Am Samstag versammelte sich eine große Menschenmenge in der Stadt Erdîş (Erciş) in der nordkurdischen Provinz Wan. Unter revolutionären Parolen und Fahnen der DEM-Partei kamen die Menschen zusammen und eröffneten die Kundgebung mit einer Schweigeminute für die Gefallenen. Anschließend sprachen unter anderem die beiden Kandidat:innen der DEM-Partei für das Amt der Ko-Bürgermeister:innen für Erdîş, Baran Bilici und Güler Temel, sowie Abdullah Zeydan, der Kandidat für das Ko-Bürgermeisteramt in der Provinzhauptstadt Wan.
„Wir werden den Geist des 8. März mit dem von Newroz vereinen“
Es folgte ein Auftritt der Ko-Vorsitzenden der DEM-Partei, Tülay Hatimoğulları. In ihrer Rede erinnerte sie daran, dass die diesjährigen Newrozfeiern in Dep (Karakocan), dem Geburtsort der kurdischen Revolutionärs, Gefallenen und Mitbegründer der PKK, Mazlum Doğan, begonnen hatten: „Wir haben die diesjährigen Newroz-Feiern in der Stadt Mazlum Doğan begonnen, denn er hat das Newroz-Feuer entfacht. Wir werden überall auf der Welt Newroz unter der Forderung nach Frieden im Nahen Osten und in der ganzen Welt feiern. Wir werden den Geist des 8. März mit dem Geist von Newroz vereinen. Wir werden auf diesen Festen die Lösung der kurdischen Frage mit demokratischen und friedlichen Mitteln fordern. Wir werden für das Ende der Isolation von Imrali eintreten. Wir werden die Newroz-Plätze füllen und die physische Freiheit von Herrn Öcalan zu fordern. Wir werden an Newroz unsere Forderungen nach einer gerechten Ökonomie erheben und unseren Kampf verstärken gegen diejenigen, die uns hungern lassen und dieses Land in die schwerste Wirtschaftskrise seit hundert Jahren stürzen. Wir werden Brot, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit fordern. Wir sind bereit, am 31. März im Geiste von Newroz zu siegen.“
„Wir werden die Massaker nicht vergessen“
Hatimoğulları weiter: „An diesem Tag verfluche ich erneut diejenigen, die das Massaker an den Kurd:innen in Helebce verübt haben. Wir werden das Massaker von Helebce niemals vergessen. Wir gedenken unserer Brüder und Schwestern, die wir dort verloren haben. Wiederum am 16. März wurden sieben Universitätsstudenten in Istanbul-Beyazıt ermordet. Sie waren revolutionäre Jugendliche, sie waren die Hoffnung der Türkei. Mit dem gleichen Selbstverständnis werden wir im Nahen Osten umgebracht. In der gleichen Haltung werden wir im Jahr 2024 zum Tode verurteilt. Ich gedenke voll Respekt all der Menschen, die wir in all den Massakern von Helebce bis Beyazit verloren haben. Wir gedenken voller Dankbarkeit unserer Gefallenen, Menschen wie Mahir, Deniz, Kaypakkaya, wie Ibo und Mazlum, Menschen, die uns das Erbe des revolutionären und patriotischen Kampfes übergeben haben. Leider sind wir gezwungen, in unseren Reden über unseren Schmerz zu sprechen. Denn dieses Land hat eine so lange Geschichte voller Leiden und Massaker. Ihr seid das Volk von Zîlan, ihr seid die Menschen, die die meisten dieser Massaker erlebt haben. Mit Koçgirî, Dersim, den 33 Kugeln, dachte man, man könne uns in die Knie zwingen, indem man unser Blut vergießt, man glaubte, man könne die Kurd:innen auf diese Weise assimilieren, man meinte, man könnte die alevitische Bevölkerung, die Frauen und den Patriotismus vernichten. Unsere wichtigste Antwort an diejenigen, die uns diese Massaker angetan haben, ist, dass die DEM-Partei hier ist. Die revolutionären Patriotinnen und Patrioten sind hier. Das kurdische Volk ist hier. Die Völker sind hier, wir sind hier.“
„Kein Fußbreit JITEM und Hizbulkontra“
Im Anschluss nahm die Ko-Vorsitzende Bezug auf den JITEM, die Todesschwadron des türkischen Staates, die unzählige Morde begangen hat, und die berüchtigte Hizbullah, einer vom türkischen Staat aufgebauten kurdischen Terrorgruppe, die in den 1990er Jahren unzählige Morde verübte. Dabei wurden Verschleppte häufig mit der sogenannten Schweinefessel gebunden und regelrecht „geschlachtet“. Die AKP hat die politische Partei der Hizbullah, die Hüda Par ins Parlament gebracht. Hatimoğulları erklärte vor diesem Hintergrund: „Die AKP befindet sich bei diesen Wahlen offensichtlich in einer schwierigen Lage und überlegt nun, wie sie die JITEM-Allianz stärken kann. Leute vom Kaliber von Mehmet Ağar und Tansu Çiller, die Teil dieser JITEM-Allianz waren, sind jetzt hier und arbeiten in den Reihen der AKP in den Stadtverwaltungen der AKP. Bei diesen Leuten handelt es sich genau um diejenigen, die Menschen, die nicht auf ihrer Seite standen, mit der Schweinefessel ermordeten. Sie betrachten diejenigen, die auf der Seite des Volkes stehen, als Feinde. Die Angehörigen dieser JITEM-Allianz sind diejenigen, die hinter den Morden und Massakern stehen. Dieses Bündnis hat das Blut von Intellektuellen, Politiker:innen, Revolutionär:innen, Schriftsteller:innen, Journalist:innen in der Türkei und in Kurdistan an den Händen. An ihren Händen klebt auch das Blut von zwölf unserer Freund:innen, die für die Partei gearbeitet und extralegal hingerichtet wurden. Jetzt stellt man diese Allianz gegen uns auf. Die andere Version des JITEM-Bündnisses in Kurdistan ist Hizbulkontra. Die AKP hat wissentlich und willentlich die Hüda Par ins Parlament gebracht. Das kurdische Volk kennt den Grund dafür sehr gut. Bei der Hüda Par handelt es sich um ein Gift, das dem kurdischen Volk, das große Opfer für Demokratie gebracht hat, das demokratische Werte und die Geschwisterlichkeit der Völker verinnerlicht hat und den Kampf dafür bis heute führt, verabreicht worden ist. Wir werden das niemals akzeptieren. Wir dürfen niemals zulassen, dass diese Gruppen kurdische Werte missbrauchen, um Politik zu machen, indem sie angeblich die kurdische Sprache und Kultur schützen. Sie wurden dazu unter uns gebracht. Süleyman Soylu hat dies selbst offen zugegeben. Wir werden der Hizbulkontra niemals den Weg freimachen.
