In der Türkei und Nordkurdistan haben heute Kommunalwahlen stattgefunden. Rund 57 Millionen Personen waren am Sonntag stimmberechtigt, die kommunalen Vertreterinnen und Vertreter für die nächsten fünf Jahre zu wählen. Landesweit wurden 194.390 Wahlurnen aufgestellt. Die Wahllokale waren in den kurdischen Provinzen bis 16 Uhr geöffnet, im Westen des Landes bis 17 Uhr. Gewählt wurden Bürgermeister*innen, Stadt- und Provinzräte sowie Ortsvorsteher*innen.
Das Land blickt auf einen unruhigen Tag zurück: Wahlhelfer*innen wurden bedroht und festgenommen, Delegationen daran gehindert, den Wahlablauf zu beobachten. In Şîro (Pütürge) in der nordkurdischen Provinz Meletî (Malatya) ist es in einem Wahllokal zu einem Streit zwischen zwei Gruppen gekommen, bei der zwei Urnenhelfer der Saadet Partei erschossen wurden. Bei den Toten handelt es sich um Hasan Aktaş und İlyas Aktaş. Ein AKP-Anhänger wurde festgenommen.
Bewaffnete Soldaten neben den Urnen
Eine Wahlbeobachtungsdelegation aus Hamburg hat die Kommunalwahlen in Nordkurdistan verfolgt. In einer ersten Zwischenbilanz berichtet die Delegation, die im Auftrag von Zaklin Nastic, der menschenrechtspolitischen Sprecherin der Linksfraktion zur Wahlbeobachtung angereist war, von Bedrohungen der Wähler*innen, Behinderungen der Delegation durch Sicherheitskräfte und massiver Militärpräsenz in und vor den Wahllokalen in den Regionen Cizîr (Cizre), Silopiya (Silopi), Hezex (Idil) und Şirnex (Şırnak). In einem aktuellen Kurzbericht heißt es: „An allen Orten war die Präsenz von bewaffneter Polizei und Militär und Panzerfahrzeugen zu beobachten. Dies ist ein Verstoß gegen türkische Gesetze. Von Wähler*innen wurde berichtet, dass bewaffnete Soldaten neben den Urnen standen, sie einschüchterten und beleidigten.“
Zutritt nur auf Flure der Lokale erlaubt
In den meisten Wahllokalen wurde der Wahldelegation der Zutritt zu den Wahllokalen verweigert. Lediglich in einigen Orten durften Delegationsmitglieder die Flure der Wahllokale betreten. Auch das Betreten der Räume, in denen sich die Wahlkabinen und Wahlurnen befanden, sei nur vereinzelt zu Beobachtungsbeginn möglich gewesen. Von der Überprüfung eines demokratischen Wahlablaufs könne daher nicht die Rede sein, heißt es weiter.
Die Delegationsmitglieder seien zudem mehrfach langen Personenkontrollen unterzogen und schließlich von ihrer Aufgabe abgehalten worden. Dass die Anwesenheit nicht erwünscht war, habe sich beispielsweise an der Verfolgung durch mehrere Polizeiwagen gezeigt.
Soldaten werden zur Stimmabgabe in kurdische Regionen geschickt
Abschließend heißt es: „In vielen Wahlbezirken, in denen in der Vergangenheit die linke, feministische Partei HDP die Wahlen gewonnen hat, wurden türkische Soldaten registriert, um das Wahlergebnis zu manipulieren. Die Soldaten wurden mit Bussen aus verschiedenen Stützpunkten in der gesamten Türkei und dem Irak angefahren. Einer der vielen Fälle fand in Görümlü statt, wo knapp 1000 Einwohner zur Wahl registriert waren, zusätzlich aber 2000 Soldaten aus dem ganzen Land und dem Irak wählen durften. Die massive Präsenz der vielen bewaffneten Soldaten an vielen Orten sollten nach Aussage der Menschen vor Ort die wenigen lokalen Wähler*innen vom Wählen abhalten.”