Mêrdîn: Mordversuch mit Waffen der Militärpolizei

In Mêrdîn sind drei Personen in einem Konflikt um Landbesitz angegriffen worden, unter anderem von einem durch die Corona-Amnestie freigelassenen Strafgefangenen. Dabei sollen Waffen der Militärpolizei eingesetzt worden sein.

In Şemrex (türk. Mazıdağı) in der nordkurdischen Provin Mêrdîn (Mardin) ist es in einem mutmaßlichen Konflikt um Landbesitz zu einem Angriff mit Langwaffen auf drei Zivilisten gekommen. Bei einem der Täter handelt es sich um Cevdet Özkan, der 2015 wegen einem ähnlichen Vorfall zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde. Er kam durch die Vollzugsreform, mit der das AKP/MHP-Regime im Frühjahr zehntausende ihrer Anhänger aus der Haft entließ, frei. Der aktuelle Angriff ereignete sich in der Nacht zum Mittwoch im Dorf Xirbe Kurike (Tanrıyolu). Cevdet Özkan griff zusammen mit Verwandten eine Familie an, mit der Streitigkeiten über Landbesitz bestanden. Einer der drei Verletzten, zwei Männer und eine Frau, schwebt noch in Lebensgefahr. Die Angehörigen der Verwundeten weisen darauf hin, dass es sich bei den eingesetzten Langwaffen um Waffen, welche die Militärpolizei an sogenannte „Dorfschützer“ ausgegeben hat, gehandelt habe.

Cevdet Özkan – „Verdeckter Paramilitär“

Cevdet Özkan war im Dorf als „verdeckter Paramilitär“ des Regimes gefürchtet. So kommt es nicht von ungefähr, dass die Militärpolizei bei ihren Ermittlungen gegenüber der Dorfbevölkerung bestätigte, dass es sich bei den eingesetzten Waffen um Waffen der Militärpolizei handelte. Als Regimeanhänger hatte Cevdet Özkan vom Vollzugsgesetz, das während der Corona-Pandemie durchs Parlament gepeitscht worden war, profitiert. Er war wegen eines Schusswaffenangriffs im Jahr 2008 auf die aktuell erneut angegriffene Familie zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Nachdem die Haftstrafe 2015 bestätigt worden war, kam der Täter ins Gefängnis.

Blutspur des Dorfschützersystems in Şemrex

Das in Nordkurdistan zur Aufstandsbekämpfung installierte „Dorfschützersystem“ zieht eine Blutspur hinter sich her. Immer wieder eskalieren Familienfehden zu regelrechten Massakern, die von der Militärpolizei gedeckt werden. Der Landkreis Şemrex der nordkurdischen Provinz Mêrdîn ist von Verbrechen aus dem Dorfschützerkomplex gezeichnet.

Am 4. Mai 2009 ereignete sich ein schreckliches Massaker im Dorf Zanqirt (Bilge), ebenfalls im Landkreis Şemrex. Dabei löschte ein Teil der Familie den anderen Teil der Familie nahezu vollständig aus. Bei dem Massaker mit Dorfschützerwaffen wurden 44 Gäste einer Hochzeitsfeier ermordet. Bei den Tätern handelte es sich um Erwachsene bis hin zu 14-jährigen Teenagern. Eine ganze Generation von Kindern verlor ihre Eltern. Die Militärpolizei beobachtete das Massaker von einem Kontrollpunkt aus und griff Augenzeugen zufolge nicht ein. Osman Çelebi, Verwandter von Tätern und Opfern, erklärte damals: „Wir hatten unter uns keine Probleme. Seit gestern sind alle hinter diesem Ereignis her. Aber wie hier alle wissen, gibt es zwischen uns keine Feindseligkeit und kein Ärgernis. Die Täter waren die Kinder meiner Schwester. Ihr Ziel war es, unsere Sippe völlig auszulöschen und die Schuld an diesem Ereignis der Terrororganisation (PKK) zuzuschieben. Aber Gott hat es nicht zugelassen. Meine Nichte hat es geschafft, unversehrt vom Tatort zu verschwinden. Außerdem gibt es noch andere Verletzte, die zum Massaker ausgesagt haben, so dass alles ans Licht kam.“