Erdbebenkrisenstab in Amed warnt vor Umsiedlungspolitik

Die HDP hat mit anderen Parteien und NGOs ein Krisenkoordinationszentrum zur Bewältigung der Erdbebenkatastrophe gegründet. Der Krisenstab in Amed hat über seine bisherige Arbeit informiert und warnt vor einer gezielten demografischen Veränderung.

Der Krisenstab der Demokratischen Partei der Völker (HDP) in Amed (tr. Diyarbakir) hat im Bezirksverband Payas (tr. Kayapınar) über seine Arbeit nach dem Erdbeben vom 6. Februar informiert. An der Pressekonferenz nahmen die HDP-Provinzverbandsvorsitzenden Gülistan Atasoy und Zeyyat Ceylan sowie Hayrettin Altun (DBP) und Abbas Şahin (Partei der Grünen Linken) teil.

409 Erdbebentote in Amed

Gülistan Atasoy erinnerte an die Zehntausenden Toten und Verletzten und die Millionen Betroffenen im Erdbebengebiet und sagte: „Seit dem ersten Tag des Erdbebens hat es viele Unzulänglichkeiten gegeben, die durch das zentralistische und monistische Verständnis der Regierung verursacht wurden. Aber die Solidarität der Menschen versprach Hoffnung. Es wurde erkannt, dass kollektive Solidarität die Grundvoraussetzung gegen das militaristische Staatsverständnis ist. Obwohl in Amed nur sechs Gebäude eingestürzt sind, haben die Unzulänglichkeiten hier 409 Menschenleben gekostet.“

Die HDP-Krisenkoordination habe versucht, den Betroffenen beizustehen und sei nicht nur in Amed, sondern auch in anderen Gebieten aktiv. Als erschwerender Umstand bei den Hilfsarbeiten sei hinzugekommen, dass Amed wie viele weitere kurdische Städte und Gemeinden unter staatlicher Zwangsverwaltung steht. Ohne die vom Innenministerium in den letzten Jahren anstelle der gewählten Bürgermeister:innen eingesetzten Treuhänder und das dadurch entstandene System hätte eine viel wirksamere Arbeit geleistet werden können, so die HDP-Politikerin.

Die Regierung hat Zehntausende Menschen getötet“

Abbas Şahin, Ko-Sprecher der Grünen Linkspartei in Amed, erklärte auf der Pressekonferenz: „Wie Sie wissen, kam die AKP 1999 nach dem Erdbeben und den mangelnden Vorsichtsmaßnahmen in der Marmara-Region an die Macht. Die 23-jährige AKP-Regierung hat keine Lehren aus dem Erdbeben von 99 gezogen, sondern ist sogar noch weiter gegangen und hat die gesamte Natur und die Ressourcen des Volkes dem Profitstreben geöffnet und für die Bereicherung einer Handvoll seiner Anhänger ein Massaker in Kauf genommen. Auch wenn die politische Macht versucht, sich mit ihrer üblichen Politik der Wahrnehmungssteuerung aus der Verantwortung zu stehlen, indem sie das Ereignis als Jahrhundertkatastrophe bezeichnet, erkennen die Menschen die Realität. Die Regierung versucht sich mit ihrer Tagespolitik an der Macht zu halten und hat sich damit zum Mörder von Zehntausenden Menschen gemacht. Mit den im Bausektor erlassenen Amnestien wurden ohne Aufsicht Genehmigungen für Hunderttausende Häuser erteilt und daraus eine politische Show gemacht. Kurzfristige profitorientierte Politik war und ist für diese Gesellschaft verhängnisvoll."

Der Staat bereichert sich mit der Beschlagnahmung von Hilfsgütern

Zu seiner bisherigen Arbeit teilte der Krisenstab mit, dass unmittelbar nach dem Erdbeben dringend benötigte Hilfsgüter wie warmes Essen und Decken geliefert wurden. Diese Arbeit werde mit Tausenden Freiwilligen fortgesetzt. Hilfsgüter seien auch in entlegene Dörfer geschickt worden, allein aus Amed seien hundert Lastwagen mit notwendigem Bedarf in andere Provinzen gefahren.

