Die Bevölkerung von Camp Mexmûr leistet weiter Widerstand gegen den Versuch, das selbstverwaltete Geflüchtetenlager in Südkurdistan mit Stacheldraht einzuzäunen und irakische Polizeieinheiten zu stationieren. Das Camp südwestlich von Hewlêr (Erbil), der Hauptstadt der Kurdistan-Region Irak (KRI), wird seit Samstagmorgen von Polizei- und Militärkräften belagert. Ein Bewohner erlitt eine Schussverletzung, mehrere Wohnhäuser wurden von Kugeln getroffen.
Die KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) und die KJK (Gemeinschaft der Frauen Kurdistans) rufen dringend zur Unterstützung der Menschen in Mexmûr auf. Das KCK-Komitee für auswärtige Beziehungen gab eine Erklärung zu den Angriffen der irakischen Armee ab und teilte mit, dass die irakische Regierung bestimmte Entscheidungen mit Gewalt gegen die Bewohner:innen von Mexmûr durchsetzen will, die sich den Angriffen des faschistischen türkischen Staates widersetzen. In der Erklärung der KCK heißt es, dass der faschistische türkische Staat und seine Kollaborateurin PDK hinter dieser Maßnahme stehen.
„Der türkische Staat besetzt Başûrê Kurdistanê [Südkurdistan]Stück für Stück und will seine Grenzen bis Mosul und Kerkûk auszudehnen. Die Menschen in Kurdistan und im Irak kennen diese Ziele des faschistischen Chefs Erdogan in- und auswendig. Die Republik Türkei tut alles, um ihre Besatzungsoperationen auf den Irak auszudehnen, und versucht, jede Gelegenheit zu nutzen. Zu diesem Zweck begeht sie in Mexmûr, Şengal und anderen Gebieten systematisch Kriegsverbrechen gegen unser Volk und missachtet die Souveränität von Başûrê Kurdistanê und Irak“, warnt die KCK.
Die Bevölkerung von Mexmûr sei aus ihrer nordkurdischen Heimat vertrieben worden, weil sie sich dem türkischen Staat nicht unterworfen habe, so die KCK weiter. Das Lager stehe unter dem offiziellen Schutz der UNO und des Irak und werde ständig von der Türkei angegriffen: „Die unzureichenden Reaktionen der UNO und des Irak ermutigen den faschistischen türkischen Staat noch mehr. Die UNO und der irakische Staat hatten die Verantwortung, die Probleme der Menschen im Lager Mexmûr zu lösen und ihre Sicherheit zu gewährleisten. Was heute in Mexmûr geschieht, hat gezeigt, dass diese Kräfte, anstatt ihrer Verantwortung gerecht zu werden, versuchen, die ausgebliebene Lösung mit einem noch schwereren Verbrechen zu überdecken. Es wurden Waffen gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt, die aufgrund der Unterdrückung durch den rassistischen und faschistischen türkischen Staat und aus politischen Gründen zu Geflüchteten geworden ist und gegen ihren Willen belagert wird.“
Die Maßnahmen des Irak seien nicht mit den Menschenrechten und der Menschenwürde vereinbar. Das Vorgehen der irakischen Sicherheitskräfte führe zu keinen Ergebnissen und vergrößere die Problematik: „Es ist klar, dass die humanitären Probleme durch den Einsatz von Waffen und Gewalt gegen die Menschen wachsen werden. Aus diesem Grund fordern wir die irakische Regierung auf, auf den Einsatz von Waffen und Gewalt gegen die Menschen im Lager Mexmûr, die für ihre Würde leben, zu verzichten, den Dialog als Grundlage zu nehmen und zu versuchen, gemeinsam eine Lösung für die Probleme zu schaffen.“
