Kurde aus Deutschland startet „Gerechtigkeitswache“ vor OPCW

Xoşnav Ata hat seine Nichte durch den Einsatz geächteter Chemiewaffen verloren. Vor dem Sitz der OPCW in Den Haag startete der 56-Jährige nun eine „Gerechtigkeitswache“ gegen die Untätigkeit der Organisation hinsichtlich der Türkei.

Dass die Organisation zum Verbot des Einsatzes chemischer Waffen (OPCW) kein Interesse an Berichten über die türkischen Chemiewaffeneinsätze in Kurdistan hat, ist unlängst bekannt. Dass sie dadurch aber gegen ihre Verpflichtungen verstößt, ist ebenfalls kein Geheimnis. Um dies öffentlichkeitswirksam zu vergegenwärtigen, hat Xoşnav Ata vor dem Sitz der OPCW im niederländischen Den Haag eine „Gerechtigkeitswache“ ins Leben gerufen. Jeden Tag in der Zeit zwischen 10 und 13 Uhr will der Kurde aus Deutschland vor dem Gebäude in Erscheinung treten, um die Verantwortlichen an die Gründe des Entstehens der OPCW zu erinnern und ihr Handeln gegen den Einsatz toxischer Waffen durch die Türkei in Kurdistan einzufordern.


„Der türkische Staat hat meine Nichte mit Chemikalien getötet. Warum wollen Sie das nicht untersuchen?“ steht auf einem lilafarbenen Pappschild, das Xoşnav Ata in den Händen hält. Gemeint ist die Guerillakämpferin Binevş Agal (Gülperin Ata), die Ende Mai im Widerstand gegen die türkische Invasion am Kuro Jahro in der Zap-Region in Südkurdistan ums Leben gekommen ist. Die Volksverteidigungskräfte (HPG) hatten zu den Todesumständen mitgeteilt, dass die türkische Armee über mehrere Tage chemische Kampfstoffe gegen Guerillastellungen, an denen Binevş Agal im Einsatz war, abgefeuert hatte. Seit Monaten vermelden die HPG bereits täglich dokumentierte Chemiewaffenangriffe durch das Militär des türkischen NATO-Staates.

Doch die OPCW, der der türkische Staat seit 1997 angehört, zieht es vor zu schweigen. Trotz aller Berichte der HPG zum Einsatz chemischer Waffen, Aufrufen kurdischer Institutionen, Rechercheergebnissen einschlägiger Organisationen und Einzelpersonen sowie Massenprotesten der kurdischen Diaspora-Community ist die OPCW nicht bereit, hinsichtlich der Vorwürfe gegen Ankara aktiv zu werden. Selbst Versuche von kurdischen Delegationen, Gespräche mit den Verantwortlichen der Organisation zu führen, sind mehrfach verweigert worden. Und auch die Entgegennahme eines Dossiers mit konkreten Dokumenten und Beweisen für den Einsatz chemischer Waffen kam für die OPCW nicht in Frage. Die Türkei kann straflos das Kriegsvölkerrecht brechen.

„Das will und werde ich nicht hinnehmen“, sagt Xoşnav Ata. Es dürfe nicht sein, dass „die Kinder des kurdischen Volkes“ durch brutale Chemiewaffenangriffe des türkischen Staates ermordet werden, und die OPCW dabei zuschaue. „Die Öffentlichkeit sollte wissen, dass das einzige Ziel unserer Gesellschaft darin besteht, Gerechtigkeit zu erfahren. Wir wollen, dass die OPCW die Chemiewaffeneinsätze der Türkei aufklären und entsprechend ahnden. Solange diese Forderung unerfüllt bleibt, werde ich meinen Protest nicht beenden.“

Eine weitere Nichte von Atas kam vergangenen Dezember in Dersim ums Leben.