„Der Staat und die Regierung waren drei Tage lang nicht präsent im Erdbebengebiet und haben anschließend begonnen, Hilfsgüter zu beschlagnahmen, um sich selbst zu bereichern. Unsere Bevölkerung, die diese Usurpatoren-Mentalität genau kennt, und die zivilen Einrichtungen und Initiativen der Stadt verbinden weiterhin ihre Wunden, indem sie trotz des Drucks ihre Solidarität nicht aufgeben“, erklärte Şahin.

Hundertjährige Umsiedlungspolitik

In Amed seien bisher Erdbebenschäden an über 2000 Gebäuden festgestellt worden, so der Krisenstab: „Die Zahl der Gebäude, die dringend abgerissen werden müssen, wird mit 50 angegeben. Diese Daten bedeuten, dass Zehntausende Einwohnerinnen und Einwohner mit einem dringenden Wohnungsproblem konfrontiert sind. Angesichts dieser Situation hat sich die Regierung dazu entschlossen, Antalya für Amed zu öffnen. Dass jetzt versucht wird, das Wohnungsproblem mit einer Migrationspolitik wie dem Umzug nach Antalya zu lösen, erinnert uns an die Umsiedlungspolitik seit der Gründung der Republik. Anstelle von dauerhaften Lösungen versucht der Staat bewusst, die Menschen für diese Politik zu benutzen, indem er lediglich Zelte zur Verfügung stellt.“

Zeltstadt für 20.000 Menschen außerhalb von Amed geplant

Außerhalb der Stadt solle eine Zeltstadt für 20.000 Personen errichtet werden, was ebenfalls Probleme mit sich bringen werde, führte Şahin aus: „Die Menschen, die aufgrund mangelnder Vorsichtsmaßnahmen im Freien zurückgelassen wurden, jeden Moment am Rande des Tigris mit Überschwemmungen und Krankheiten konfrontiert zu sehen, was zu einer weiteren Zerstörung führen wird, ist nichts anderes als die Lösung eines Problems mit einem neuen Problem. Wir fragen, welches Problem für die Menschen, die das Erdbeben nur knapp überlebt haben, gelöst wird, indem man sie vom sozialen Leben außerhalb der Stadt isoliert und sie möglichen Risiken aussetzt."

Es sei eine „essentielle Notwendigkeit, die Menschen vor Ort zu stärken und die Initiative zu ergreifen", betonte Şahin: „Der Versuch, alles aus einer Hand und einem einzigen Zentrum zu verwalten, setzt unser Volk ständigen natürlichen und sozialen Krisen aus. Während in unserem Land sehr ernsthafte Maßnahmen ergriffen und das Leben entsprechend gestaltet werden sollten, hat eine Politik, die das menschliche Leben missachtet, nur zu einem unbegrenzten Wachstum von Großunternehmern und Großkapital geführt, und Zehntausende von Leben wurden infolge eines Verständnisses zerstört, das immer rücksichtsloser geworden ist, sich von jeder Kontrolle gelöst hat und Menschenleben missachtet.“

Wir müssen unser Leben hier fortsetzen“

In der gegenwärtigen Phase gehe es darum, die Wunden zu heilen. Gleichzeitig müsse der Kampf gegen das monistische und profitorientierte System verstärkt werden, sagte der HDP-Politiker Zeyyat Ceylan: „Wir müssen unser Leben in unserem eigenen Land fortsetzen, egal was passiert. Es hat so viele Opfer gegeben, weil es keine Vorkehrungen gab. Die Menschen wurden schutzlos zurückgelassen. Wir werden das Leben an Ort und Stelle immer verteidigen. Ohne das Zwangsverwaltungsregime gäbe es diese Mängel nicht. Die zwangsverwalteten Gemeinden können keine effektive Hilfe leisten. Alle Menschen wissen, dass der Staat seine Rolle und seinen Auftrag nicht erfüllt hat. In Amed wurde in 50 Jahren des Kampfes Solidarität aufgebaut. Unser Heilmittel ist unser Volk, die Organisation unseres Volkes. Hunderte Menschen sind immer noch unter den Trümmern, draußen, obdachlos, kümmern wir uns umeinander. Reichen wir uns die Hand der Solidarität."