Karayılan: „Eine Welle von Volksaufständen entfachen“
In einer Ansprache zum 15. August rief der NPG-Kommandant Murat Karayılan dazu auf, den revolutionären Volkskrieg auszuweiten und eine Welle von Volksaufständen in Kurdistan zu entfachen.
In einer Ansprache zum 15. August rief der NPG-Kommandant Murat Karayılan dazu auf, den revolutionären Volkskrieg auszuweiten und eine Welle von Volksaufständen in Kurdistan zu entfachen.
Anlässlich des Jahrestags des Beginns des bewaffneten Kampfes der PKK am 15. August 1984 veröffentlichte der Fernsehsender Sterk TV eine Ansprache des Kommandanten des Hauptquartiers der Volksverteidigungskräfte (NPG), Murat Karayılan.
Karayılan rief dazu auf, die Angriffe des türkischen Faschismus durch die Ausweitung des revolutionären Volkskriegs ins Gegenteil zu verkehren und dabei auf das eigene Potential zu vertrauen: „Die stärkste Kraft ist das Volk, wir selbst sind es! Daran müssen jeder Patriot und jede Patriotin glauben. Kurdistan wird nicht allein durch Wahlen befreit werden. Natürlich sind Wahlen eine von vielen Taktiken, aber wahre Freiheit entsteht durch die Kraft des Volkes, die Mobilisierung des Volkes, den revolutionären Volkskrieg und den politisch-gesellschaftlichen Kampf auf allen Ebenen und für eine demokratische Nation. Alle müssen das in die Praxis umsetzen. Wenn dies erreicht wird, sind wir davon überzeugt, dass das 40. Jahr des Kampfes ein bedeutendes Jahr sein wird."
Die vollständige Ansprache Karayılans lautet: „Zuallererst gratulieren wir euch allen zum Tag der Wiedergeburt. Im Namen der Freiheitsguerilla Kurdistans beglückwünschen wir Rêber Apo [Abdullah Öcalan] zum 39. Jahrestag des Aufbruchs vom 15. August; wir überbringen unsere Grüße, unseren Respekt und bekunden unsere Verbundenheit. Wir gratulieren dem gesamten Volk Kurdistans, den Völkern der Region, der fortschrittlichen Menschheit, allen Arbeiterinnen und Arbeitern, allen Kadern, Kämpferinnen und Kämpfern und der Freiheitsguerilla zum Tag der Wiedergeburt. In Person des unsterblichen Kommandanten Egîd [Mahsum Korkmaz] und Zîlan [Zeynep Kınacı] gedenken wir all unserer Gefallenen der Revolution und verneigen uns ehrfürchtig vor ihrem Andenken. Gleichzeitig bekräftigen wir noch einmal unser Versprechen an unsere Gefallenen. Wir werden an der Linie der Gefallenen festhalten; indem wir den Freiheitskampf verstärken, werden wir ihr Andenken lebendig halten.
Der Aufbruch vom 15. August war ein Aufbruch für das Leben und die Freiheit gegenüber einer Politik der Massaker und des Völkermordes. Er führte zu einer Renaissance in Kurdistan und brachte eine Revolution der Ideen hervor. Auf seiner Grundlage entwickelte sich eine gesellschaftliche Revolution, eine Frauenrevolution, eine politische Revolution, und eine neue Gesellschaft in Kurdistan wurde geschaffen. Wir, die Freiheitsguerilla Kurdistans, kämpfen seit 39 Jahren für den Schutz des kurdischen Volkes und der Werte der Demokratie. In diesen 39 Jahren wurden wahre Epen des Mutes geschaffen. Besonders in den vergangenen acht Jahren führte der türkische Staat einen umfassenden Angriff gegen unser Volk und unsere Bewegung, mit dem Ziel, die Errungenschaften unseres Volkes zu vernichten und die Politik des Völkermordes zu verwirklichen. Das System von Imrali bildete den Ausgangspunkt für die Völkermordpolitik in ganz Kurdistan. Dagegen entwickelte sich neben dem historischen Widerstand von Rêber Apo der Widerstand der kurdischen Politik, der demokratisch-sozialistischen Bewegungen der Türkei, unserer Genossinnen und Genossen in den Gefängnissen und unseres Volkes auf der Straße. Es ist jedoch auch bekannt, dass der türkische Staat seine massivsten Angriffe auf die Guerilla durchgeführt hat. Mit modernster Technologie begannen sehr umfassende Angriffe gegen die Kräfte von Bakurê Kurdistanê, Rojavayê Kurdistanê, Şengal und Rojhilatê Kurdistanê. In den vergangenen acht Jahren gab es Widerstandskämpfe von historischem Ausmaß gegen diese Angriffe des Feindes. Diejenigen, die dem Weg unseres Genossen und Kommandanten Egîd gefolgt sind, und die Genossinnen und Genossen des Kommandanten Fazıl Botan haben den Widerstand angeführt. Wir gedenken aller Gefallenen dieses epischen Widerstandes in Gestalt der Genossinnen und Genossen Azad Sîser, Delal Amed, Atakan Mahir, Zeki Şengalî, Doğan Sîpan, Çetin Siverek, Çiçek Botan, Yılmaz Dersim und der werten Kommandantin Leyla Sorxwîn. Sie schufen ein wahrhaft historisches Epos des Widerstands.
