Gedenken an „Verschwundene“ aus Silopiya

Heute vor 19 Jahren wurden die HADEP-Politiker Serdar Tanış und Ebubekir Deniz in der nordkurdischen Stadt Silopiya in die Zentrale der Militärpolizei bestellt. Seitdem sind sie „verschwunden“. Der Kampf ihrer Hinterbliebenen um Gerechtigkeit geht weiter.

In der nordkurdischen Stadt Silopiya in der Provinz Şirnex (Şırnak) ist den kurdischen Politikern Serdar Tanış und Ebubekir Deniz gedacht worden, die seit 19 Jahren verschwunden sind. Am 25. Januar 2001 wurden die beiden Vorstandsmitglieder der Partei der Demokratie des Volkes (türkisch: Halkın Demokrasi Partisi, kurz HADEP) telefonisch in die Zentrale der türkischen Militärpolizei in Silopiya bestellt. Danach wurden sie nie wieder gesehen.

Die Geschichte

Serdar Tanış erhielt im September 2000 von der Hauptzentrale seiner Partei den Auftrag, in Silopiya den Kreisverband der HADEP zu gründen. Nachdem er die Arbeiten aufnahm, wurde er vom damaligen General des Provinzregiments der Militärpolizei (später auch Leiter des informellen Geheimdienstes der Behörde JITEM), Levent Ersöz, und dem Leiter der örtlichen Behörde, Hauptmann Süleyman Can bedroht. Trotz aller Repression wurde am 3. Januar 2001 in Silopiya die Ortsstelle der HADEP eröffnet. Serdar Tanış nahm den Posten des Kreisvorsitzenden ein.

Mit dem zunehmenden Druck und anhalten Drohungen gegen ihn schickte Tanış ein Schreiben an den damaligen Präsidenten Ahmet Necdet Sezer, das Justizministerium, das Innenministerium und zahlreiche weitere Behörden. Darin beschrieb er die Drohungen, denen er ausgesetzt wurde und forderte, seine Sicherheit und sein Recht, Politik zu betreiben, zu gewährleisten. Am 25. Januar 2001 wurde er vom Unteroffizier Taşkın Akgün aufgefordert, die Militärpolizei aufzusuchen. Ebubekir Deniz begleitete ihn.

Fünf Tage lang leugneten die türkischen Behörden, dass die beiden Männer zur Militärpolizei vorgeladen wurden. Am sechsten Tag konnte der damalige Gouverneur Hüseyin Başkaya dem öffentlichen Druck nicht mehr standhalten. Er behauptete, Serdar Tanış und Ebubekir Deniz hätten sich am besagten Tag lediglich eine halbe Stunde in der Behörde aufgehalten, um ein Protokoll zu unterzeichnen. Später kam heraus, dass Tanışs Vater Şuayip Tanış ebenfalls bedroht wurde. Damals erklärte er, ebenfalls zur Militärpolizei nach Şirnex gebracht worden zu sein: „Levent Ersöz hat mir nahegelegt, dass es nicht gut für meinen Sohn wäre, den HADEP-Kreisverband zu eröffnen. Als Serdar beruflich in Amed unterwegs war, rief mich Levent Ersöz an und sagte: ‚Wenn dein Sohn je wieder Şırnak betreten sollte, lasse ich ihn nicht am Leben‘. Als mein Sohn zurückkehrte, wurde er zur Jandarma bestellt. Er ging, aber kam niemals zurück“.

Şuayip Tanış: Unser Kampf um Aufklärung wird weitergehen

Şuayip Tanış ist sich sicher, dass Levent Ersöz den Mord an seinem Sohn und dessen Weggefährten in Auftrag gegeben hat. Auf der Gedenkveranstaltung erinnerte er die gekommenen Menschen an Todesdrohungen gegen ihn und seine Familie. „Ganze drei Mal bedrohte er (Levent Ersöz) mich und meine Familie. Bestraft wurde er nie. Unser Kampf um die Aufklärung des Schicksals unserer Verschwundenen wird aber weitergehen. So lange, bis die Geschichte Gerechtigkeit walten lässt.”

Ceylan Deniz: Şirnex war ein Versuchslabor

Ceylan Deniz war fünf Jahre alt, als ihr Vater Ebubekir Deniz verschwand. Sie machte auf die Unterdrückungs- und Verleugnungspolitik des türkischen Staates gegen die kurdische Bevölkerung aufmerksam und erinnerte an die besonders dunklen Jahre in den 1990ern. „Şirnex galt de facto als ein Versuchslabor von paramilitärischen Organisationen der Regierung. Es herrschte ein System der Vernichtung, dessen Repräsentant Levent Ersöz war. Doch statt die Bestrafung der Täter zu gewährleisten, ist die Justiz dieses Landes nur darauf aus, ihre Verbrechen zu verschleiern. Wir fordern Gerechtigkeit für die Toten und ein Grab für uns Hinterbliebene, um in Würde zu trauern. Bis dahin werden wir unseren Widerstand fortsetzen.“