Internationaler Appell für Şengal an Bagdad

Auf Initiative des Frauenzentrums REPAK in Südkurdistan haben sich über hundert internationale Organisationen, Journalisten und Intellektuelle in einem Brief an die irakische Regierung für eine Annullierung des Şengal-Abkommens ausgesprochen.

Mehr als hundert internationale Organisationen und prominente Persönlichkeiten fordern in einem gemeinsamen Brief den irakischen Präsidenten Barham Salih und Premierminister Mustafa al-Kadhimi auf, das Şengal-Abkommen zu annullieren und die Selbstverwaltung der ezidischen Gemeinschaft anzuerkennen. Bei dem von zahlreichen Frauenorganisationen unter anderem aus Lateinamerika und Europa unterzeichneten Brief an die Leitung der irakischen Zentralregierung handelt es sich um eine Initiative des Frauenzentrums REPAK mit Sitz im südkurdischen Silêmanî. Hintergrund ist das im vergangenen Oktober zwischen dem Irak und der südkurdischen Regierung in Hewlêr (Erbil) getroffene Abkommen zur Übernahme von Şengal. Der demokratische Autonomierat (MXDŞ), der das ezidische Siedlungsgebiet seit dem IS-Überfall im August 2014 nach dem Prinzip der Selbstverwaltung administriert, sieht die Vereinbarung als illegitim an, da die ezidische Gemeinschaft in den Prozess nicht miteinbezogen worden ist. Derweil steigen die Spannungen in der Region immer weiter, da Bagdad vergangene Woche gefordert hatte, die autonomen Sicherheitskräfte Asayîşa Êzîdxanê der staatlichen Kontrolle zu übergeben.

„Im August 2014 beging der IS einen Völkermord an der ezidischen Gemeinschaft in Şengal, tötete Tausende und zwang Hunderttausende zur Flucht aus ihrer angestammten Heimat in Obermesopotamien. Obwohl dieses Massaker als solches von den Vereinten Nationen anerkannt worden ist, warten die Überlebenden immer noch auf Gerechtigkeit“, heißt es einleitend in dem Schreiben. Weiter machen die Unterzeichnenden darauf aufmerksam, dass sich der Völkermord der Terrormiliz „Islamischer Staat“ in Şengal zu einem erheblichen Teil gegen Frauen richtete. Daher stelle dieser Genozid in seiner Form zugleich auch einen Femizid dar. „Es ist bekannt, dass dem IS ein extrem frauenfeindliches Weltbild zugrunde liegt. Die Dschihadistengruppe entführte schätzungsweise 7.000 ezidische Frauen und Mädchen als ‚Beute‘, verkaufte sie auf Märkten in die sexualisierte Sklaverei und verschleppte sie an Orte im Irak und in Syrien. Etwa 3.000 ezidische Frauen und Kinder werden noch immer vermisst. Wenn wir die Rolle der Frauen beim Schutz und der Bewahrung der Kultur und der Identität eines bedrohten Volkes betrachten, scheint es klar, dass der IS darauf abzielte, den ezidischen Glauben, den sie als Teufelsanbetung betrachten, durch Femizid zu vernichten.“

Demgegenüber sei es faszinierend zu sehen, wie das ezidische Volk und insbesondere Ezidinnen in Şengal auf den Genozid und Femizid antworteten. „Sie versuchten, ihre Wunden zu verbinden, indem sie einen Weg fanden, ihre von Massakern und Völkermorden gezeichnete Geschichte zu beenden: Die Selbstorganisierung. Basierend auf der Idee der friedlichen Koexistenz, des demokratischen Pluralismus, der Gleichberechtigung und der politischen Selbstbestimmung, bauten die Ezidinnen und Eziden eine Selbstverwaltung, autonome Frauenräte und Selbstverteidigungskräfte auf.

Der Irak als multiethnischer Staat ist seit Jahren von ethnischen und konfessionellen Konflikten geplagt. Die Unterstützung der Beteiligung lokaler Gemeinschaften an der politischen Entscheidungsfindung, die Beachtung ihres kollektiven Willens und damit die Entwicklung eines demokratischen Verhältnisses zwischen der Zentralregierung und den lokalen Gemeinschaften ist wesentlich für die Überwindung dieser Konflikte.

