, wenn sie sich für etwas entschieden hätten. Gleichzeitig hätten sie eine neue Stufe des Kampfes und Maßstabs der Opferbereitschaft der Freiheitsguerilla Kurdistans bewiesen. Damit seien sie als Symbole für mutiges Heldentum in die Geschichte eingegangen.

Die HPG erklärten, dass die Haltung von Asya und Rojger ihnen eine Anleitung für das Leben und den weiteren Kampf sei. Den Angehörigen und dem kurdischen Volk sprachen die HPG ihr Beileid aus. Zur Biografie der Gefallenen wurden folgende Angaben gemacht:
 

                                 

Codename: Asya Ali

Vor- und Nachname: Mine Sevjîn Alçiçek

Geburtsort: Izmir

Namen von Mutter und Vater: Behice – Fazıl

Todestag und -ort: 23. Oktober 2024 / Ankara

 

 

Codename: Rojger Hêlîn

Vor- und Nachname: Ali Örek

Geburtsort: Şirnex

Namen von Mutter und Vater: Leyla – Mehmet Nezir

Todestag und -ort: 23. Oktober 2024 / Ankara


Asya Ali


Asya Ali ist in Izmir in der Westtürkei geboren. Ihre Familie ist ursprünglich aus Colemêrg (tr. Hakkari) und gehört dem Stamm der Ertûşî an. Asya war in der kurdischen Jugendbewegung und später in der Frauenbewegung aktiv. Gleichzeitig studierte sie Informatik in Colemêrg. Nach Abschluss ihres Studiums arbeitete sie an verschiedenen Stellen für ihren Lebensunterhalt. Mit ihrer politischen und sozialen Arbeit wollte sie gegen die Unterdrückung und Ausbeutung ihres Volkes ankämpfen. Dafür war sie zu allen Opfern bereit und engagierte sich im demokratischen politischen Bereich. Selbst als 2014 und 2015 Bombenanschläge auf friedliche Kundgebungen verübt und Hunderte Menschen dabei getötet wurden, beharrte sie entschlossen auf demokratischer Politik. Im Zuge ihres Engagements wurde sie 2012, 2014 und 2015 festgenommen und wegen „Zerstörung der Einheit und Gesamtheit des Landes“ angeklagt. Ihr drohte eine jahrzehntelange Freiheitsstrafe. Als ihr in der Türkei keine Möglichkeit mehr für legale politische Arbeit gelassen wurde und der türkische Staat Vernichtungsangriffe auf das kurdische Volk durchführte, ging sie in die Berge und schloss sich der Guerilla an. Sie war intelligent und voller Lebensfreude und hätte mit ihrer abgeschlossenen Berufsausbildung ein bequemes Leben in Izmir führen können. Angesichts der Situation ihres Volkes lehnte sie ein solches Leben ab. Den Weg in die Berge bewertete sie als ersten Schritt in die Freiheit. Sie wurde zur Kämpferin ausgebildet und war zunächst im Zap, bevor sie 2016 im Gebiet Cîlo kämpfte. Nach einer Weiterbildung bildete sie selbst Kämpfer:innen aus. Als sie Teil der Hêzên Taybet wurde, nahm sie an einem Lehrgang teil, in dem sie sich intensiv mit sich selbst auseinandersetzte. Ihr wurden strategisch wichtige Aufgaben übertragen und sie machte den Vorschlag, eine Fedai-Aktion durchzuführen und in das Tabura Nemîran aufgenommen zu werden. Die HPG beschreiben Asya als eine apoistische Militante mit einer klaren Haltung zur Frage der Frauenbefreiung und großem Verantwortungsbewusstsein und Mut.

Rojger Hêlîn


Rojger Hêlîn ist in Şirnex-Hezex (tr. Şırnak-Idil) geboren und gehörte dem Stamm der Alikî an. Wie viele Kinder in der Botan-Region wuchs er in einem von der kurdischen Befreiungsbewegung geprägten Umfeld auf. Er ging bis zum Gymnasium zur Schule und arbeitete danach im Westen der Türkei für den Lebensunterhalt seiner Familie. Aufgrund seiner kurdischen Identität wurde er diskriminiert und beleidigt. In dieser Zeit wurde ihm bewusst, dass die wirtschaftliche Armut in Kurdistan absichtlich herbeigeführt wird und Teil der staatlichen Politik ist. Er erlebte Repression und kehrte zurück nach Kurdistan, wo er sich in der Jugendbewegung engagierte. Als der IS 2014 mit Unterstützung des türkischen Staates Rojava und Şengal angriff, wuchs seine Kampfentschlossenheit. 2015 beendete das türkische Regime die Gespräche über eine politische Lösung der kurdischen Frage und eine Demokratisierung der Türkei und ging zum Vernichtungsangriff über. Der Widerstand für Selbstverwaltung in Nordkurdistan wurde brutal niedergeschlagen, es kam zu grausamen Massakern an der Zivilbevölkerung. Rojger beteiligte sich am Widerstand in Hezex. Die Stadt wurde von 20.000 Soldaten und Polizist:innen belagert und angegriffen. Am 16. Februar 2016 wurde eine Ausgangssperre erklärt, die 44 Tage andauerte. Rojger schwor Rache und erreichte auf einem langen und beschwerlichen Weg eine Guerillagruppe im Gebiet Cûdî, der er sich anschloss. Später kam er in die Medya-Verteidigungsgebiete und machte eine Ausbildung zum Guerillakämpfer. Danach übernahm er verschiedene Aufgaben, betätigte sich als Kurier und beteiligte sich an der Errichtung der Infrastruktur. Er wurde Teil der Hêzên Taybet und führte am 23. Oktober zusammen mit Asya Ali die Aktion in Ankara durch.