HPG gedenken Kommandantin Dîdar Tolhildan

Dîdar Tolhildan war eine der mutigen Kurdinnen, die in Rojava ihre Schlagkraft im Kampf gegen den IS zeigten und der Menschheit damit einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Die Kommandantin ist im Widerstand gegen die türkische Besatzung im Zap gefallen.

Die Guerillakommandantin Dîdar Tolhildan ist im Mai 2022 im Widerstand gegen die türkische Invasion am Girê Cûdî in der Zap-Region in Südkurdistan ums Leben gekommen. Das teilt das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) mit. In dem Nachruf wird Dîdar Tolhildan als mutige und opferbereite Kommandantin des Widerstands und führende Militante der PKK/PAJK gewürdigt. Ihren Angehörigen, der Bevölkerung von Rojava, dem gesamten kurdischen Volk und „allen, deren Herzen mit revolutionärer Begeisterung schlagen“, sprechen die HPG ihr Beileid aus. Der Kampf von Dîdar Tolhildan und aller anderen Gefallenen werde fortgesetzt: „In dem Bewusstsein, unseren Gefallenen gerecht zu werden, werden wir die Kampffahne unserer opferbereiten Genossin bis zuletzt weiter wehen lassen.“

Zur Identität von Dîdar Tolhildan machen die HPG folgende Angaben:

                         

Codename: Dîdar Tolhildan
Vor- und Nachname: Leyman Hesen
Geburtsort: Hesekê
Namen von Mutter und Vater: Nûra–Berzan
Todestag und -ort: Mai 2022 / Zap

 

Dîdar Tolhildan ist in Hesekê geboren und gehörte auf mütterlicher Seite zum Stamm der Gergerî und väterlicherseits zum Stamm der Dekorî. Sie wuchs in einer der kurdischen Freiheitsbewegung freundlich gesinnten Familie auf. Die vor einer Woche bei einem türkischen Drohnenangriff getötete Leyman Şiwêş (Rihan Amûdê), die in den 35 Jahren ihres revolutionären Kampfes Tausende Menschen beeinflusst hat, hinterließ bereits zu Lebzeiten einen so großen Eindruck bei Dîdars Eltern, dass sie ihre Tochter nach ihr benannten. Sie war Dîdars Tante und machte sie schon als Kind mit dem Befreiungskampf vertraut. Dîdars Onkel Latif (Abdullah Şiwêş) ist 1994 in Garzan gefallen, viele weitere Verwandte kämpften in der kurdischen Freiheitsbewegung. Somit wurde Dîdar praktisch in diesen Kampf hineingeboren. Sie lernte früh, auf eigenen Beinen zu stehen und sich von gesellschaftlichem Druck nicht beeinflussen zu lassen.


Dîdar war intelligent und aktiv. Sie studierte Wirtschaft, als sie sich 2012 dafür entschied, an der Revolution von Rojava teilzuhaben. Ihre Eltern unterstützten diese Entscheidung. Dîdar trat den Volksverteidigungseinheiten YPG und bei und nahm den Namen Hêzil Jîn an. Sie trug zur Gründung der Frauenverteidigungseinheiten YPJ bei und war Teil des Kampfes, mit dem kurdische Frauen ihre Schlagkraft bewiesen und zur Inspiration von Frauen weltweit wurden. Es waren mutige Kurdinnen wie Dîdar, die die islamistische Terrororganisation IS besiegten und damit der gesamten Menschheit einen unschätzbaren Dienst erwiesen.

Dîdar wurde an autonomen Frauenakademien militärisch und ideologisch ausgebildet. Durch eine Fachausbildung wurde sie zu einer professionellen Scharfschützin, die ihre Fähigkeiten im Kampf gegen den IS furchtlos unter Beweis stellte. Sie nahm von Efrîn bis Hesekê an militärischen Offensiven teil und gewann große Kampferfahrung, die sie an andere weitergab. Hunderte weitere Kämpfer:innen wurden von ihr ausgebildet, insbesondere in Sniper-Taktik. Bei den Befreiungsoffensiven 2016 in Şedadê und 2017 in Raqqa wurde Dîdar verwundet, kehrte jedoch beide Male schnell zurück an die Front. Durch diesen Kampf wurden unzählige Frauen von der brutalen IS-Herrschaft befreit.

Dîdar kämpfte bis 2019 in der Revolution von Rojava. Dann ging sie zur Guerilla in die Berge und wurde Teil der Sondereinheit Hêzên Taybet, die eine besondere ideologische Überzeugung und Opferbereitschaft voraussetzt. Die magische Formel „Jin Jiyan Azadî“ (Frau Leben Freiheit) empfand sie als Anleitung zu einem freien Leben als eine Frau, die nur sich selbst gehört. Ihre Theorie und Praxis stimmten überein und sie wurde mit ihrem genossenschaftlichen Umgang, ihren apoistischen Prinzipien, ihrer militärischen Disziplin und ihrer felsenfesten Überzeugung zu einer ganz besonderen Revolutionärin und Kommandantin. Ihr Mut und Selbstbewusstsein als freie Frau und ihr Glaube daran, dass keine vom Patriarchat festgelegte Grenze Frauen aufhalten kann, hatten eine inspirierende Wirkung auf ihre Weggefährt:innen. Sie hatte einen fröhlichen und motivierenden Charakter und vermittelte mit ihrer Aufrichtigkeit Vertrauen. Dafür wurde sie von ihren Genossinnen und Genossen geliebt und geachtet. Trotzdem zeigte sie sich nie selbstzufrieden. Selbstverliebtheit war für sie eine Eigenschaft der kapitalistischen Moderne, Bescheidenheit hingegen ein Merkmal revolutionärer Persönlichkeit.

Dîdar Hesekê übernahm zusammen mit dem später gefallenen Kommandanten Delîl Zagros große Verantwortung für die Ausbildung ihrer Mitkämpfer:innen und die Kriegsvorbereitungen an der westlichen Zap-Front. Sie trug im Widerstand von 2022 maßgeblich zur Niederlage der türkischen Armee im Zap bei. Die Armee, die mit Spezialeinheiten in der westliche Zap-Region angerückt war, musste sich Ende des Jahres aus dem Gebiet zurückziehen. Dîdar gehörte zu den Kommandant:innen, die sich den Besatzungstruppen am 25. Mai 2022 im Gelände entgegenstellten und die Stationierung von Soldaten verhinderten. Sie kam in der ersten Woche der Verteidigung des Widerstandsgebiets Girê Cûdî ums Leben. Ihr Kampf geht weiter.