Leider widerspricht das Abkommen vom 9. Oktober 2020 über die Zukunft von Şengal zwischen der irakischen Zentralregierung und der kurdischen Regionalregierung der Idee der friedlichen Koexistenz, denn es wurde über den Kopf des ezidischen Volkes hinweg getroffen. Mit diesem Abkommen wurden die Ezidinnen und Eziden Şengals erneut zutiefst verletzt, weil es sie nicht als politische Subjekte anerkennt, sondern als Objekte, über deren Zukunft andere debattieren und entscheiden. 

Wir, die Unterzeichnenden, fordern hiermit den irakischen Präsidenten und den irakischen Ministerpräsidenten auf, den Şengal-Vertrag vom 9. Oktober 2020 zu annullieren, der Spannungen und Frustration für das ezidische Volk verursacht. Die Bestimmung der Zukunft von Şengal erfordert die demokratische Beteiligung und Vertretung der ezidischen Gemeinschaft. In diesem Sinne fordern wir Sie auf, die Selbstverwaltung des ezidischen Volkes in Şengal anzuerkennen.“

Kurdish Women's Relations Office REPAK (Südkurdistan)

Ni Una Menos Nationalfront (Mexiko)

Ezidisches Dokumentationszentrum Hewlêr (Südkurdistan)

Kongreya Star (Rojava)

Şamiran Mroukel Odisho (Frauenverein Irak)

Dr. Meha El Sakban (Humanitäre Frauenrechtsvereinigung, Irak)

Omayma İmad (Landwirtschaftsingenieurin, Ägypten)

Yousra Feraous (Demokratische Frauenvereinigung, Tunesien)

Salwa Gharisa (Verein zur Wiederbelebung des Rechts auf Berufung, Tunesien)

Hanan Ahmed Osman (Kultur- und Gesellschaftsverein Newroz, Libanon)

Julie Ward (Ehemalige Europaabgeordnete, Großbritannien)

Silvia Reséndiz Flores (Tierra AC Frauen-Kollektiv, Mexiko)

Acción Solidaria (Österreich)

Beatriz Amor (8M Marea Feminista Independiente, Argentinien)

Rosa Salazar (Nela Martinez Frauenverein, Ecuador)

Javiera Cerda Figueroa (Arte de Cuidar, Chile)

CAMPACC (Kampagne gegen die Kriminalisierung von Gesellschaften, Großbritannien)

Özlem Göner (Universität New York, USA)

Adriana Henao (Aktivistin, Kolumbien)

Dilsoz Zengene (Menschenrechtsverein Dabin, Südkurdistan)

Ana Sandoval (Anthropologin, Mexiko)

Dr. Dana Pietsch (Deutschland)

Rahila Gupta (Southall Black Sisters, Großbritannien)

Dr. Sarah Glynn (Frankreich)

Bushra Muhammed Ali (Jin Frauenverein, Libanon)

Khalidat Houssein (Demokratischer Frauenverein Palästina, Palästina)

Kejal Nuri (Dichterin, Niederlande)

Arej Yousouf El Kurdi (Poetin und Aktivistin, Libanon

Delal El Boustani (Demokratische Union Libanon)

Marie El Debes (Werde Boutrous, Libanon)

Cecilia Zeledón (Rektorin der Universidad de la Tierra en Puebla, Mexiko)

Universidad de la Tierra en Puebla (Mexiko)

Kollektiv Utopía Puebla (Mexiko)

Valentina Leduc (My6, Mexiko)

Sofía Peniche (Nuestra Alegre Rebeldía, Mexiko)

Nelly Bocchi (Retekurdistan, Italien)

Itzel Prieto Pérez (Mexiko)

Margaret Owen (Widows for Peace through Democracy, Großbritannien)

Feministisches Zentrum für Forschung und Selbstbewusstsein (Mexiko)  

Margara Millán (UNAM, Mexiko)

Rocío Servín Jiménez (Universität Guanajuato, Mexiko)

Juliana Díaz Lozano (Journalistin, Argentinien)

Manuel Rozental (Aktivist, Pueblos en Camino, Abya Yala)

Vilma Almendra (Aktivistin, Pueblos en Camino, Abya Yala)

Maryam Namazie (Frauenrechtlerin, Großbritannien)

