Die Guerillakämpfer:innen Dîdar Harun, Özgür Memyan und Zemanî Rojhat sind im Widerstand gegen die türkische Invasion in der Zap-Region in Südkurdistan ums Leben gekommen. Das gab das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) am Montag in Behdînan bekannt. Zu den Todesumständen der Gefallenen teilte die Organisation mit: „Nach schweren Niederlagen infolge des selbstlosen Widerstandes der Freiheitsguerilla Kurdistans am Ostflügel der Zap-Front wagte sich die türkische Besatzerarmee ab dem 25. Mai auf die Westseite des Zap. Unsere Freundinnen und Freunde halten unter Federführung mobiler Guerillaeinheiten mit einem selbstlosen Widerstand dagegen. Die ersten Kugeln dieses Kampfes wurden von Dîdar, Özgür und Zemanî abgegeben. Sie leiteten den Widerstand am Westflügel der Zap-Front ein und bestimmten Charakter und Verlauf des Kampfes. Dîdar, Özgür und Zemanî gelten als Wegbereiter:innen, die schon zu Lebzeiten eine vorwärtstreibende Rolle eingenommen hatten. Wir versprechen, dass wir ihrem an uns übertragenen Kampf würdig sein werden und den Widerstand in einen Sieg verwandeln. Den Angehörigen der Gefallenen und unserem patriotischen Volk sprechen wir unser Beileid aus.“
Die vollständigen Identitäten der Gefallenen lauten:
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Codename: Dîdar Harun
Vor- und Nachname: Gülistan Akgöl
Geburtsort: Deutschland
Namen von Mutter und Vater: Halime – Resul
Todestag und -ort: 1. Juni 2022 / Zap
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Codename: Özgür Memyan
Vor- und Nachname: Serfiraz Akyüz
Geburtsort: Amed
Namen von Mutter und Vater: Besra – Mehmet
Todestag und -ort: 30. Mai 2022 / Zap
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Codename: Zemanî Rojhat
Vor- und Nachname: Mehmet Yavuzel
Geburtsort: Riha
Namen von Mutter und Vater: Emine – Fethi
Todestag und -ort: 30. Mai 2022 / Zap
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Dîdar Harun
Dîdar Harun wurde als Tochter einer ursprünglich aus Midyad bei Mêrdîn stammenden Familie in Deutschland geboren. Sie wuchs im Bewusstsein des kurdischen Befreiungskampfes auf, da sich zahlreiche Menschen aus ihrem familiären Umfeld bereits dem kurdischen Befreiungskampf angeschlossen hatten. Besonders der Gang ihres (gefallenen) Bruders Harun Torî zur Guerilla in die Berge war für Dîdar Harun eine prägende Erfahrung, die sie im Kindesalter machte.
„Obwohl Hevala Dîdar im Herzen des Liberalismus, in dessen Zentrum das Individuum steht, geboren und aufgewachsen ist, hat sie sich als widerständige kurdische Frau zu keinem Zeitpunkt von der Realität Kurdistans abgewendet. Dennoch verspürte sie vor dem Hintergrund, nicht in ihrer Heimat zu leben, eine Unvollständigkeit“, schreiben die HPG über die Kämpferin. Erste praktische Erfahrungen in den Reihen der kurdischen Befreiungsbewegung sammelte Dîdar Harun unter dem Dach der Jugendbewegung. Parallel zu ihren Aktivitäten für die „kurdische Sache“ studierte sie Philosophie, bis sie 2017 den Entschluss fasste, dem Weg in die Berge zu folgen.
Ihre erste Zeit bei der Guerilla verbrachte Dîdar Harun in der Widerstandshochburg Botan. Sie war Mitglied der kurdischen Frauenpartei PAJK, kämpfte in den Reihen der autonomen Frauenguerilla YJA Star und wurde zu einer versierten Guerillakommandantin. Als solche war sie auch innerhalb der Fedai-Strukturen „Hêzên Taybet“ aktiv, nachdem sie in die Medya-Verteidigungsgebiete ging. Am Widerstand gegen die seit April andauernde Invasion des türkischen Nato-Staates in Südkurdistan beteiligte sich Dîdar Harun seit dem ersten Tag „an den vorderen Fronten“, so die HPG.
Özgür Memyan
Özgür Memyan wurde in der für ihren Widerstand gegen die koloniale Unterdrückungspolitik des türkischen Staates bekannten Kreisstadt Licê in der Provinz Amed (tr. Diyarbakır) geboren. Er wuchs in einer patriotischen Familie auf, die die kurdische Befreiungsbewegung seit ihren ersten Tagen unterstützte, und beteiligte sich schon als Kind an den Serhildan (Aufstand), die wenige Jahre nach Beginn des bewaffneten Kampfes der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ins Rollen kamen und als kollektive Antwort der kurdischen Bevölkerung auf die Politik von Massenmord und Vernichtung des türkischen Staates galten.
2014 traf Özgür Memyan die Entscheidung, sich der Guerilla anzuschließen. Lange Zeit kämpfte er in verschiedenen Gebieten der Botan-Region, bevor er nach Südkurdistan ging. Dort war er an nahezu allen Fronten im Einsatz, um Widerstand gegen die Besatzungsoffensiven der türkischen Armee zu leisten. Insbesondere seit Beginn der aktuell andauernden Invasion beteiligte er sich an zahlreichen Aktionen, die zu schweren Verlusten in den feindlichen Reihen führten.
Zemanî Rojhat
Zemanî Rojhat wurde in einem Dorf in Pirsûs (Suruç) geboren. Er wuchs in einem patriotischen Umfeld auf, seine Familie fühlte sich der kurdischen Befreiungsbewegung schon immer tief verbunden. Die Realität der in Kurdistan gültigen Genozidtradition des türkischen Staates war ihm daher schon früh bewusst, schreiben die HPG über den Gefallenen. „Er versuchte später, innerhalb des Systems eine Antwort auf die Mentalität des Feindes zu geben. Jedoch stellte er relativ schnell fest, dass die genozidal ausgerichtete Verfolgung des kurdischen Volkes sich nur außerhalb des Systems erfolgreich bekämpfen lässt.“
Der Guerilla schloss sich Zemanî Rojhat unter dem Eindruck der „Schlacht um Kobanê“ der YPG/YPJ gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) an. Es war die Zeit, als offensichtlich wurde, dass die Terrorgruppe vom türkischen Staat unterstützt wird. Nach seiner Grundausbildung und ersten praktischen Erfahrungen trat er den Fedai-Einheiten „Hêzên Taybet“ bei. Den Nom de Guerre „Zemanî“ nahm er an, weil sein Cousin so hieß. Dieser hatte sich 2015/2016 am Widerstand für Selbstverwaltung beteiligt und war einem der „Todeskeller von Cizîr“ von der türkischen Armee bei lebendigem Leib verbrannt worden.