Seit bald zwei Wochen steht das kurdische Dorf Bilbês bei Elkê (tr. Beytüşşebap) unter Belagerung der türkischen Armee. Unter dem Vorwand, Mitglieder der PKK-Guerilla zu „neutralisieren“, wird die Ortschaft in der Provinz Şirnex (Şırnak) seit dem 29. Juli vollständig von der Außenwelt abgeriegelt. Zwar lief eine eigens für die „Operation“ vom verantwortlichen Gouverneur über Bilbês verhängte Ausgangssperre vor genau einer Woche wieder aus. Der vom Militär gezogene Belagerungsring um das Dorf wird jedoch immer enger.
Den fünften Tag in Folge kommt es in der Gegend um Bilbês zu heftigen Angriffswellen aus der Luft. Türkische Kampfflugzeuge bombardieren unmittelbar an den Ort grenzende Wald- und Hügelgebiete, weil sich dort Mitglieder der Volksverteidigungskräfte (HPG) und Verbände freier Frauen (YJA Star) aufhalten sollen, die sich Gefechte mit türkischen Soldaten lieferten. Ein Ende des Armeeterrors ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Am Donnerstag wurden mehrere Kampfpanzer vor das Dorf verlegt. Die türkische Armee scheint die Militärgewalt noch verstärken zu wollen.
Für die Bewohnerinnen und Bewohner von Bilbês sind die Folgen der Belagerung verheerend: Vieh kann nicht geweidet und Land nicht bestellt werden – zusätzlich zu einer massiven Einschränkung im Alltagsleben. Darüber hinaus ist die Gefahr, verhaftet zu werden, allgegenwärtig. Am 1. August führte die Gendarmerie mehrere Razzien in Bilbês durch. Drei Mitglieder einer im Dorf ansässigen Familie seien von einer Staatsanwaltschaft in Şirnex zur Fahndung ausgeschrieben worden, ließ die Militärpolizei verlauten. Der Vorwurf laute auf Unterstützung für eine „Terrororganisation“.
Bei den Gesuchten handelte es sich um Izzettin C., seinen Sohn und einen Neffen. Ersterer wurde bei den Razzien angetroffen und nach mehr als 24 Stunden in Gewahrsam beim örtlichen Sicherheitskommando der Gendarmerie an die Strafkammer in Şirnex überstellt. Das Gericht ordnete nach einer Vernehmung die Freilassung von C. unter Meldeauflagen an. Weil der Staatsanwalt gegen die Entscheidung des Gerichts jedoch Beschwerde einlegte, wurde C. inzwischen verhaftet. Er sitzt in einem Hochsicherheitsgefängnis in der Provinz. Ob und wann Anklage erhoben wird, ist ungewiss.
Die Dorfbevölkerung von Bilbês hat derweil einen Appell an die Politik und Zivilgesellschaft gerichtet. Sie fordert Abgeordnete und Handelnde von Menschenrechtsorganisationen auf, umgehend eine Delegation zu entsenden. „Unser Dorf benötigt eine diplomatische Offensive, bevor sich die Lage der Zivilbevölkerung weiter verschlechtert“, heißt es in einem Aufruf.