Bêrîtan: Haltung des Iran oder Fremdeinmischung sind inakzeptabel
Der Ko-Vorsitzende der Freiheits- und Demokratiebewegung Ostkurdistans (KODAR), Fûad Bêrîtan, hat sich im ANF-Interview über die aktuellen Entwicklungen im Iran geäußert.
Der Ko-Vorsitzende der Freiheits- und Demokratiebewegung Ostkurdistans (KODAR), Fûad Bêrîtan, hat sich im ANF-Interview über die aktuellen Entwicklungen im Iran geäußert.
Im Gespräch mit ANF hat sich der Ko-Vorsitzende der Freiheits- und Demokratiebewegung Ostkurdistans, Fûad Berîtan, zur Krise im Iran geäußert und den Konflikt der Islamischen Republik mit den USA sowie die aktuellen Entwicklungen im Mittleren Osten bewertet. Nach Einschätzungen Bêrîtans könne es zu einem Krieg mit dem Iran kommen, sollten die Forderungen der USA nicht erfüllt werden.
Bêrîtan wies darauf hin, dass sich die USA seit langem darum bemühen, durch eine Transformation des Iran den Mittleren Osten neu zu gestalten. Die Situation im Iran werde sich nicht mit einem reaktionären Ansatz ändern. Die KODAR werde weder die gegenwärtige Haltung des Iran noch eine Fremdeinmischung akzeptieren, sondern einen dritten Weg einschlagen, betonte Bêrîtan.
Warum besteht KODAR darauf, die Entwicklungen im Mittleren Osten als „Dritten Weltkrieg“ zu bezeichnen? Gibt es Anzeichen dafür?
Zunächst möchte ich Folgendes sagen: Nach unserer Auffassung, die von allen freiheitlichen Kräften geteilt wird, befinden wir uns in einer globalen Krise. Ein Zeichen hierfür ist die Tatsache, dass der Krieg in Mittelost bereits seit einem sehr langen Zeitraum andauert und die Kriegsparteien ein demokratischen Lösungsprogramm nicht entwickeln können.
Wir glauben, dass die autoritären Staaten wie der Iran, die Türkei, der Irak und Syrien sowie die globalen Mächte bestrebt sind, ihr Dasein zu verlängern, indem sie die Region in einen Krieg stürzen. Diese Mächte haben keinen Plan zur Überwindung der Krise. Egal ob es die großen oder kleinen Mächte sind, sie alle zielen darauf ab, die Region zu destabilisieren. Sie fischen im Trüben und streben danach, die Probleme durch Reformen zu verändern statt sie zu lösen.
Krise des zeitgenössischen Kapitalismus
Weshalb die Bezeichnung „Dritter Weltkrieg“? Der Dritte Weltkrieg ist ein Verteilungskrieg, um neue Grenzen zu ziehen. In diesem Krieg handeln sowohl Europa als auch die USA trotz aller Konflikte nach ihren eigenen Interessen. Diese Mächte wollen das System je nach Bedarf aufrechterhalten oder verändern. Es ist also nicht das Ziel, eine Lösung für die gegenwärtige Krise zu schaffen, bei der es sich um eine Krise des zeitgenössischen Kapitalismus handelt, sondern die Suche nach den Beziehungen aus der Zeit vor der Krise.
Der Dritte Weltkrieg begann mit dem Zerfall der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und setzte sich mit dem Golfkrieg fort. Mit den Kriegen im Irak, Iran, Syrien und Afghanistan hat er eine andere Dimension erreicht. Selbst die Volksaufstände in Ägypten, Tunesien und Libyen konnten keine Basis für eine Lösung bieten. Der Grund dafür ist klar: Es ist das Fehlen einer demokratischen Alternative und ein auf einem breiten Konsens in der Bevölkerung beruhender Lösungsvorschlag.
Wenn dies nun der „Dritte Weltkrieg“ ist, wie wird sein Ende aussehen? An welchem Punkt kommt der Konflikt zwischen den USA und dem Iran zum Vorschein?
Solange das globale kapitalistische System nicht aus dem anhaltenden Chaos heraus findet, wird das Problem im Mittleren Osten nicht gelöst werden können. Dies gilt auch für die Krise in Syrien und dem Iran. Ein militärischer Konflikt gegen Assad oder den Iran wird nicht als taktischer, sondern als strategischer Zug angesehen. Die Substanz der aktuellen Phase vertieft die gegenwärtige Krise. Sollten die globalen und regionalen Mächte einen Ansatz zur Bildung eines Rechtsstaats verfolgen, könnte die Krise zu einem gewissen Grad besänftigt werden. Allem Anschein nach versuchen die USA diese Methode hinsichtlich des Iran und der anderen krisengeplagten Länder anzuwenden. Sollten die Forderungen der USA nicht erfüllt werden, könnte es zu einen Krieg mit dem Iran kommen. Eine neue Kriegsfront würde solange aufrechterhalten werden, bis eine Lösung gefunden wird. Die Vereinigten Staaten bemühen sich darum, durch eine Transformation des Iran den gesamten Mittleren Osten neu zu gestalten. Die aktuelle Situation zu ändern, ist für die USA äußerst wichtig.
In welche Richtung wird sich die Situation des Iran entwickeln?
Die inneren Konflikte im Iran haben die Zahl neuer politischer Gruppierungen sichtbar erhöht. Im Iran ist im Grunde der Parallelstaat an der Macht. Dieser Parallelstaat versucht die Politik, Wirtschaft und den diplomatischen Bereich zu unterwandern und die Regierung Rohanis zu behindern. Bei Bedarf würde diese Struktur auch die Macht ergreifen. Die beste Strategie für den Parallelstaat oder anders ausgedrückt, für die Revolutionsgardisten bzw. die Armee der Wächter der Islamischen Revolution in der gegenwärtigen Lage würde sein, sich der Rohani-Regierung zu bemächtigen, die parallele Politik weiterzuentwickeln und ihre kurz- sowie langfristigen Eigeninteressen zu verteidigen.