Wertes Volk, liebe Genossinnen und Genossen, in den letzten drei Jahren hat der Feind besonders intensive Angriffe zuerst auf Gare und dann auf Zap, Metîna und Avaşîn durchgeführt, um die Medya-Verteidigungsgebiete vollständig zu zerstören und auf dieser Grundlage die Errungenschaften des kurdischen Volkes zu vernichten. Tatsächlich begann ein Angriff auf das gesamte Gebiet von Südkurdistan. Der Widerstand, der sich hier entwickelte, insbesondere im Herzen der Regionen Zap, Avaşîn und Metîna, markiert eine neue Ära in der Geschichte unseres Volkes und unserer Bewegung. Zum ersten Mal stehen kurdische Kräfte, kurdische Widerstandskämpferinnen und -kämpfer drei Jahre lang in denselben Stellungen dem türkischen Staat gegenüber und leisten dauerhaft Widerstand. Das ist eine Quelle der Ehre und des Stolzes für das gesamte kurdische Volk. Dabei leisten sie nicht nur gegen Zehntausende von Soldaten Widerstand. In diesem Krieg werden sämtliche hochmoderne Technologien, insbesondere im Rahmen von Luftangriffen, eingesetzt. Gleichzeitig setzt der heimtückische und feige Feind verbotene Kampfmittel wie taktische Nuklearwaffen und chemische Waffen gegen unsere Kräfte ein. Trotzdem hat der aktuelle Widerstand auch eine neue Ära in der Kriegskunst eingeläutet. Das bedeutet, er ist zu einem großartigen Beispiel dafür geworden, wie eine kleine, bewusste, taktisch kluge und willensstarke Kraft gegen eine große Armee, die über alle Ressourcen verfügt, Widerstand leisten und Erfolge erzielen kann.
Zweifellos haben wir in diesem Widerstand viele Opfer gebracht. Er wurde mit dem Einsatz der geschätzten Kommandantinnen und Kommandanten und der opferbereiten Kämpferinnen und Kämpfer, der Söhne und Töchter dieses Volkes erreicht. Das war nicht einfach! Wir gedenken all unserer Gefallenen in Person von Şoreş, Cumali, Çavrê, Bager, Avzem, Delîl, Nalîn, Nûrî und Mizgîn. Wir werden ihren Weg fortsetzen. Sie haben uns den Weg geebnet. Sie haben einen taktischen Durchbruch erzielt. Sie haben mit ihrem Widerstand und ihrem Einsatz die Entschlossenheit dieses Widerstands deutlich gemacht. Auf dieser Grundlage konnte der türkische Staat trotz der Unterstützung durch ausländische Mächte und der Hilfe durch kurdische Kollaborateure nicht siegen. Die Ergebnisse der letzten drei Jahre liegen offen vor Augen. Der Krieg geht weiter. Der Feind steckt in seinen Angriffen fest, das ist klar. Der türkische Staat steht dem Widerstand der apoistischen Kämpferinnen und Kämpfer hilflos gegenüber. Eigentlich wollte der türkische Staat anlässlich des 100. Jahrestags der Republik seinen Sieg erklären, die Politik des Völkermords in Kurdistan durchsetzen und vor allem Syrien und den Irak unter seine Schirmherrschaft stellen. Dieser Plan des türkischen Staates konnte jedoch nicht umgesetzt werden.