Kampagne Peace in Kurdistan (Großbritannien)

Autónoma de Mujeres y disidencias del Comité de Solidaridad con

Kurdistán (Mexiko

Gabriela Vega Téllez (CPOOEM, Mexiko)

Gilbert Mathieu (Arzt, Belgien)

Bloque Obreiro (Spanien)

Women Defend Rojava Sevilla (Spanien)

Ameixas da Ria (Spanien)

Nikol Karapetsa (Schweiz)

Begona Landa (Asturias con Rojava, Spanien) 

Oralba Castillo Nájera (Colectiva Nuestra Alegre Rebeldía en apoyo al CIN y CIG, Mexiko)

Debbie Brennan (Radical Women, Australien)

Sabine Scherbaum (Feministische Partei, Deutschland)

Annette Mørk (Dänemark)

Alia Awad (Deutschland)

Anina Jendreyko (Volksbühne Basel, Schweiz)

Helen Gilbert (Radical Women, USA)

Associazione Senza Paura (Italien)

Chiara De Poli (Italien)

Antonio Lupo (Italien)

Rete Kurdistan Tigullio (Italien)

Maja Føgh (Dänemark)

Coordinamento Italiano Sostegno Donne Afghane (Italien)

Jette Moler (SOS Racisme, Dänemark)

Maja Irene Fogh (Dänemark)

Janne Toft (Dänemark)

Mira C. Skadegaard (Alborg-Universität, Dänemark)

Annette Mork (Stutthof Horserod, Dänemark)

Lihn Le (Extinction Rebellion, Dänemark)

Porto di mare (Italien)   

Senza Paura (Italien)   

C.I.S.D.A Coordinacion Italiana para el apoyo a lad mujered afganas (Italien)   

Araceli Osorio Martines (Mexiko)

Belén González (Autónoma de Mujeres y Disidencias del Comité de

Solidaridad con Kurdistán CDMX, Mexiko)

Esther Rodríguez (Autónoma de Mujeres y Disidencias del Comité de

Solidaridad con Kurdistán CDMX, Mexiko)

Bertha Melendez (Künstlerin, Mexiko)

Beatriz Vela (Mujeres y la Sexta, Jalisco, Mexiko)

Renata Baez (CDMX, Mexiko)

Elisa Portillo (Libres y Combativas e Izquierda Revolucionaria, Mexiko)

Carla Torres Beltrán (Izquierda Revolucionaria y Libres y Combativas, Mexiko)

Patricia Cruz Hernández (Studierendengewerkschaft Izquierda Revolucionaria, Mexiko)

Ruth Zubiria Pérez (Dignidad por La Guajira, Kolumbien)

Silvia Reséndiz Flores (Mujeres Tierra, Mexiko)

Sashenka Fierro Resendiz (Comunidad Circular, Mexiko)

Matilde Ortuño Vilchis (Proyecto Libre: Educación y Autonomía, Mexiko)

Lucy Cadavid (Extinction Rebellion Medellín, Kolumbien)

Red de Mujeres del Oriente del Estado de México  

Zapotas Radio (Mexiko)

Tejiendo Red Frauenkollektiv (Kolumbien)

Bürgerunion, Region Medellin (Kolumbien)

Netzwerk der Frauenkollektive Medellin (Kolumbien)

Aequus-Kollektiv (Mexiko)

Koordination der Familien verschwundener Studierender (Mexiko)

La Voz del Anáhuac (Mexiko)

CNI-Totonacapan (Mexiko)

Voices in Movement (Mexiko, USA, Frankreich)

Arbeiterfront für das Recht auf Gesundheit (Mexiko)  

Pedro Pablo Gómez (Universität Distrital Francisco José de Caldas, Kolumbien)

Dr. Gilberto López y Rivas (Nationales Institut für Anthropologie und Geschichte, Mexiko)

Roberto Oscar Bustos (Argentinien)

Leandro Albani (Journalist, Argentinien)  

Raul Zibechi (Journalist, Uruguay)

Óscar García González (IEMS CDMX, Mexiko)

Rafael Adrián Belman Rivera (Gewerkschaft für Elektro- und Elektronikindustrie, Mexiko)

Álvaro Restrepo (Extinction Rebellion Medellín, Kolumbien)