Am Montag hat das türkische Verfassungsgericht das Verbotsverfahren gegen die Demokratische Partei der Völker (HDP) eingeleitet. Wenige Tage zuvor hatte ein in Syrien ausgebildeter türkischer Faschist den HDP-Provinzverband von Izmir überfallen und die Aktivistin Deniz Poyraz ermordet. Währenddessen finden nahezu täglich neue Festnahmen und Inhaftierungen gegen die demokratische Oppositionspartei statt. Im ANF-Gespräch äußert sich Handan Karakoyun, Ko-Vorsitzende des HDP-Provinzverbands von Wan (tr. Van), zu den aktuellen Entwicklungen.
„Wir werden weiterkämpfen“
Karakoyun beschreibt, der AKP/MHP-Machtblock habe seit langem versucht, die HDP aus der Politik zu drängen, dies sei jedoch am Widerstand der Bevölkerung gescheitert. „Da sie diese Ziele nicht erreichen konnten, greifen sie nun auf unterschiedliche Mittel und Methoden zurück”, erklärt sie. „Die HDP steht in einer langen Kampftradition, die bis in die Gegenwart andauert. Trotz aller Festnahmen und Repressionen hat sie widerstanden. Sie hat sich mit Zähnen und Klauen verteidigt und ist bis heute immer größer geworden. Als HDP-Politiker:innen werden wir diese Tradition fortsetzen und weiterkämpfen.“
„Großes Massaker in Izmir geplant“
Karakoyun sagt, in Izmir sei vergangene Woche ein großes Massaker geplant gewesen. Im Provinzgebäude von Izmir hätte am Tag des Angriffs eine Versammlung des HDP-Vorstands standfinden sollen. Sie führt aus: „Die vorherigen Aussagen des Mörders zeigen eindeutig, dass er einen Angriff auf 40 unserer Vorstandsmitglieder geplant hatte. Durch die Verschiebung des Treffens wurde ein großes Massaker verhindert, aber eine unserer Freundinnen wurde brutal ermordet. Die Politik ist geistig festgefahren, wir sehen, dass sie die Kurd:innen und ihre Vertreter:innen nicht toleriert werden. Wir werden dem Andenken an unsere Genossin Deniz verbunden bleiben und ihren Kampf fortsetzen.“
„Sie fürchten der Kraft der Frauenvertretung in der HDP“
Karakoyun erinnert an Innenminister Süleyman Soylus Aussage: „Wir werden dafür sorgen, dass niemand mehr den Namen HDP auch nur in den Mund nimmt“. Sie kommentiert diese und ähnliche Äußerungen mit den Worten: „Wir wissen bereits, dass hinter solchen Aussagen Massakerpläne stehen. Soylu sagte auch, dass ‚die Vorreiter der HDP Frauen sind‘. Damit hat er gezeigt, was für eine Angst er vor der Vertretung der Frauen haben. Wir sehen, dass sich das Regime im Moment immer stärker gegen Frauen richtet. Sie haben Angst vor organisierten Frauen. Die Frauenvertretung ist die rote Linie der HDP. Sie greifen die HDP wegen dieses Charakters an. Eine solche Vertretung, eine solche Sensibilität gegenüber dem Frauenkampf ist nirgendwo anders zu finden. Wir können von einem Erfolg sprechen, der gemeinsam von den Frauen hervorgebracht wurde. Sie sehen die Mission und Rolle der Frau hier, und sie sind deshalb beunruhigt. Die Angriffe auf unsere Freundinnen haben daher auf allen Ebenen zugenommen. Sie haben Angst davor, dass wir der patriarchalen Mentalität in der Gesellschaft ein Ende bereiten. Das ist der Grund für ihre Unduldsamkeit. Aber der Widerstand der Frau und ihr Wille werden wachsen."
„Das kurdische Volk ist nicht ohne Alternative“
„Sie können die HDP verbieten, sie haben schon viele Parteien vorher verboten. Aber sie wissen selbst am besten, dass sie damit ihr Ziel nicht erreichen werden. Die HDP ist nicht alternativlos, wir sprechen von einem Prozess, bei dem die Repression des Staates gegenüber der HDP deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Sie zeigen, wie wenig sie uns ertragen können. Sie sagen, dass nicht einmal der Name der HDP noch Erwähnung finden werde. Aber sie hatten keinen Erfolg. Das kurdische Volk wird seinen Willen mit einer anderen Partei verteidigen, auch wenn es nicht die HDP ist.“