Internationalisten aus aller Welt sind nach Şengal gekommen, um sich den ezidischen Widerstandseinheiten YBŞ (Yekîneyên Berxwedana Şengalê) anzuschließen. Zusammen bilden sie eine internationale Einheit der YBŞ im Şengal-Gebirge, um die ezidische, arabische, christliche und kurdische Bevölkerung der Region gegen weitere Angriffe zu verteidigen. Dazu gehören auch Operationen gegen nach wie vor aktive Zellen des IS.
Jeder Internationalist hat seine eigene Geschichte, der eine kommt aus Deutschland, der andere aus Australien, doch alle haben das gleiche Ziel: Sie wollen das Hauptsiedlungsgebiet der Eziden schützen. Angeführt wird die Einheit von Internationalisten, die sich seit Jahren in der Region befinden und viel Erfahrung haben. Sie geben ihr Wissen an die Neuen weiter.
„Wir sind bereit, Şengal um jeden Preis zu verteidigen“, sagt der ehemalige Bundeswehrsoldat Martin Klamper, der aus Bielefeld stammt und 2017 erstmalig in die Region gereist ist, um sich am Kampf gegen den IS zu beteiligen. Mit einer ezidischen Einheit nahm er an der Befreiung von Raqqa teil und ging 2018 nach Efrîn, wo er bei der türkischen Invasion verletzt wurde. Nach seiner Genesung kämpfte er in der finalen Offensive gegen den IS in Deir ez-Zor, verbrachte einige Zeit in Deutschland und ist jetzt wieder in Şengal, denn die Region ist weiterhin akut bedroht.
Am 9. Oktober ist auf Drängen der USA und der Türkei zwischen Bagdad und Hewlêr ein Abkommen über die Zukunft der Şengal-Region geschlossen worden. In dem ohne Beteiligung der Bevölkerung getroffenen Abkommen geht es unter anderem um die Auflösung der ezidischen Widerstandseinheiten Şengals (YBŞ) und der autonomen Fraueneinheiten (YJŞ) und ihre Ersetzung durch die PDK-Peschmerga.
Die Peschmerga der südkurdischen Autonomieregierung hatten die Eziden mit ihrem blitzartigen Rückzug in der Nacht des 3. August 2014 der Terrormiliz „Islamischer Staat” (IS) überlassen und so einen Genozid mit ermöglicht. Jetzt, nachdem die ezidische Gemeinschaft eine politische, gesellschaftliche und kulturelle Selbstverwaltung sowie ihre Selbstverteidigung aufgebaut hat, beansprucht die PDK die Kontrolle über ihre Siedlungsgebiete für sich, um Schützenhilfe für die neoosmanischen Großmachtpläne der Türkei zu leisten.
Die internationalistische Einheit der YBŞ bereitet sich daher intensiv auf den Krieg vor. „Wir trainieren jeden Tag, militärisch sowie auch ideologisch. Wir wissen, dass es jederzeit losgehen könnte“, sagt ein Internationalist aus England.
Der YBŞ-Kommandant Bahoz Şoreş erklärt zur aktuellen Situation: „Durch die intensive Drohnenaufklärung der letzten Wochen rechnen wir jeden Tag mit einem neuen Angriff. Deshalb trainieren wir auch im medizinischen Bereich, damit wir erste Hilfe leisten und die Verwundeten vorerst versorgen können. Wegen des Abkommens der irakischen Regierung und der PDK bereiten wir uns auch auf einen Bodenangriff vor. Wir sind deshalb auf höchster Alarmstufe.“