Gever: Zivilist:innen von Soldaten in Operationsgebiet verschleppt

In Gever sollen rund 20 Zivilist:innen vom türkischen Militär in ein Operationsgebiet verschleppt worden sein. Einige von ihnen befinden sich inzwischen in Polizeihaft, Anwält:innen beklagen Misshandlungen durch Sicherheitskräfte.

Die im nordkurdischen Landkreis Gever (tr. Yüksekova) am Sonntag eingeleitete Militäroperation der türkischen Armee in Astenga Reş dauert auch am Montag weiter an. Nach mittlerweile bestätigten Berichten kommt es in der Region zu Auseinandersetzungen zwischen der Guerilla und Militäreinheiten, mehrere Krankenwagen und Rettungskräfte wurden am späten Abend in das Operationsgebiet verlegt. Etwa zeitgleich wurde das im Operationsradius liegende Dorf Şîşemzîn von türkischen Panzereinheiten überfallen.

Wie die Juristenvereinigung ÖHD mitteilte, seien Dutzende Bewohnerinnen und Bewohner von Şîşemzîn, darunter mehrere Minderjährige im Alter zwischen elf und vierzehn Jahren, bei dem Überfall von Soldaten beschimpft und misshandelt worden. Mindestens zwanzig Personen wurden nach der Tortur in das Operationsgebiet verschleppt, unter ihnen seien auch vier Hirt:innen mit iranischer Staatsbürgerschaft, mehrere ältere Frauen und ein achtjähriges Kind gewesen. Offenbar sollten sie als „menschliche Schutzschilde“ missbraucht werden. Drei Frauen und das Kind wurden noch in der Nacht wieder freigelassen, dreizehn weitere Personen befinden sich noch immer in Gewahrsam der Militärpolizei. Zunächst habe man sie auf das Revier Kısıklı gebracht, inzwischen würden die Betroffenen in der Kreiskommandantur der Jandarma in Gever festgehalten.

Im Fall von mindestens drei weiteren Personen aus Şîşemzîn liegen dem ÖHD keine Informationen zu ihrem Verbleib vor. Harika Günay Karataş und Fırat Ike, die beiden Ko-Vorsitzenden der ÖHD-Zweigstelle für die Provinz Colemêrg, zeigten sich besorgt: „Auf der Wache wurden wir Zeugen davon, dass die festgenommenen Dorfbewohner geschlagen wurden. Als wir intervenierten, haben uns Soldaten auf Betreiben des verantwortlichen Kommandanten Bayram Konak körperlich angegriffen und aus dem Revier gezerrt. Wir wurden über den Boden geschleift und gewaltsam in unser Fahrzeug gesetzt. Ein Militärfahrzeug drängte unseren Wagen anschließend vom Gelände der Kreiskommandantur“, sagte die Rechtsanwältin Karataş und kündigte juristische Konsequenzen an.

 

Schürfwunde am Arm: Rechtsanwältin Harika Günay Karataş ist besorgt um das Leben der vom Staatsterror betroffenen Bevölkerung in Gever.


Dicht besiedelte Dörfer von Operation betroffen

Die Operation in der Region Astenga Reş war am Sonntagfrüh mit der Verlegung von Panzereinheiten eingeleitet worden, auch die türkische Luftwaffe ist im Einsatz. Neben Şîşemzîn liegen auch die Ortschaften Xurekana Seyîda und Xurekana Temo im Operationsradius. Um die Dörfer wurden Belagerungsringe gezogen, eine Ausgangssperre ist in Kraft. Im Operationsgebiet bewegen sich Luftlandetruppen, es kommt zu Bombardierungen durch Kampfhubschrauber. Neben mutmaßlichen Stützpunkten der Guerilla wurden bisher auch Ziele in den dicht besiedelten Dörfern von Astenga Reş von der türkischen Luftwaffe attackiert. Ob dadurch Menschen verletzt oder sogar getötet wurden, ist bisher unklar.