Dilşêr Herekol: Kommandant der Verteidigung von Şengal gefallen

Der Guerillakommandant Dilşêr Herekol war einer der zwölf HPG-Kämpfer, welche die Ermordung von über 100.000 Ezid*innen durch den IS verhindert hatten. Das HSM gab nun bekannt, dass der legendäre Kämpfer im Oktober 2020 gefallen ist.

Der Widerstand, den zwölf Guerillakämpfer gegen den Ansturm der Horden des IS auf die Şengal-Region im August 2014 leisteten, ist legendär. Während tausende Peschmerga der PDK noch vor Einmarsch des „Islamischen Staat” (IS) über Nacht das Weite suchten und die Menschen scheinbar schutzlos dem IS überließen, und die Welt beim beginnenden Genozid zusah, sicherten zwölf Guerillakämpfer unter dem Kommando von Hüseyin Acar (Dilşêr Herekol) die Flucht von mehr als einhunderttausend Ezid*innen und verteidigten das Şengal-Gebirge gegen die gewaltige IS-Übermacht.

Bei Gefecht in Hatay gefallen

Das Volksverteidigungszentrum (HSM) gab nun bekannt, dass der Kommandant Dilşêr Herekol in den Amanos-Bergen bei Hatay in einem Gefecht mit der türkischen Armee zwischen dem 18. und 19. Oktober gefallen ist. In der Erklärung heißt es: „Die Information, dass bei einem Gefecht während der Operation in den Amanos-Bergen unser Kommandant und Genosse Dilşêr Herekol (Hüseyin Acar), der Verantwortliche für den legendären ersten Widerstand, mit dem der Genozid an der ezidischen Bevölkerung verhindert wurde, gefallen ist, wurde nun leider zur Gewissheit. Wir sprechen der werten, patriotischen Familie Dilşêrs, dem ezidischen Volk in Şengal und den widerständigen Menschen in Botan, aber auch dem gesamten patriotischen Volk von Kurdistan unser aufrichtiges Beileid aus. Wir geben erneut unser Wort, die Ziele der Gefallenen zu verwirklichen und bis zur Freiheit weiterzukämpfen.“

Codename: Dilşêr Herekol

Vor- und Nachname: Hüseyin Acar

Geburtsort: Dih (Eruh)

Namen von Mutter und Vater: Emine – Abdullah

Todestag und -ort: 19. Oktober 2020 / Amanos


Das Erbe des 15. August

Wie das Volksverteidigungszentrum berichtet, stammte Dilşêr Herekol aus dem Dorf Torik (tr. Yanılmaz) in der Nähe der Widerstandshochburg Dih in der nordkurdischen Provinz Sêrt (Siirt). In Dih fand die erste Aktion der Guerilla am 15. August 1984 statt. Herekol wuchs mit den Berichten über den Widerstand und seinen Kommandanten Egîd (Mahsum Korkmaz) und der vom Befreiungskampf geprägten Kultur in Botan auf. Da sein Dorf ablehnte, als Dorfschützer für den türkischen Staat zu arbeiten, wurde es 1994 zerstört und Dilşêr Herekol musste mit seiner Familie in die türkischen Metropolen migrieren. Schon in jungen Jahren trat er 1997 der Guerilla in der Region Amanos bei.

Aus syrischer Haft zurück in die Berge

Als er beim Rückzug 1999 die Medya-Verteidigungsgebiete zu erreichen versuchte, wurde er vom syrischen Regime gefangengenommen und blieb drei Jahre in syrischer Haft. 2002, nach seiner Freilassung, ging er wieder in die Berge. Nachdem er ein Jahr in den Medya-Verteidigungsgebieten war, ging er 2003 in die nordkurdische Region Gabar. Er spielte eine wichtige Rolle bei der Guerillaoffensive, die am 1. Juni 2004 begann.

