Amed Malazgirt, einer der Kommandanten des zentralen Hauptquartiers der Volksverteidigung, hat sich in einer Sondersendung bei Stêrk TV zu den aktuellen Entwicklungen rund um die Türkei geäußert. Was der türkische Staat seit Jahren in Kurdistan tut, weitet er jetzt auf Libyen und das Mittelmeer aus. Er bildet Dschihadisten aus und lässt sie in Kurdistan, Syrien und Libyen kämpfen, erklärt Malazgirt. Nach ihren Kriegseinsätzen bekommen sie türkische Ausweise und somit einen offiziellen Status. Der HPG-Kommandant sieht darin eine ernste Gefahr für die gesamte Menschheit und betont, dass der türkische Staat jetzt gestoppt werden muss.
Wir veröffentlichen einen Ausschnitt aus dem TV-Interview.
Wie bewerten Sie die aktuellen politischen Entwicklungen in der Türkei und Kurdistan?
Die Politik des türkischen Staates im Mittleren Osten ist erfolglos. Er wollte sich als wesentliche Macht im Mittleren Osten präsentieren und ist dafür in politische Konkurrenz mit den westlichen Staaten getreten. Weil er damit keinen Erfolg hatte, hat er die militärische Seite in den Vordergrund gestellt. Seine Gesetzgebung ist nicht demokratisch und er macht seine Diktatur zum Gesetz. Auf diesem Stützpfeiler praktiziert er seine Gewalt und seine militärische Stärke. Das wird vom Ausland nicht akzeptiert und ist der Grund für seine Konflikte mit bestimmten Staaten. Um diese Widersprüche als Erfolg seiner neuen Politik zu präsentieren, stellt er seine militärische Stärke in den Vordergrund. Er bedroht seine Umgebung und demonstriert seine Stärke. Bis auf wenige Ausnahmen bestehen Widersprüche mit fast allen anderen Staaten.
Eigentlich wollte der türkische Staat diese Schritte schon früher setzen. Damals hatte er jedoch nicht die notwendige Stärke. Er will mit seiner aktuellen Politik seine Ziele erreichen, aber das wird ihm nicht gelingen. Mit seinen in den letzten Jahren erlangten technischen Möglichkeiten wird er von bestimmten Mächten auch ermutigt. Er vertraut auf die von außen kommenden Mittel und Ermutigungen und glaubt, dass er jeden Ort beherrschen kann. Um seine politischen Ziele zu erreichen, hat er weitreichende organisierte Strukturen geschaffen. Er stellt Konflikte zwischen den Völkern her und hat damit überall die Grundlage für Interventionen geschaffen. Seine militärischen Kräfte intervenieren überall in der Region.
In Kurdistan wird seit Jahren militärisch interveniert, jetzt findet die gleiche Intervention im Mittelmeer und in Libyen statt. Das haben wir vor langer Zeit vorhergesagt. Der türkische Staat hat es auf den Reichtum und die Bodenschätze in Kurdistan abgesehen, jetzt greift er auf dieselbe Weise im Mittelmeer und in Libyen ein. Wir haben das ja nicht umsonst gesagt. Das ganze geht auf höchster Ebene weiter. Er nennt seine osmanischen Träume Misak-i Milli, das ist es, was er anstrebt. Viele Seiten begreifen erst jetzt, wie schlechte Absichten der türkische Staat verfolgt. Dabei war sein Vorhaben offenkundig, er hat große Vorbereitungen getroffen und will viele Orte besetzen. Das tut er Schritt für Schritt und nutzt die PKK dabei als Vorwand. Er hat es auch auf die Errungenschaften anderer Völker abgesehen.
Als die Kurden außerhalb der PKK aus eigenem Willen bestimmte Schritte setzen wollten, wurden sie als gefährlich erachtet und in jeder Hinsicht überrannt. Das ist in allen Teilen Kurdistans so gewesen. Im Norden stehen die Kurden ohnehin täglich unter Druck, unschuldige und politisch aktive Menschen werden verhaftet. Einige NATO-Staaten, insbesondere die europäischen Länder, haben aus Eigeninteresse dabei zugesehen, wie der türkische Staat die Kurden angreift. Das hat die AKP/MHP-Regierung zu weiteren Angriffen ermutigt. Die PKK-Militanten und alle von der Philosophie Abdullah Öcalans beeinflussten Völker leisten Widerstand gegen diese Unterdrückung.
