Völkermord an der ezidischen Gemeinschaft
Am 3. August 2014 startete der IS („Islamische Staat“) nach dem fluchtartigen Rückzug der Truppen der südkurdischen PDK einen Angriff auf die ezidische Bevölkerung der Şengal-Region im Nordirak. Tausende Menschen wurden ermordet, etliche Frauen und Kinder in die Sklaverei verkauft, Hunderttausende mussten fliehen. Noch Schlimmeres verhinderte eine kleine Guerillagruppe, die den IS aufhielt und die Flucht der Menschen in die Berge ermöglichte, sowie die YPG und YPJ, die aus Rojava zur Hilfe kamen und einen Fluchtkorridor freikämpften. Anlässlich des Jahrestags des Beginns des Genozids, der für Ezid:innen auch als 74. Ferman bekannt ist, hat der Ko-Vorsitz des Exekutivrats der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) eine Erklärung veröffentlicht.
Die KCK leitete ihre Erklärung mit den Worten ein: „Wir gedenken mit Respekt derer, die bei dem Şengal-Genozid ihr Leben verloren haben. Als kurdische Freiheitsbewegung betonen wir, dass wir immer an der Seite der Menschen von Şengal stehen werden.“
Der Ko-Vorsitz des Exekutivrates der KCK betonte, dass all diejenigen, die sagen, dass sie nicht auf der Seite der Massenmörder stünden, insbesondere der irakische Staat, dem legitimen und demokratischen Kampf des Volkes von Şengal beistehen sollten, und forderte: „Sie sollten den Willen und die demokratisch legitimen Forderungen des Volkes von Şengal berücksichtigen und die Lösung dieser Frage auf diese Weise sicherstellen. Das Richtige wäre, die Probleme der Menschen von Şengal auf der Grundlage des Dialogs und demokratischer Rechte zu lösen.“ Damit nimmt die KCK Bezug auf die Versuche der PDK und der irakischen Regierung, die Selbstverwaltung und Selbstverteidigung der Şengal-Region zu liquidieren.
Die Erklärung der KCK lautet: „Am 3. August werden zehn Jahre seit dem IS-Genozid an der ezidischen Bevölkerung der Şengal-Region vergangen sein. Wir verurteilen diesen Massenmord erneut voller Abscheu. Es handelt sich um eines der grausamsten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit. Wir verurteilen alle Kräfte, die bei diesem Genozid eine Rolle gespielt haben und ehren diejenigen, die bei diesem Massaker ihr Leben verloren haben. Wir fühlen und erleben den Schmerz, den das Volk von Şengal und das gesamte kurdische Volk angesichts dessen empfindet. Als kurdische Freiheitsbewegung betonen wir noch einmal, dass wir dem Volk von Şengal, dessen Schmerz wir von ganzem Herzen teilen, heute wie gestern im Rahmen unserer historischen, humanitären und patriotischen Verantwortung zur Seite stehen werden.
Es ist schrecklich, dass der Genozid von Şengal vor den Augen der Welt stattfand, die Welt allerdings angesichts der Gräuel stumm und ungerührt blieb. Tausende Ezid:innen wurden vom mit dem AKP-Regime verbündeten IS brutal massakriert, Tausende Frauen wurden vergewaltigt, verschleppt und auf Märkten verkauft. Viele ezidische Frauen haben sich für den Selbstmord entschieden, um nicht in diese brutale und für die menschliche Seele und das Herz unerträgliche Situation zu geraten. Tausende von ezidischen Frauen werden noch immer vermisst, und ihr Verbleib und von wem sie gefangen gehalten werden, sind unbekannt. Der Massenmord von Şengal, den unser ezidisches Volk als 74. Ferman bezeichnet, ist als eines der größten Massaker an den Ezid:innen in die Geschichte eingegangen. Das Ziel dieses Massakers war die vollständige Ausrottung des ezidischen Volkes. Daher handelt es sich um einen Völkermord. Durch das Eingreifen der Freiheitsguerilla Kurdistans und den Widerstand der Menschen von Şengal konnte die totale Auslöschung verhindert werden. Ohne das Eingreifen der Freiheitsguerilla und die Unterstützung der Kräfte von YPG und YPJ wären Hunderttausende Ezid:innen massakriert und das ezidische Volk vollständig vernichtet worden. Das war das Ziel der Massaker.
