Aus Damaskus zur Guerilla

Serdem Qamişlo stammt aus einer arabisch-alawitischen Familie aus Damaskus. Er wollte Polizist werden, sympathisierte in der Anfangszeit der syrischen Aufstände mit der FSA, las in Konya Bücher von Abdullah Öcalan und ist heute bei der Guerilla.

Der HPG-Kämpfer Serdem Qamişlo stammt aus einer arabisch-alawitischen Familie aus Syrien, hat sich in Konya in der Türkei zum ersten Mal mit der PKK beschäftigt und ist jetzt bei der Guerilla. In den kurdischen Bergen hat er ANF gegenüber seine Geschichte erzählt.

Geboren wurde Serdem Qamişlo 1988 in Damaskus, wo er später Jura studierte. 2008 leistete er in Syrien seinen Militärdienst ab. Danach heiratete er, wie es den Traditionen seiner Familie entsprach. Er ist Vater eines Kindes. Als 2013 die Angriffe des IS und der Al-Nusra-Front begannen, ging er in die Türkei. Dort hörte er von einem Freund zum ersten Mal von der PKK. Er las die Verteidigungsschriften Abdullah Öcalans und schloss sich der Guerilla an.

„Ich wollte Polizist werden“

„Als ich an der Universität war, wollte ich eigentlich Polizist für das Regime werden. Ich habe zwei Jahre Jura studiert. Bei der Aufnahmeprüfung für den Polizeidienst bin ich durchgefallen, deshalb bin ich zum Militär gegangen. Ich habe zwei Jahre Militärdienst abgeleistet. Als ich damit fertig war, fingen die Aufstände gegen das Regime an. Ich habe gesehen, wie die Menschen gefoltert wurden und wie das Regime die Freiheit der Bevölkerung beschneidet. Dadurch haben sich meine Ansichten geändert, ich habe das Regime abgelehnt“, erzählt Serdem Qamişlo.

„Die FSA war am Anfang eine gute Bewegung“

In dieser Zeit lernte er verschiedene Strömungen kennen, die gegen die syrische Regierung rebellierten: „Die Freie Syrische Armee war am Anfang eine gute Bewegung, sie hatte ein Ziel, das sie verfolgt hat. Dann hat sie sich immer weiter davon entfernt, hat gestohlen und geplündert. Aus diesem Grund wurde sie von der Bevölkerung abgelehnt und ich habe mich ihr nicht angeschlossen. Dann gab es die Al-Nusra-Front, die im Namen der Religion entstanden ist. Sie hat alle Religionen außer dem Islam abgelehnt und ist grausam gegen andere Bevölkerungsgruppen und Glaubensrichtungen vorgegangen. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen. Genau wie das Regime hat sie die Menschen ins Gefängnis gesteckt und gefoltert. In ihrer Praxis und Denkweise hat sie sich nicht vom Regime unterschieden.“

„Öcalans Freiheitsperspektive war anders“

2013 flüchtete der heutige Guerillakämpfer in die Türkei: „Meine Reise durch die Türkei und Nordkurdistan führte mich zuerst nach Istanbul, Antalya, Nisêbîn und schließlich nach Konya. Dort fand ich Arbeit. Eines Tages war ich mit einem turkmenischen Freund aus Syrien unterwegs. Während wir die Straße entlangliefen, kam es zu einer Explosion in einem Gebäude des MIT und wir sahen eine Gruppe mit türkischen Fahnen, die sich dort versammelte. Ich fragte meinen Freund, ob die Menschen gegen den Staat protestieren. Er sagte: ‚Hier ist Konya, so etwas würden die Menschen niemals wagen. Sie protestieren gegen die PKK, weil sie glauben, dass die PKK für die Explosion verantwortlich ist.‘“

Ab diesem Moment begann Serdem Qamişlo, sich mit der PKK zu beschäftigen. Er recherchierte im Internet und las Bücher von Abdullah Öcalan. „Für mich waren das ganz neue Perspektiven. Ich begegnete zum ersten Mal einer solchen Definition von Freiheit. Innerhalb des Systems ist auf der Grundlage der liberalen Ideologie des Kapitalismus eine verdrehte Auffassung von individueller Freiheit entstanden. Wovon Rêber Apo [Abdullah Öcalan] spricht, ist die Freiheit der Gesellschaft, die auf Frauenbefreiung basiert.“

Bei den YPG in Qamişlo

Serdem Qamişlo kehrte nach Damaskus zurück und ging 2015 nach Qamişlo, um die Revolution von Rojava kennenzulernen: „Dort fiel mir erstes das autonome System auf, das die YPG aufgebaut hatte. Es wurde sofort verständlich, dass die YPG eine Volksarmee für Freiheit der Völker des Mittleren Ostens und der gesamten Menschheit sind, die gegen terroristische Organisationen wie den IS kämpft. Ich redete mit den Leuten von den YPG und stellte ihnen viele Fragen. Wir diskutierten über die Ideen von Rêber Apo und ich verstand immer mehr, dass er nicht nur für die Kurden kämpft, sondern dafür, dass alle Völker im Mittleren Osten frei und gleichberechtigt zusammenleben können. Deshalb, und um gegen den IS zu kämpfen, ging ich zum Asayiş der YPG in Qamişlo.“

Nicht nur mit der Waffe

2018 schloss sich Serdem Qamişlo schließlich der Guerilla an: „In den Bergen nahm ich zunächst an der Ausbildung für neue Kämpfer teil und beschäftigte mich mit ideologischen und militärischen Fragen. Ich begriff, dass der größte Kampf nicht mit der Waffe geführt wird, sondern den Kampf gegen die eigene Persönlichkeit im Leben bedeutet. Wir kämpfen nicht für die Gründung eines Staates oder um einen Staat zu verteidigen, sondern für die Freiheit aller Völker. Bei der Guerilla gibt es einen in jeder Hinsicht gleichberechtigten Umgang miteinander. Hier leben Frauen und Männer auf gleiche Weise. Das Leben bei der Guerilla ist völlig anders. Es ist egal, ob es heiß oder kalt oder die Bedingungen schwierig sind, wir unterstützen uns bei jedem Thema auf kollektive Weise. Dieses kameradschaftliche Gefühl gibt es an keinem anderen Ort, es macht den Kern der PKK aus.“