Haftbefehl gegen Ex-Abgeordneten Behçet Yıldırım aufgehoben

Der kurdische Politiker und Arzt Behçet Yıldırım ist aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Der Prozess wegen vermeintlicher PKK-Mitgliedschaft wird im März fortgesetzt.

Der Haftbefehl gegen den früheren HDP-Abgeordneten Behçet Yıldırım ist aufgehoben worden. Ein Gericht in Amed (tr. Diyarbakır) ordnete diese Woche die Aufhebung der Untersuchungshaft an, verfügte jedoch ein Ausreiseverbot für den kurdischen Politiker, der zugleich Kinderarzt ist. Der an der 8. Strafkammer von Diyarbakır geführte Prozess, in dem drei bei dem Gericht anhängige Verfahren gegen den 62-Jährigen zur gemeinsamen Verhandlung verbunden worden sind, wird im kommenden Jahr fortgesetzt.

Behçet Yıldırım wurde am 11. November in seinem früheren Wahlkreis Semsûr (Adıyaman) verhaftet und in ein Gefängnis in der Provinz Riha (Urfa) überstellt. Die Anklage wirft ihm vor, Mitglied der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu sein. Weil die Ermittlungsakte einer Geheimhaltungsverfügung unterlag, war zunächst nicht klar, welcher Straftat er konkret beschuldigt wird. Mittlerweile ist bekannt, dass sich die Beschuldigungen im Wesentlichen auf die Aussagen eines „geheimen Zeugen“ stützen und die Aktivitäten des Politikers als Abgeordneter der türkischen Nationalversammlung betreffen.

In der Anklageschrift heißt es, Yıldırım habe ein bei einem Bombardement verletztes PKK-Mitglied ärztlich versorgt, Proteste gegen den Bau eines Stausees organisiert und sei von der kurdischen Arbeiterpartei als Kandidat für die Parlamentswahl 2015 vorgeschlagen worden. Zudem soll er an Beerdigungen von Personen, die der kurdischen Befreiungsbewegung nahegestanden haben sollen, teilgenommen haben .Bevor Yıldırım alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückwies, äußerte er, dass ihm in Polizeigewahrsam nahegelegt worden sei, vom türkischen Reuegesetz zu profitieren. „Es ist bezeichnend, dieses ‚Angebot‘ einem ehemaligen Parlamentsabgeordneten zu unterbreiten“, kritisierte er.

Im Wahlkreis für fehlendes Engagement kritisiert

Zu seiner Verteidigung erkläre Yıldırım, dass er in 35 Jahren als praktizierender Mediziner zu keinem Zeitpunkt ein PKK-Mitglied behandelt hätte. Der Vorwurf sei „absurd“, da er als Kinderarzt in einem Krankenhaus keine erwachsenen Patienten behandele. Zum Vorwurf, Demonstrationen gegen einen Staudamm organisiert zu haben, erklärte Yıldırım, ein „ökologischer Mensch“ und „Verteidiger der Natur“ zu sein. Als solcher habe er sich zwar gegen den Bau eines Wasserkraftwerks in seiner Geburtsstadt Semsûr eingesetzt. Dass er aber Proteste organisiert oder dazu aufgerufen hätte, entspreche nicht der Wahrheit. „Ganz im Gegenteil bin ich in meinem Wahlkreis sogar dafür kritisiert worden, dass ich als Abgeordneter zu wenig gegen das geplante Bauvorhaben unternehme“, so Yıldırım. Die Anschuldigung, von der PKK als Parlamentskandidat vorgeschlagen worden zu sein, bezeichnete der Politiker als „an den Haaren herbeigezogene Geschichte“. Er habe sich beworben und sei unter insgesamt achtzehn Kandidatinnen und Kandidaten „vom Volk auserwählt“ worden. Das Verfahren geht am 31. März weiter.

Über 10.000 HDP-Mitglieder in sechs Jahren verhaftet

Am 24. Juli 2015 wurde der Dialogprozess zwischen dem türkischen Staat und der kurdischen Befreiungsbewegung mit der Bombardierung der Qendîl-Berge durch die türkische Luftwaffe endgültig beendet. Seitdem lässt die AKP/MHP-Regierung den Krieg gegen die Kurdinnen und Kurden und ihre politische Vertretung wieder eskalieren. Über 23.000 HDP-Mitglieder wurden in den letzten sechs Jahren festgenommen, mehr als die Hälfte landete im Gefängnis. In der Türkei vergeht kaum ein Tag, an dem es nicht zu Festnahmen oder Verhaftungen von Oppositionellen kommt.