„Die PDK ist genauso verantwortlich wie der IS“
Obwohl alle Staaten dem Massaker von Şengal tatenlos zusahen, war es vor allem die PDK, die diesen Massenmord ermöglichte, indem sie die Menschen in Şengal allein ließ, als der IS angriff. Die PDK hat die Menschen von Şengal mit dem Massaker allein gelassen, ist geflohen und hat damit den Boden für den Genozid bereitet. Daher ist die PDK für den Massenmord von Şengal genauso verantwortlich und schuldig wie der IS. Die PDK ist eine Struktur, die für dieses schwere Verbrechen vor Gericht gestellt und vor der Geschichte zur Rechenschaft gezogen werden muss. Doch leider will die PDK, trotz dieser Tatsache, schamlos die Herrschaft über Şengal, als ob nichts geschehen wäre, wieder an sich reißen und arbeitet daran sowohl offen als auch im Geheimen. Die Angriffe auf Şengal, das Embargo gegen Şengal und die Weigerung, die Forderung der Bevölkerung von Şengal nach Selbstverwaltung und Selbstverteidigung zu akzeptieren, sind das Ergebnis der Aktivitäten der PDK. Die PDK bringt den türkischen Staat dazu, Şengal anzugreifen und verhindert, dass der irakische Staat die legitimen und demokratischen Forderungen des Volkes von Şengal anerkennt. Da die PDK das Volk und das Land als ihr Eigentum betrachtet, stört sie die Entschlossenheit der Menschen in Şengal, sich selbst zu regieren und zu verteidigen, stattdessen will sie die Kontrolle übernehmen. Doch so sehr sie sich auch bemüht, die Menschen in Şengal kennen wie alle in Kurdistan heute mehr denn je die Wahrheit über die PDK und den Barzanî-Clan. Bedauerlicherweise ist die Geschichte der PDK eine Geschichte des Verrats, der Kapitulation und der Korrumpierung. Der Barzanî-Clan hat sich nie um das Volk, das Land und die Freiheit gekümmert. Ihr einziges Anliegen waren ihre persönlichen Familieninteressen. Es gibt keinen Wert, den sie nicht um dieser Interessen willen verkaufen würden. Im Laufe der Geschichte hat er das Volk immer wieder mit Massakern ausgesetzt und großes Leid über unser Volk gebracht. Genau das hat er auch getan, als der IS Şengal angriff. Er hat sich und seine Truppen nicht in Gefahr gebracht und die Menschen dem Massenmord überlassen. Heute steht der Barzanî-Clan bei der Besetzung von Südkurdistan an der Seite des türkischen Staates. Der türkische Kolonialfaschismus will Südkurdistan, einschließlich Şengal, besetzen und mithilfe des Barzanî-Clans einen Völkermord durchführen. Mit der Besetzung von Südkurdistan will der türkische Staat das vollenden, was dem IS in Şengal nicht gelungen ist.
„Selbstverwaltung anerkennen“
Wir gedenken noch einmal voll Respekt derer, die bei dem Massaker von Şengal ihr Leben verloren haben, und als kurdische Freiheitsbewegung erklären wir, dass wir immer an der Seite der Menschen von Şengal stehen werden. Der Kampf der Menschen von Şengal, für ihren Glauben, ihre Identität, ihre Sprache und ihre Kultur, ihre Selbstverteidigung und Selbstverwaltung, ist ein völlig richtiger, legitimer und demokratischer Kampf. Alle, die sagen, dass sie gegen das Massaker und die Massenmörder sind, insbesondere der irakische Staat, muss sich an die Seite des legitimen und demokratischen Kampfes der Menschen von Şengal stellen. Wir müssen noch einmal betonen, dass der irakische Staat den Willen und die demokratisch legitimen Forderungen des Volkes von Şengal, das im Laufe der Geschichte vielen Völkermorden ausgesetzt war, respektieren muss und auf diese Weise die Lösung des Problems sicherstellen sollte. Es ist notwendig, die Probleme der Menschen im Şengal auf der Grundlage des Dialogs und der demokratischen Rechte zu lösen. Alle, die einen demokratischen und humanistischen Ansatz haben, sollten dies unterstützen. Der Barzanî-Clan und der türkische Staat wollen, dass die Probleme im Irak ungelöst bleiben und sich die Konflikte verschärfen. Diesem Zweck dienen auch die Invasionsangriffe auf Südkurdistan. Deshalb müssen sich alle, insbesondere der irakische Staat, die irakischen politischen Kräfte, die irakischen Intellektuellen und die irakische Gesellschaft, gegen die Pläne des Barzanî-Clans und des türkischen Staates stellen, denn diese sind die Ursache für Besetzung, Annexion und Völkermord.“