Der Nationalkongress Kurdistan (KNK) ist äußerst besorgt angesichts der Aggression der irakischen Behörden gegen das kurdische Flüchtlingslager Mexmûr. Das selbstverwaltete Camp südwestlich von Hewlêr (Erbil), der Hauptstadt der Kurdistan-Region Irak (KRI), wird seit Samstagmorgen von Polizei- und Militärkräften belagert. Hintergrund ist der Versuch, Mexmûr mit Stacheldraht einzuzäunen und die Stationierung von irakischen Polizeieinheiten durchzusetzen. Die Bevölkerung wehrt sich gegen eine Militarisierung des Lagers, es finden Proteste statt. Ein Demonstrant wurde angeschossen und wird operiert. Der Exekutivrat des KNK appelliert nun an das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR), umgehend einzuschreiten und die Aggression gegen die Menschen in dem Lager zu beenden:
„Heute Morgen haben irakische Streitkräfte das unter UNHCR-Schutz stehende Flüchtlingslager Mexmûr (Makhmour) mit Dutzenden von gepanzerten Fahrzeugen, Spezialkräften und Polizeieinheiten sowie Stacheldrahtzäunen umstellt. Mehr als zwei Jahrzehnte, nachdem sie 1994 aus ihren Häusern in Nordkurdistan (Türkei) vertrieben wurden, müssen die Menschen im Lager Mexmûr neue Bedrohungen und Herausforderungen ertragen.
Seit seiner Einrichtung ist dieses zivile Flüchtlingslager ein ständiges Ziel des türkischen Staates. Türkische Kampfflugzeuge und Drohnen (darunter auch bewaffnete Drohnen) überfliegen häufig das Camp, terrorisieren seine Bewohnerschaft und lassen die Menschen von Mexmûr im Ungewissen darüber, wann der nächste Angriff erfolgen wird. Das erklärte Ziel des türkischen Staates, des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und seines AKP/MHP-Regimes, war stets die Zerstörung des Lagers und die Beseitigung oder Vertreibung seiner Bewohner:innen. Die gesamte Ausrüstung des türkischen Militärs wird gegen dieses Flüchtlingslager eingesetzt, und es wird auch regelmäßig von der Demokratischen Partei Kurdistans (PDK) im Irak angegriffen, die eng mit dem türkischen Regime zusammenarbeitet.
Was der türkische Staat nicht erreichen konnte, will die irakische Regierung nun erreichen.
Das Lager Mexmuûr, in dem rund 11.000 Menschen leben, darunter Tausende von Kindern, die in die Staatenlosigkeit hineingeboren wurden, untersteht offiziell dem UNHCR. Leider zeigen das Schweigen und die Untätigkeit der Organisation nach den Drohungen und Angriffen auf das Lager, dass sie in ihrem Handeln eher mit den Interessen der herrschenden Parteien der Region übereinstimmt als mit ihrem erklärten Ziel, das Leben von Flüchtlingen und ihre Rechte zu schützen.
Das UNHCR ist in der Verantwortung und hat die diplomatischen und politischen Mittel, um den Irak, der 2016 ein Memorandum of Understanding mit der Organisation unterzeichnet hat, um den Schutz von Flüchtlingen und Asylsuchenden zu verbessern, davon abzuhalten, die Rechte der Flüchtlingsgemeinschaft von Mexmûr zu verletzen, und muss sofort eingreifen, um das Leben der Menschen zu retten, deren Häuser nun von irakischen Streitkräften umstellt sind. Dieses ungerechtfertigte, aggressive Vorgehen Iraks gegen eine große Zivilbevölkerung in Verbindung mit der miserablen Menschenrechtsbilanz der irakischen Sicherheitskräfte gibt Anlass zu ernster Besorgnis, und ein sofortiges Eingreifen ist unabdingbar.“
Mexmûr beherbergt größte kurdische Flüchtlingsgemeinschaft weltweilt
Das Flüchtlingslager Mexmûr steht offiziell unter dem Schutz des UNHCR, praktisch sind die Vereinten Nationen allerdings nur noch nominell präsent. Die Organisation verließ das Lager bei den Angriffen der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) im Jahr 2014 und kehrte danach nicht mehr zurück. Die meisten der fast zwölftausend Bewohnerinnen und Bewohner Mexmûrs waren in den 1990er Jahren aufgrund der Repression des türkischen Staates und der Politik der verbrannten Erde gezwungen, ihre Dörfer in der Botan-Region in Nordkurdistan zu verlassen. Nach einer mehrjährigen Odyssee und Aufenthalten in verschiedenen Camps haben sie 1998 am Rand der Wüste das Lager Mexmûr gegründet. Die Campbevölkerung bildet damit die größte kurdische Flüchtlingsgemeinschaft weltweit. Heute ist Mexmûr mit seinen tausenden Kindern eine Kleinstadt und trotz Armut, stetiger Bedrohung und Angriffen – ob durch die Türkei oder den IS – ein Ort des Friedens und der kollektiven Selbstbestimmung. Seit 2019 ist das Camp einem willkürlichen Embargo durch die Autonomieregierung in Hewlêr ausgesetzt.