Darüber hinaus gibt es noch andere Entwicklungen. Unter dem Motto „Kerkûk gehört den Turkmenen“ sind über die MHP der türkische Geheimdienst MIT und von ihm organisierte Banden in Kerkûk positioniert worden. Dabei handelt es sich um ein langfristiges Vorhaben, für das im Moment Vorbereitungen getroffen werden. Auf derselben Ebene werden in Südkurdistan in Richtung Mossul militärische Stützpunkte errichtet. Wenn es den Widerstand der PKK nicht geben würde, wären die neoosmanischen Träume längst Wirklichkeit geworden. Was den türkischen Staat an der PKK stört, ist die Tatsache, dass sie seine Pläne und Projekte behindert. Er will militärische Erfolge verzeichnen, zu einer politischen Kraft innerhalb der internationalen Mächte werden, den Einfluss aller anderen ausschalten und sich vollständig im Mittleren Osten festsetzen. Aus diesem Grund hat er in Libyen eingegriffen. Mit dem IS und anderen Dschihadisten will er auch dieses Gebiet besetzen.
Ebenso wie die Besatzung in Nordkurdistan legitimiert und gesetzlich verankert wird, macht er es auch in Libyen und im Mittelmeer. Betrachtet man die Anspannungen mit Griechenland und anderen Ländern in der letzten Zeit, sieht man, dass zunächst eine Agenda hergestellt worden ist. Es wurde so getan, als ob Kräfte entsandt worden seien, das wurde zur Debatte gestellt. Als dann keine ernsthaften Reaktionen erfolgt sind, hat er wirklich eigene Kräfte entsandt. Wenn die Gegenseite einen Reflex zeigt, gibt er sich weicher, wenn keine Reaktion erfolgt, zeigt er sich noch härter. Das ist eine Taktik der AKP/MHP-Regierung. Wo auch immer der türkische Staat Raum einnehmen will, dürfen ihm keine Zugeständnisse gemacht werden. Denn wenn er einen Ort besetzt hat, will er weitere Gebiete einnehmen. Er will zur herrschenden Macht im Mittleren Osten werden. Weil er mit dieser Politik nicht weitergekommen ist, hat er auf den militärischen Weg gesetzt. Wenn er auch auf diesem Weg keine Ergebnisse erzielt, wird ein Zusammenbruch stattfinden. Der türkische Staat wird seine Gewinne mit eigener Hand zunichte machen.
Der türkische Außenminister hat kürzlich insbesondere den Turkmenen in Aussicht gestellt, dass auf Wunsch jeder türkischer Staatsangehöriger werden kann. Was steckt hinter dieser Erklärung?
Wir beobachten heute, dass der türkische Staat seine eigene Geschichte wiederholt. Der türkische Außenminister hatte ohnehin schon gesagt, dass alle, die sich als Türken oder Turkmenen betrachten, Staatsbürger werden können. Der türkische Staat bildet Dschihadisten der Al-Nusra-Front und des IS aus und lässt sie für sich kämpfen. Damit droht er der gesamten Welt. Die Dschihadisten bekommen so einen neuen Deckmantel. Sie bekommen einen noch offizielleren Anstrich und werden zu türkischen Staatsangehörigen gemacht. Dann lässt er sie kämpfen und positioniert sie in den von ihm besetzten Gebieten als eigene Staatsangehörige, um der Besatzung Dauerhaftigkeit zu verleihen. Die Dschihadisten, die er im Moment in Libyen einsetzt, wird er später mit Ausweisen versehen und einbürgern. Bei den meisten handelt es sich nicht um türkische Soldaten, sondern um IS-Dschihadisten und Leute, die dort in den Krieg gezogen sind. Das ist eine langfristige Strategie. Wie gesagt, wenn der türkische Staat jetzt nicht gestoppt wird, wird er zu einer Plage für die ganze Welt werden. Er trifft bewusste Vorbereitungen, um den Dschihadisten einen offiziellen Status zu verpassen. Das ist eine ernste Gefahr für die Menschheit.