Der 100. Jahrestag der Gründung der Republik Türkei steht bevor. Der türkische Staat schmiedet bereits Pläne und legt seine Strategie für sein zweites Jahrhundert fest. Es ist sehr aufschlussreich, dass auch in diesem neuen Plan wieder der Völkermord in Kurdistan an erster Stelle steht. Damit wird deutlich, dass dieser AKP/MHP/Ergenekon-Staat sich weiterhin auf das Vergießen des Blutes des kurdischen Volkes und seine Vernichtung stützen will. Diese nationalistische, chauvinistische Politik auf der Linie von ‚Einheit und Fortschritt‘ (Ittihat ve Terakki) ist nicht nur eine Gefahr für das kurdische Volk, sondern auch für die Menschen in der Region. Der türkische Staat will die Grenzen des osmanischen Nationalpakts besetzen, Syrien und Irak unter sein Protektorat stellen und damit den Willen des arabischen Volkes, der Völker in der Region, zunichtemachen. Dies stellt eine große Gefahr für unser Volk und alle Völker in der Region dar. Angesichts dieser Gefahr müssen wir uns als Volk organisieren und eine nationale Einheit herstellen. Analog zum kurdisch-arabischen Bündnis müssen alle Völker der Region und alle sozialistisch-demokratischen Bewegungen ihre Stimme gegen den Faschismus erheben und sich im Kampf für Demokratie und Freiheit vereinen. Das ist in dieser Zeit eine unaufschiebbare und unabdingbare revolutionäre Aufgabe.
Wertes Volk, die Isolation von Rêber Apo spiegelt sich in Kurdistan als Völkermord wider, während sie in der Türkei von der Politik zur Unterdrückung von Freiheit und Demokratie zeugt. Wenn wir nicht entschlossen gegen diese Isolationspolitik vorgehen und sie durchbrechen, wird es weder in der Türkei noch in der gesamten Region Raum für Demokratie und Freiheit geben. Wir müssen uns dieser Realität bewusst sein.
Derzeit haben verschiedene demokratische Institutionen, Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften in Europa eine Kampagne für die Freiheit von Rêber Apo ins Leben gerufen. Das ist ein äußerst wichtiges Anliegen. Unser Gruß gilt den Arbeiterinnen und Arbeitern in Großbritannien sowie ihren Gewerkschaften. Wir senden Grüße an die Gewerkschaften und demokratischen Kräfte in verschiedenen Ländern Europas, die diese Kampagne unterstützen. Unsere Anerkennung gilt auch den fortschrittlichen und demokratischen Bewegungen in Lateinamerika und Südafrika. Ein herzlicher Gruß an unsere Landsleute in Europa und im Ausland, die sich aktiv am Kampf beteiligen. Ein Hoch auf das kurdisch-türkische Bündnis, das sich auf den Grundlagen von Aziz Ereb und Dilşêr Reqa erhebt!
Liebe Freundinnen und Freunde, wertes Volk, als Freiheitsguerilla Kurdistans versprechen wir an jedem Jahrestag, unser Volk, unser Land und die Rechte unseres Volkes überall zu verteidigen. Diesem Versprechen sind wir verpflichtet, und wir bekräftigen es erneut. Bislang haben wir unser Versprechen gehalten und dafür unsere Leben eingesetzt.
Als Kämpferinnen und Kämpfer von Rêber Apo brechen wir unser Wort nicht – wir erfüllen unser Versprechen. So haben wir es gelernt, und nun beginnt für uns das 40. Jahr. In 39 Jahren des Kampfes und basierend auf der Philosophie des Apoismus hat die Freiheitsguerilla Kurdistans heute dieses Niveau erreicht. Besonders mit dem Neustrukturierungsprojekt ist die Guerilla heute stärker in der Entwicklung von Innovation, taktischer Vertiefung und Beherrschung der Technik. Dies wird auch in der Praxis deutlich sichtbar. Die Guerilla hat bewiesen, dass sie eine unbesiegbare Kraft ist. Doch der Feind ist unerbittlich.
