Drei Guerillakämpfer:innen in Metîna gefallen

Die Guerillakämpfer:innen Viyan Mêrdîn, Serhildan Tekoşer und Ferhad Bane sind im Widerstand gegen die türkische Invasion in Metîna gefallen.

Das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) hat die Namen von drei in Metîna gefallenen Guerillakämpfer:innen veröffentlicht. Viyan Mêrdîn, Serhildan Tekoşer und Ferhad Bane sind in den vergangenen Wochen im Widerstand gegen die türkische Invasion in Südkurdistan ums Leben gekommen. Die HPG würdigen die Gefallenen als führende Freiheitskämpfer:innen, die in die Widerstandsgeschichte des kurdischen Volkes eingegangen sind. „Ihre opferbereiten Persönlichkeiten, ihr leidenschaftlicher Freiheitsdrang und ihr großer Einsatz werden in Erinnerung bleiben und in unserem Kampf weiterleben“, erklären die HPG und sprechen den Angehörigen der Gefallenen und dem Volk Kurdistans ihr Beileid aus.

                            

Codename: Viyan Mêrdîn
Vor- und Nachname: Leyla Elçioğlu
Geburtsort: Mêrdîn
Namen von Mutter und Vater: Emine – Seyfettin
Todestag und -ort: 1. Juli 2023 / Metîna

 

Codename: Serhildan Tekoşer
Vor- und Nachname: Murat Akyol
Geburtsort: Şirnex
Namen von Mutter und Vater: Besna – Sefer
Todestag und -ort: 19. Juni 2023 / Metîna

 

Codename: Ferhad Bane
Vor- und Nachname: Behruz Ubeydî
Geburtsort: Bane
Namen von Mutter und Vater: Zêrîn – Abdullah
Todestag und -ort: 25. Juni 2023 / Metîna


Viyan Mêrdîn


Viyan Mêrdîn ist in Nisêbîn in der Provinz Mêrdîn geboren. Der Landkreis ist für seine Nähe zur kurdischen Befreiungsbewegung bekannt und Frauen spielten in den wiederkehrenden Volksaufständen eine führende Rolle. Basierend auf dem Erbe der neolithischen Kultur haben Frauen maßgeblich dazu beigetragen, die kurdische Sprache und Kultur vor den Assimilierungsversuchen des türkischen Staates zu schützen. Angesichts der brutalen Unterdrückung und der stattfindenden Massaker haben sie auch bewaffneten Widerstand geleistet. Viyan ist in eine Familie hineingeboren, die dieser Tradition folgte. Ihr Onkel Abdullah kam 1996 im Befreiungskampf ums Leben und sein Tod hatte einen großen Einfluss auf die gesamte Verwandtschaft. Für Viyan war bereits in früher Jugend klar, dass sie Freiheitskämpferin werden wollte. Sie hatte die Auswirkungen der Unterdrückung ihres Volkes ständig vor Augen und wollte dagegen kämpfen. Ein anderer Grund war die traditionelle Frauenrolle in der Gesellschaft, gegen die sie sich auflehnte. Den letzten Ausschlag gaben die Angriffe auf die Revolution von Rojava, die Viyan in Nisêbîn aus unmittelbarer Nähe beobachten konnte. Sie ging über die Grenze nach Nordsyrien, machte eine kurze militärische Ausbildung und kam sofort in eine bewaffnete Einheit. Es herrschte Krieg und Viyan musste sich in militärischer Hinsicht schnell entwickeln. Ihr war bewusst, dass der Widerstand gegen die ständigen Angriffe neben militärischer Disziplin auch ideologischen Tiefgang und Entschlossenheit erforderten. Während sie sich an den Befreiungsoffensiven gegen den selbsternannten „Islamischen Staat“ beteiligte, bildete sie sich auf allen Ebenen weiter und wurde zu einer führenden Kämpferin. Abdullah Elçioğlu (Çekdar), ein Verwandter von Viyan, kam im Kampf gegen die Islamisten ums Leben, wodurch ihre Entschlossenheit und Wut noch größer wurden. Als der IS die ezidische Bevölkerung im Nordirak angriff, ging Viyan nach Şengal und kämpfte dort weiter. Anschließend kehrte sie zurück nach Rojava und machte eine Spezialausbildung in Sabotagetaktiken. Ihre erlernten Kenntnisse nutzte sie, um vom IS gelegte Sprengfallen zu entschärfen und Massaker an der Zivilbevölkerung zu verhindern. 2017 nahm sie am Widerstand gegen die türkischen Angriffe auf die Autonomieregion Nord- und Ostsyrien teil und wurde bei einem Luftangriff in der Nähe von Minbic verwundet. Nach ihrer Genesung übernahm sie das Kommando über eine bewaffnete Einheit. Ende 2019 ging sie zur Guerilla in die kurdischen Berge und hielt sich zur Weiterbildung an der nach dem legendären Guerillakommandanten Mahsum Korkmaz benannten Akademie auf. Dort hatte sie die Gelegenheit, sich mit ihrer bisherigen Praxis und ihrer eigenen Persönlichkeit auseinanderzusetzen, die Frauenbefreiungsideologie wurde zu einem Schwerpunkt für sie. Mit ihrer militanten Haltung, ihrer Lebensfreude und ihrem musikalischen und schauspielerischen Talent gab sie ihren Weggefährt:innen Moral. Aus der Fortbildung ging sie als Kommandantin einer Einheit der Frauenguerilla YJA Star (Einheiten Freier Frauen) hervor und war anschließend zwei Jahre lang in Gare, wo sie sich vor allem am Aufbau der Infrastruktur und der Errichtung von Tunnelanlagen beteiligte. Als die türkische Invasion in den Regionen Zap, Metîna und Avaşîn begann, kämpfte sie in einer mobilen Einheit in Metîna. Sie nahm an vielen Aktionen gegen die Invasoren teil und nutzte dabei mit großem Geschick die neuen Guerillataktiken. Viyan Mêrdîn ist am 1. Juli bei einem Angriff der türkischen Armee in Metîna ums Leben gekommen. Ihr Kampf geht weiter.