„Erdoğan stützt sich auf JITEM und Hizbulkontra“
Erdoğan sagte: ‚Es ist nicht klar, wessen Hand in wessen Tasche steckt‘. Wir wissen sehr wohl, wessen Hand in wessen Tasche steckt. Er füllt mit seiner Hand die Taschen des JITEM-Bündnisses, der Hizbulkontra, der Kriegsbarone und seiner Alliierten. Er bestiehlt das Volk und steckt das Geld in die Taschen der Fünferbande. Unser Volk hungert und durstet, aber dennoch wird es weiter ausgeplündert. Die Hand der AKP greift den Armen in die Tasche, den Arbeitern, der Jugend und den Frauen. Aber es ist klar, wo die Hände der DEM-Partei sind. Die Hände der DEM-Partei liegen in den Händen des Volkes, in den Händen der Mütter, in den Händen derer, die die Mahnwachen für Gerechtigkeit abhalten. Die DEM-Partei steht Hand in Hand mit der Jugend, den Frauen, den Menschen mit Behinderung, den Arbeitern, den Armen und den Völkern. Die AKP sollte ihre Hand von der Türkei und Kurdistan nehmen.
„Ökonomischer Spezialkrieg in Kurdistan“
Die Zahl der Menschen, die in Ankara für billiges Fleisch Schlange stehen, derjenigen, die sich von Müll ernähren müssen und auf den Märkten weggeworfenes Gemüse und Obst für ihre Kinder sammeln, nimmt zu. Das ist die Wirtschaftskrise und die Armut in der Türkei. An vielen Orten, vor allem in Kurdistan, wird nicht investiert, es werden keine Fabriken eröffnet, es werden keine Arbeitsplätze geschaffen. Bei dieser Spezialpolitik in Kurdistan geht es auch darum, dass die Jugend nicht hier bleiben soll. Es werden keine Fabriken gebaut und keine Arbeitsplätze geschaffen, weil man die Menschen hier nicht als Bürger:innen dieses Landes betrachtet. Man meint, je intensiver man diese Region entvölkere, desto leichter würde sie zu regieren sein. Aber wir als DEM-Partei sagen hier, in Erdîş im Herzen von Kurdistan und hier in Wan, dass wir kommen, um Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen. Wir kommen, um ein Projekt umzusetzen, mit dem dafür gesorgt wird, dass die Menschen dort satt werden können, wo sie geboren wurden.
„Die Menschen müssen an die Urnen gehen“
Die Zwangsverwalter haben die Ressourcen unserer Gemeinde gestohlen, das Geld des Volkes, euer Geld. Die Zwangsverwalter haben dem kurdischen Volk die Stimmen, den Ausdruck seines Willens gestohlen. Die Zwangsverwalter sind die Diebe unseres politischen Willens. Wir werden diese Diebe nicht gewähren lassen! Die Zwangsverwaltung wird nirgends mehr toleriert werden. Solange es den Willen des Volkes gibt, wird uns niemand mehr bestehlen. Diese Zeiten sind vorbei. Das Regime ist sich bewusst, wie viel Schaden es sich mit der Ernennung der Zwangsverwaltern selbst zugefügt hat. Deshalb greift man nun bei den bevorstehenden Kommunalwahlen zu einer anderen Taktik. Man versucht, eine andere Version der Zwangsverwaltung in Kurdistan zu verwirklichen, indem man Soldaten und Polizisten von woanders in die Wahlregister der von uns gewonnenen Gemeinden einträgt und sie dort wählen lässt. Wir haben zwei Forderungen an euch. Die erste ist, dass wir alle zu den Familien gehen, die bis heute nicht für uns gestimmt haben, und ihnen erklären, warum sie nicht für die AKP stimmen sollten. Die AKP hat das Blut von Kurdinnen und Kurden vergossen, unsere Brüder und Schwestern in Rojava angegriffen und abgeschlachtet, und vor zwei Tagen hat sie ein Gipfeltreffen über Kriegseinsätze im Irak abgehalten und neue Kriegsentscheidungen getroffen. Das müssen wir unserem werten Volk haarklein erklären.“
Im Anschluss an die Rede endete die Kundgebung mit Liedern und Kreistänzen.