Nach Angaben der Volksverteidigungskräfte (HPG) hat die Türkei innerhalb von zwei Monaten mindestens 779 Mal Chemiewaffen in den Medya-Verteidigungsgebieten eingesetzt. Das ging aus der am 14. Juni veröffentlichten Bilanz des HPG-Pressezentrums hervor. Demnach haben im Durchschnitt täglich 13 Angriffe mit chemischen Kampfstoffen stattgefunden. Der Einsatz von Chemiewaffen gegen Guerillastellungen wird weiterhin fortgesetzt. Obwohl es diverse Belege und Zeugenaussagen für diese Kriegsverbrechen gibt, bleibt eine Reaktion auf internationaler Ebene aus.
ANF liegen Aufnahmen aus dem Şehîd-Berxwedan-Tunnel am Girê Şehîd Şahin vor, die ein weiteres Mal den Gebrauch chemischer Waffen bezeugen. In dem Video zeigt ein Guerillakämpfer, der eine Gasmaske trägt, auf schwarzes und weißes Pulver und sagt: „Sie benutzen chemische Waffen. Es gibt einen sehr schweren Geruch.“ Das eingesetzte Gas greife die Atemwege an und führe zu Atemnot, sagt der Guerillakämpfer und weist auf die geschwärzten Wände des Tunnels. Die Spuren seien unübersehbar.
Dann ist in dem Video ein Funkspruch der Guerilla zu hören: „Es ist nicht die türkische Armee, die heute gegen uns kämpft, es sind chemische Waffen und die NATO-Technik.“ Der Kämpfer sagt, dass die Guerilla sich auch gegen Radarsysteme des türkischen Staats zu schützen versuche und dass bei den Bombardierungen Chemiewaffen eingesetzt werden. Das in die Tunnelanlagen eingedrungene Gas entfalte weiterhin seine Wirkung, der Tunnel könne daher nur mit Gasmaske betreten werden.
Kämpferinnen schneiden ihre Haare ab
In dem Funkspruch heißt es weiter, dass es Schutzmaßnahmen gegen das Gas gebe. Es sei jedoch aufgrund der Umstände beispielsweise nicht möglich, täglich die Kleidung zu wechseln. Die Kämpferinnen hätten sich die Haare abgeschnitten.
In dem Video zeigt der Kämpfer die Lage im Tunnel und sagt, dass zusammen mit Pfeffergas ein weiterer Kampfstoff mit gelber Färbung benutzt wurde. Der Kämpfer führt durch den Tunnel und weist auf die Spuren: „Wenn Wind weht, vermischt sich das Pulver mit der Luft und wird erneut wirksam.“ Er zeigt auf eine gelbliche Pfütze und sagt: „Das ist heute entstanden.“ Das gelbe Kampfmittel sei geruchlos und führe bei Menschen zu Erschöpfungszuständen. Auch an einem Generator sind Spuren des gelben Pulvers zu sehen.
Erklärungen der PKK zu Chemiewaffen
Duran Kalkan, Mitglied des Exekutivkomitees der PKK, erklärt in einem am 21. Juni auf Medya Haber TV ausgestrahlten Beitrag: „Wir haben es mit einem Regime zu tun, das massiv chemische Waffen einsetzt. Dagegen regt sich nichts, dieses Regime wird bis zum Äußersten unterstützt. Es werden Kriegsverbrechen begangen. Beispielsweise deuten die Angaben von Freundinnen und Freunden, die den Tepê Sor verlassen haben, darauf hin, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Angriff mit taktischen Nuklearwaffen gehandelt hat.“
Der HPG-Kommandant Murat Karayilan, der ebenfalls dem PKK-Exekutivkomitee angehört, hat am 16. Juni in einer Ansprache an die Guerilla davor gewarnt, dass der türkische Staat den Einsatz von Chemiewaffen noch weiter intensivieren wird. Zwei Wochen vorher erklärte Karayilan im ANF-Interview: „Momentan setzt die Armee den Schwerpunkt auf Chemiewaffen. Unsere Freundinnen und Freunde im Feld haben bisher sieben chemische Varianten festgestellt: Pechschwarz, gelb, silberfarben, grün und geruchlos, braun, rot mit Seifengeruch und weiß. Wir können diese Mittel nur mit ihren Farben beschreiben. Es werden verschiedene chemische Gase gegen uns benutzt. Es gibt Zehntausende Soldaten, eine Luftwaffe, Bodentruppen, aber keinen Willen. Resultate sollen mit Chemiewaffen erzielt werden. So ist dieser Krieg.“