Serhildan Tekoşer


Serhildan Tekoşer ist in Silopiya in der Provinz Şirnex geboren und in einem patriotischen Umfeld aufgewachsen. Die PKK war ihm bereits als Kind ein Begriff, als Heranwachsender wurde er in der kurdischen Jugendbewegung aktiv. Dabei wurde ihm bewusst, dass der türkische Staat auf vielen verschiedenen Ebenen versucht, die Jugend vom Freiheitskampf abzuhalten und ihrer Identität zu berauben. Gegen diese speziellen Methoden der Kriegsführung ging er vor, indem er bei sich selbst begann und die Auswirkungen auf ihn und andere junge Menschen zu beheben versuchte. Als der IS 2014 Kobanê überfiel und der türkische Staat die protestierende Bevölkerung in Nordkurdistan angriff und in Silopiya und Cizîr sogar Kinder tötete, empfand Serhildan große Wut. Um die ermordeten Kinder zu rächen, schloss er sich 2015 der Guerilla an. In dieser Zeit begann die Umsetzung des beschlossenen Vernichtungsplans gegen die kurdische Bewegung und es fanden heftigere Angriffe als je zuvor statt. Serhildan widmete sich mit einem entsprechenden Bewusstsein und Verantwortungsgefühl seiner militärischen und ideologischen Ausbildung und passte sich schnell an das Leben in den Bergen an. Er entwickelte sich zu einem kompetenten jungen Kämpfer und übernahm kritische Aufgaben, die großes Vertrauen in ihn voraussetzten. Fünf Jahre lang arbeitete er unter dem Kommando von Bedran Gundikremo. Bei dieser Arbeit fiel er dadurch auf, dass er sich immer für die schwierigsten Aufgaben vorschlug und alles daran setzte, dabei erfolgreich zu sein. Zweimal wurde er bei feindlichen Angriffen verletzt, seine schnelle Genesung wurde durch seine Verbundenheit mit dem Freiheitskampf begünstigt. Als die türkischen Besatzungsangriffe auf die Medya-Verteidigungsgebiete begannen, ging er nach einem ideologischen und militärischen Bildungslehrgang auf eigenen beharrlichen Wunsch an die Front und kämpfte in einer beweglichen Einheit. Er beherrschte mittlerweile den professionellen Gebrauch verschiedener Waffengattungen und unterstützte mit seiner Einheit zunächst den Tunnelkrieg im Widerstandsgebiet Girê Amêdî. Danach kam er nach Metîna, wo er seinen Kampf entschlossen fortsetzte und nebenbei seine Kenntnisse an seine Weggefährt:innen weitergab. Serhildan Tekoşer kam nach einer erfolgreichen Aktion gegen die türkischen Besatzungstruppen in Metîna am 19. Juni bei einem Angriff ums Leben. Er kämpfte bis zum letzten Atemzug für seine Überzeugungen.

Ferhad Bane


Ferhad Bane ist in Bane in Ostkurdistan (Rojhilat) geboren. In Rojhilat gibt es seit Hunderten eine Widerstandstradition, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Der PKK schlossen sich besonders viele Menschen nach der Verschleppung von Abdullah Öcalan in die Türkei im Jahr 1999 an. Damit wurde eine neue Bewegung eingeläutet, die sich bis heute fortsetzt. Hunderte junge Menschen aus Rojhilat gingen als Militante nach Rojava, Bakur, Şengal und Başûr, um dort bewaffnet zu kämpfen, wo sie gerade gebraucht wurden. Einer von ihnen war Ferhad. Er beschäftigte sich mit den verschiedenen Kämpfen in Kurdistan und war vor allem von der Revolution in Rojava fasziniert. Die Philosophie von Abdullah Öcalan und die darauf basierende Befreiungsbewegung beeindruckten ihn und er wollte ein Teil dessen werden. 2020 ging er in die Berge und schloss sich der Guerilla an. Sein Weg in die Berge war ein bewusste Entscheidung, die aus einem hohen Anspruch an sich selbst hervorging. Er trat vorbehaltlos und mit großer Entschlossenheit ins Guerillaleben ein. In seiner Ausbildung beschäftigte er sich intensiver mit der apoistischen Ideologie und bereitete sich auf den militärischen Kampf vor. Obwohl er noch neu war, gewann er aufgrund seiner Haltung schnell das Vertrauen seiner Mitkämpfer:innen. Wenn er in der Praxis auf Probleme stieß, analysierte er die Ursachen und suchte nach Lösungswegen. Nach einem Aufenthalt in Qendîl ging er mit einer mobilen Einheit nach Metîna und nahm an zahlreichen Aktionen gegen den Feind teil. Er machte ständig Pläne für den erfolgreichen Ablauf von Aktionen und steckte seine Weggefährt:innen mit seinem Enthusiasmus an. Ferhad Bane kam am 25. Juni bei einem feindlichen Angriff in Metîna ums Leben. Die HPG würdigen ihn als unvergesslichen Militanten.