Weiter erklärt die KCK: „Dieses Lager steht unter der Garantie der UNO. Es ist nicht möglich, dass die UNO die Gewalt gegen die Menschen nicht sieht. Dieses Schweigen macht die UNO zu einem Partner der Gewalt. Wenn dies nicht der Fall ist, muss die UNO handeln und ihrer Verantwortung bei der Lösung des Problems nachkommen. Die Gewalt gegen die Bevölkerung von Mexmûr ist eine Praxis, die dem türkischen Staat dient, der in Kurdistan und im Irak einmarschieren will. Gerüchten zufolge will der irakische Staat eine größere militärische Streitmacht gegen die Bevölkerung von Mexmûr entsenden. Wir hoffen, dass diese Informationen nicht wahr sind. Die richtige Haltung ist, eine Delegation zu ernennen, die befugt ist, die Probleme zu lösen und sich mit der Bevölkerung von Mexmûr zu treffen. Wir erwarten, dass der Irak die bisherige Tendenz unverzüglich aufgibt und die Probleme durch einen Dialog löst.“
KJK: Mexmûr soll zu einem Konzentrationslager werden
Ähnlich äußert sich auch die Koordination der KJK: „Die Menschen von Mexmûr wurden in den 1990er Jahren vom türkischen Staat verfolgt, woraufhin sie nach Südkurdistan auswanderten, sich nach vielen Orten in Mexmûr niederließen und dort ein neues Leben aufbauten. Sie kapitulierten nicht vor all den unmenschlichen Angriffen des Faschismus und Kolonialismus, der Verbrennung und Zerstörung ihrer Dörfer, Häuser und Leben, sondern leisteten bis zum Schluss Widerstand und ehrten die Menschlichkeit und das Kurdentum in höchstem Maße. Die tapferen Vertreter:innen der Bevölkerung von Botan haben die Wüste von Mexmûr zum Blühen gebracht und ihre Würde und Identität bis heute bewahrt. Die Frauen, Mütter und Jugendlichen von Mexmûr haben diesen Kampf immer angeführt, gestärkt und vorangetrieben. Sie haben sich allen Angriffen von IS, türkischem Staat und PDK tapfer widersetzt und diese Angriffe vereitelt. Nachdem die IS-Angriffe scheiterten, übten vor allem der türkische Staat und die PDK gemeinsam Druck auf das Lager aus, und es kam zu einem ganzheitlichen Angriffsprozess, der von einem Wirtschaftsembargo über ein Gesundheitsembargo bis hin zur Verhaftung und Ermordung von führenden Persönlichkeiten mit Killerdrohnen reichte. Als all diese Maßnahmen erfolglos blieben, wurde dieses Mal ein neues Angriffskonzept durch den irakischen Staat festgelegt.
Mexmûr ist ein Lager des freien Lebens, ein Lager des Widerstands. Nun wurde mit der Partnerschaft der PDK durch den irakischen Staat ein Konzept festgelegt, diesen freien Lebensraum mit Drähten zu umgeben und durch die Errichtung von Türmen unter militärischen Druck zu setzen. Camp Mexmûr, das durch die große Arbeit unseres Volkes, unserer Mütter und unserer Jugend in einen freien Lebensraum verwandelt wurde, soll in dieser Form in ein Konzentrationslager umgewandelt werden. Das hat unser Volk natürlich nicht akzeptiert und wird es nicht akzeptieren.
Wir begrüßen den Widerstand der Bevölkerung von Mexmûr und insbesondere der Mütter und Jugendlichen gegen diese Zumutung. Seit zwei Tagen leistet unser Volk Widerstand und zeigt, dass es diese Zumutungen nicht akzeptieren wird. Der irakische Staat kann dies nicht gegen den Willen eines Volkes durchsetzen, insbesondere nicht gegen den Willen eines Volkes, das große Massaker, Verfolgungen und Vertreibungen hinter sich hat. Es ist niemals akzeptabel, den Ort, an dem die Menschen leben, in ein Konzentrationslager zu verwandeln. Die Bevölkerung von Mexmûr hat bis heute niemandem etwas zuleide getan, im Gegenteil, sie hat gegen die Kräfte gekämpft, die dem irakischen und kurdischen Volk feindlich gesinnt sind. Sie hat das Land, in dem es lebt, aufopferungsvoll geschützt und einen Preis dafür bezahlt. Der irakische Staat sollte seine Politik und Planung in dieser Frage überdenken und ändern und einen demokratischen Ansatz wählen, der den Willen und die Forderungen des Volkes anerkennt und berücksichtigt. Die Menschen in Kurdistan und die Frauen sollten sich den Widerstand der Menschen in Mexmûr zu eigen machen, sie unterstützen, wo immer sie sind, und den Ring des Widerstands erweitern."