Das autonome Leben in Êzidxan lässt sich nicht verhindern
Die Eziden haben durch den Aufbau eigener Institutionen und einer Selbstverwaltung ein unumstößliches demokratisches Bewusstsein gewonnen.
Die Eziden haben durch den Aufbau eigener Institutionen und einer Selbstverwaltung ein unumstößliches demokratisches Bewusstsein gewonnen.
Die Ko-Vorsitzenden des Exekutivrats der KCK haben vor kurzem verkündet, dass sich die Guerillakräfte der HPG und der YJA-Star aus dem Şengal zurückziehen werden. Die Ezid*innen hätten sich organisiert und könnten sich selbst verteidigen, so die KCK. Es gebe positive Signale von Seiten des Iraks, die ezidische Selbstverwaltung und Selbstverteidigung zu akzeptieren.
Ohne Zweifel, wenn eine Bevölkerung organisiert und entschlossen ist, kann sie jede politische Kraft dazu bringen, ihr freies und demokratisches Leben zu akzeptieren. Mit dem Organisierungsgrad und dem Bewusstsein, das die Ezid*innen in den letzten Jahren entwickelt haben, werden sie natürlich ein freies und demokratisches Leben erreichen. Sie werden ihre Selbstverwaltung und Selbstverteidigung ausbauen, um weitere Massaker zu verhindern.
Der Angriff des IS am 3. August 2014 stellte einen historischen Wendepunkt dar. Êzidxan sollte durch einen Genozid ausgelöscht werden. Aus dieser Situation wurden die Ezid*innen von der Guerilla gerettet. Sie werden weder den Genozid vom 3. August, noch diejenigen, die sie vor dem Genozid gerettet haben, jemals vergessen. Zum Status quo ante gibt es keine Rückkehr. Deswegen ist es unabdingbar, die Selbstverwaltung durchzusetzen. Es ist für Şengal möglich, als Êzidxan ein autonomes Leben zu erreichen. Dafür wird sich die organisierte ezidische Gesellschaft mit ihren eigenen Räten selbstverwalten. Es gibt sowieso jetzt schon Räte und Selbstverwaltungen.
Wenn der Irak über die Eziden wie vor dem 3. August Herrschaft ausüben will, dann verliert hauptsächlich er selbst. Die Zukunft des Iraks wird auch von seiner Perspektive für Şengal abhängen. Die Anerkennung der Selbstverwaltung und Selbstverteidigung einer der ältesten Religionsgruppen der Geschichte, die schon 74 Genozide erlebt hat, ist ein wichtiger Schritt zur Demokratisierung des Irak. Akzeptiert der Irak die Autonomie von Êzidxan nicht und nutzt er den Rückzug der Guerilla zur Unterdrückung der ezidischen Bevölkerung, begeht er einen historischen Fehler und verpasst die Möglichkeit, sich selbst zu stärken. Insofern steht der Irak vor einer historischen Prüfung.
Die Ezid*innen haben den Geschmack eines Lebens in Selbstverwaltung und ohne Repression gekostet. Sie haben den Geist der Freiheit in sich aufgenommen. Auf diese Weise hat sich ihnen eine neue Welt eröffnet. Sie haben gesehen, dass sie mit ihrer eigenen Identität und ihren Weltanschauungen frei leben können. Wenn solch ein Geist einmal das Herz einer Gesellschaft erreicht, ist es schwer, diese Gesellschaft wieder wie früher zu beherrschen. Verzichten die Ezid*innen auf ihre Selbstverwaltung und Selbstverwaltung ergreifen, dann bedeutet das Selbstmord. Es würde bedeuten, den Genozid zu akzeptieren. Für diejenigen, die den 3. August erlebt haben, kommt es nicht in Frage.
Im Moment gibt es auf der Welt keinen legitimeren Kampf als den der Ezid*innen. Wenn die Legitimität eines Kampfes so stark ist, dann wird dieser Kampf mit Sicherheit gewinnen. Aufgrund dieser Legitimität haben sich die Kraft und die Möglichkeiten der Ezid*innen vervielfacht. Diese Kraft reicht für eine Selbstverwaltung aus und sie nimmt weiter zu. Es reicht aus, wenn die organisierten gesellschaftlichen Kräfte entschlossen und aufrecht bleiben.
Bei einigen Ezid*innen wird jedoch eine sehr formale Perspektive deutlich. Sie sehen nicht die Größe und die Tiefe ihrer Kraft. Sie nehmen nur wahr, was sie mit eigenen Augen sehen. Die Kraft der ideologischen, politischen und moralischen Werte verstehen sie nicht. Dabei haben die Ezid*innen eine solche gesellschaftliche und politische Legitimität erreicht, dass diese nicht nur einen Einfluss auf die eigene Gesellschaft ausübt, sondern auch auf die Stärke der Kurd*innen insgesamt. Die moralische Unterstützung, welche die YPG und die YPJ durch ihre Rolle bei der Rettung der Êzid*innen erhalten haben, trug auch zu Befreiung von Kobanê und vielen anderen Gebieten in Rojava bei. Die ganze Welt unterstützte die YPG und YPJ als Retter*innen der Ezid*innen in ihrem Widerstand in Kobanê. Dieser Fakt belegt, welche Stärke und Unterstützung die Ezid*innen für ihre Selbstverwaltung und Selbstverteidigung erhalten werden. Wenn es heute auf der Welt eine Gesellschaft gibt, gegen die sich niemand stellen können wird, dann sind es die Ezid*innen. Eine solche Gesellschaft zu unterdrücken, ist nicht ratsam.
Der ezidische Wunsch nach Selbstverwaltung und Selbstverteidigung ist realistisch und fundiert. In diesem Sinne hat der Abzug der Guerilla die Lage der Ezid*innen nicht geschwächt. Die Guerilla hat am 3. August 2014 den Völkermord verhindert. Sie hat Şengal befreit und bei der Entwicklung einer organisierten Gesellschaft eine Rolle gespielt. Auf diese Weise hat sie die Ezid*innen gestärkt. Die Ezid*innen sind jetzt bewusst und organisiert. Sie haben ihre eigenen Institutionen und ihre eigene Selbstverteidigung aufgebaut. Diese Institutionen gehören ihnen selbst. Wenn sie auf einem freien und demokratischen Leben bestehen, kann niemand ihre Selbstverwaltung und ihre Autonomie verhindern.