Wie sehen die Beziehung des Iran im In- und Ausland aus?
Eine Möglichkeit, die die Islamische Republik in Erwägung ziehen könnte, wären taktische Vereinbarungen mit den benachbarten Staaten, um Zeit zu gewinnen. Damit könnte sie versuchen, die Lebensdauer des gegenwärtigen Systems zu verlängern. So sehen wir das. Kurzfristig könnte solch eine Strategie Erfolg bringen, aber auf lange Sicht handelt es sich nicht um einen sinnvollen Weg. Solange sich keine politische Lösung entwickelt, wird sich die derzeitige Krise nur weiter vertiefen.
Und wo stehen die Kurden?
Die Strategie und das Modell, das die Kurden vertreten, unterscheidet sich von anderen Modellen. Die Völker der Region befürworten heute nicht mehr die Aufrechterhaltung der Probleme aus der Vergangenheit. Sie wünschen sich ein demokratisches Modell, um durch radikalen Wandel einen Ausweg aus der Krise zu finden. Die Kurden führen diesen Wandel in der Region an und sind die Hauptakteure für Demokratie und Freiheit im Kampf gegen die Konfliktpolitik. Sie sind in der Lage, eine revolutionär-demokratische Kraft zu sein. Die Kurden sind der wesentliche Faktor für den demokratischen Wandel der Region. Für die Lösung der Probleme sind wir eine große und effektive Kraft und bieten insbesondere hinsichtlich des Dritten Weltkrieges eine Antwort.
Als die Freiheits- und Demokratiebewegung Ostkurdistans haben wir stets auf eine Lösung im demokratischen Rahmen bestanden. Für einen demokratischen Lösungsprozess haben wir eine Roadmap vorgelegt. Die Islamische Republik besteht allerdings auf ihrem alten Ansatz und hat gezeigt, dass ihr nicht nur der Wille zu einer demokratischen Lösung fehlt. Bei jeder noch so geringen Möglichkeit geht sie repressiv gegen alle demokratischen Kräfte vor, mit dem Ziel sie zu zerschlagen. Dieser Ansatz wird dem Iran keine positive Zukunft bringen. Indem wir als KODAR gemeinsam mit der PJAK (Partei für ein Freies Leben in Ostkurdistan) durch eine Analyse der Region demokratische Lösungsperspektiven aufstellten, haben wir unseren Willen und Glauben bekundet, mit unserem Projekt die Probleme des Iran bewältigen zu können.
Was genau steckt hinter dem Bestreben von KODAR?
Uns ist klar, dass sich die Situation im Iran nicht durch einen reaktionären Ansatz ändern kann. Wir bieten einen neuen politischen Horizont. Jeder muss auf die folgende Frage Antworten finden können: Wird ein demokratischer Weg vorgezogen oder eine Intervention externer Kräfte? Möchte man eine Situation wie in Syrien oder einen demokratischen Wandel durch politischen Intellekt? Wie wir bereits sagten, werden wir weder die gegenwärtige Haltung des Iran noch eine Fremdeinmischung akzeptieren. Wir sind der Meinung, dass der Iran nicht gezwungen ist, zwischen diesen beiden Optionen zu entscheiden. Die KODAR und andere progressive Kräfte, die für einen Wandel stehen, möchten einen dritten Weg einschlagen.
Eine Sache muss betont werden: Einen Tag nach Veröffentlichung unserer Roadmap leitete die Islamische Republik einen unannehmbaren Schritt ein und startete einen Angriff gegen unsere Kräfte und Menschenrechtsverteidiger in Ostkurdistan. Diese Haltung und andere Anzeichen haben gezeigt, dass die iranische Regierung keine demokratische Lösung oder den Dialog befürwortet. Der Standpunkt des Iran ist auf die Schwächung und Behinderung aller Demokratiekräfte ausgerichtet. Die Repräsentanten der Islamischen Republik waren bisher nicht in der Lage, auf die Wünsche der Bevölkerung einzugehen.
Ohne Anerkennung von Bürgerrechten keine Lösung der Krise
Die Vertreter der Islamischen Republik sind der Meinung, auf den Konflikt mit politischem, wirtschaftlichem und diplomatischem Druck reagieren zu können. In der Mentalität Teherans fehlt ein wichtiges Bindeglied: der Wunsch nach einer demokratischen Lösung im Rahmen von Bürgerrechten und Freiheiten. Wenn es nach den Aussagen iranischer Regierungsvertreter geht, meint man, die Regierung sei aus Sicht der Bevölkerung legitim und finde Akzeptanz. Dieser phantasievolle Ansatz hat die Krise nur vertieft und das Fehlen einer Lösungsperspektive hat weitere Tragödien verursacht. Wie kann denn eine Regierung, die die Rechte ihrer eigenen Bevölkerung nicht anerkennen will und nicht davon ablässt, mit eiserner Faust über sie zu wachen, eine Lösung für die tiefe Krise und das Chaos im Mittleren Osten schaffen? Die politische Zersplitterung und die ungelösten wirtschaftlichen, rechtlichen und gesellschaftlichen Fragen öffnen die Tür für eine Fremdeinmischung. Sollte der Iran keine aufrichtige Demokratisierung durchführen, wird er versuchen den Status quo zu bewahren, um sich so der Krise entgegenzustellen. Das wird die Situation allerdings nur noch weiter erschweren.