Er wich nie zurück und erfüllte die Herzen des Feindes mit Furcht“

2005 wechselte er in die Zap-Region und 2007, nach einem längeren Aufenthalt in den Medya-Verteidigungsgebieten, nach Botan. Das HSM erinnert an ihn: „Dilşêr Herekol führte viele Aktionen in Botan an, fügte dem Feind schwere Schläge zu und befreite sich meisterhaft aus Hinterhalten. Er wurde zweimal schwer verletzt, wich aber nie zurück und erfüllte die Herzen des Feindes mit Furcht. In Botan reifte er zu einem erfahrenen Guerillakommandanten heran. Um seine Erfahrungen im revolutionären Volkskrieg und im Kommando zu teilen und mit einer ideologischen Ausbildung durch unsere Partei auf ein noch höheres Niveau zu bringen, ging er 2012 erneut in die Medya-Verteidigungsgebiete. Dort leistete er in der Ausbildung der vielen 2013–2014 neu beigetretenen Kämpferinnen und Kämpfer Großes und bereitete sie ausgezeichnet auf das Leben als Guerilla vor. Gleichzeitig war er als Kommandant in der Koordination tätig.“


Mit dem Şengal-Widerstand wurde er zur Legende

2014 begann der IS gestützt von der Türkei mit seiner rasenden Expansion. Die Massaker des IS-Faschismus erschütterten die Welt. Die PKK sah insbesondere die ezidische Bevölkerung von Şengal durch den IS bedroht und entsandte eine erste Gruppe von zwölf Kämpfern unter dem Kommando von Herekol nach Şengal. Trotz allen Hindernissen durch die PDK erreichte die Einheit die Şengal-Region. Sie versuchte, die Bevölkerung der bei Mossul gelegenen Region zu organisieren und auf den drohenden Angriff vorzubereiten. Aufgrund dieser Vorbereitungen konnten Dilşêr Herekol und seine elf Genossen den am 3. August 2014 beginnenden IS-Genozid aufhalten, die Flucht großer Teile der Bevölkerung ins Gebirge organisieren und dort die ezidische Bevölkerung verteidigen. Damit legten diese Guerillakämpfer den Grundstein für die Selbstverteidigung der Region durch die Widerstandseinheiten Şengals (YBŞ).

Mithilfe von Kämpferinnen und Kämpfern der HPG und YJA-STAR und der Unterstützung der YPG und YPJ konnten ein Fluchtkorridor für die Bevölkerung geöffnet, die Menschen evakuiert und Şengal Schritt für Schritt vom IS-Faschismus befreit werden. Das HSM schreibt: „Unser Genosse Dilşêr Herekol hat mit seinen großen Mühen, seiner Opferbereitschaft, seinem Mut, seiner Entschlossenheit und seinem umsichtigen Kommando einen Ehrenplatz im Herzen der Ezidinnen und Eziden aus der Şengal-Region erhalten. Viele Kinder, die in Şengal geboren wurden, erhielten seinen Namen. Bereits zu Lebzeiten wurde er zu einer Legende.“

23 Jahre lang Guerillakommandant

Anschließend kehrte Dilşêr Herekol 2016, nachdem sich die Şengal-Region selbst verteidigen konnte, zusammen mit den übrigen Guerilla-Einheiten in die Medya-Verteidigungsgebiete zurück. Immer wieder betonte er, dass der türkische Staat hinter dem IS-Terror stehe. Daher schlug er selbst vor, in den nordkurdischen Amanos-Bergen gegen den türkischen Faschismus weiterzukämpfen. Er wurde dort Mitglied der Gebietskommandantur der Widerstandsprovinz Amanos. Dort führte er bis zu seinem letzten Gefecht wichtige Widerstandsaktionen an. In der Erklärung des HSM heißt es: „Von Amanos in die Berge des Kolonialisten, von den Medya-Verteidigungsgebieten nach Botan, von Botan nach Şengal und dann wieder bis nach Amanos reichte sein Kampf. Überall zeigte er sich in diesen 23 Jahren als erfolgreicher apoistischer Kommandant und Beispiel eines Militanten.“