Die Guerilla wird auf dem erreichten Niveau das Volk auf dem Boden und unterirdisch und wenn möglich auch aus der Luft verteidigen und dem Feind Widerstand leisten. Der Feind muss auch wissen, dass er sein Ziel nicht erreichen kann – selbst wenn er einige kurdische Kollaborateure auf seiner Seite hat. Er wird nicht in der Lage sein, uns als Volk oder Bewegung zu vernichten. Der türkische Staat sollte diese Politik des Völkermords aufgeben. Er sollte seine Soldaten nicht in den Angriff auf die Stellungen der Genossinnen und Genossen schicken. Wir tragen nicht die Verantwortung für den Tod der Soldaten, die unsere Positionen angreifen. Die Befehlshaber dieser Soldaten tragen die Verantwortung. Alle Menschen in der Türkei sollten dies wissen.
Wir kämpfen zur Verteidigung. Wir haben niemanden angegriffen. Der türkische Staat sollte begreifen, dass er mit seiner Politik des Völkermords und des Todes keine Ergebnisse erzielen kann. Im 40. Jahr ihres Bestehens wird die Freiheitsguerilla Kurdistans erneut ihre Unbesiegbarkeit unter Beweis stellen und zur Guerilla des Sieges werden. Das ist unser Ziel.
Wertes Volk, die Guerilla wird in der neuen Periode, im 40. Jahr, ihre Rolle spielen. Mit dem Einsatz von Rêber Apo und den Opfern unserer Gefallenen wurde eine Grundlage geschaffen, auf der die Guerilla handeln wird. Doch befinden wir uns in einer bedeutsamen Phase. Die Linie, der wir folgen müssen, ist die des revolutionären Volkskrieges. Während dieser entscheidenden Zeit muss auch unser Volk seine Aufgaben übernehmen. Alle Patriotinnen und Patrioten, insbesondere die Frauen und die Jugend, müssen ihre Verantwortung tragen, ihre Rolle erfüllen und sich organisieren. Wie zu Beginn der Revolution sollten sie Wellen von Volksaufständen entfachen.
Unser Aufruf an unser Volk lautet in diesem Kontext wie folgt: Bewahrt eure Einheit. Die nationale Einheit ist zweifellos für alle vier Teile Kurdistans von Bedeutung. Doch jeder Teil Kurdistans muss seine Einheit intern sicherstellen und seine Organisation aufbauen und darf angesichts der feindlichen Praktiken nicht schweigen, sondern muss sich verteidigen. Der Feind greift die kurdischen Frauen und die kurdische Jugend auf verschiedene Arten an. Dagegen müssen wir den revolutionären Volkskrieg stärken, die Angriffe des Feindes zurückschlagen und den Weg zur Freiheit von Rêber Apo und Kurdistan ebnen. Daran müssen wir glauben. Auf dieser Grundlage müssen wir erkennen, dass wir Kraft und Willensstärke besitzen. Die größte Stärke liegt im Volk selbst – in uns selbst! Daran muss jeder Patriot, jede Patriotin festhalten.
Die Befreiung Kurdistans wird nicht allein durch Wahlen erreicht werden. Wahlen mögen eine Taktik unter vielen sein, doch wahre Freiheit erwächst aus der Kraft des Volkes, der Mobilisierung des Volkes, dem revolutionären Volkskrieg und allen Formen politisch-gesellschaftlicher Kämpfe für eine demokratische Nation. Alle müssen sich dieser Aufgabe stellen. Wir sind überzeugt, dass das 40. Jahr ein Jahr werden wird, in dem der kurdische Freiheitskampf erblüht. Das ist unsere Hoffnung und unsere feste Überzeugung.
In dieser Hoffnung und Überzeugung wünschen wir allen Arbeiterinnen und Arbeitern, dem gesamten patriotischen Volk sowie all unseren Freundinnen und Freunden größten Erfolg im Geiste des 15. August beim Kampf um die Freiheit von Rêber Apo und Kurdistan. Im 40. Jahr des Kampfes wird der Geist von Menschen wie Egîd und Zîlan noch viel deutlicher spürbar sein. In diesem Sinne gratulieren wir nochmals zum Tag der Wiedergeburt und senden euch allen unsere revolutionären Grüße und unseren Respekt. Und wir rufen: ‚Es lebe der Geist des 15. August!‘, ‚Es lebe der revolutionäre Volkskrieg!‘, ‚Jin Jiyan Azadî!‘, ‚Bijî Serok Apo!‘“