AKP reißt Mehrheit in Tetwan rechtswidrig an sich
Nach der Absetzung von neun HDP-Stadtratsmitgliedern in der nordkurdischen Stadt Tetwan geht die Mehrheit an die Regierungspartei AKP.
Nach der Absetzung von neun HDP-Stadtratsmitgliedern in der nordkurdischen Stadt Tetwan geht die Mehrheit an die Regierungspartei AKP.
Nach der Absetzung von neun HDP-Stadtratsmitgliedern in der nordkurdischen Stadt Tetwan (Tatvan, Provinz Bedlîs/Bitlis) durch das türkische Innenministerium wurden die demokratisch gewählten Vertreter*innen der HDP suspendiert und die Mandate an Kandidat*innen der Regimepartei übertragen. Damit verfügt die AKP über eine Mehrheit im Stadtrat der Stadt am Wan-See. Diyar Orak von der HDP erklärt, dass die Entscheidung rechtswidrig und die Ermittlungen gegen die Abgeordneten mit dem Ziel, die Mehrheit im Stadtrat zu erlangen, eingeleitet worden seien. Die Stadtratsmitglieder waren unter dem Vorwand der „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation“ des Amtes enthoben worden. Weil die Ermittlungen gegen sie andauern, werden ihre Plätze nicht neu besetzt.
Wahlbetrug allein reicht AKP nicht aus, sich Mehrheit zu sichern
So verschob die AKP-Administration das Verhältnis von 14 Stadtratsmitgliedern der HDP zu elf der AKP hin zu fünf der HDP und elf der AKP. Schon bei der Wahl hatte die AKP nur mit knapper Mehrheit von 256 Stimmen das Bürgermeisteramt gewonnen. Wie in allen anderen kurdischen Landkreisen setzte sie dafür auch in Tetwan auf Geisterwähler, Militär und Polizei, um eine Mehrheit durchzusetzen. Aufgrund des Wahlbetrugs hatte die HDP einen Antrag auf Neuauszählung bei der türkischen Wahlbehörde (YSK) eingereicht. So waren beispielsweise 900 Wähler an drei Adressen gemeldet gewesen, in einer Wohnung waren es sogar 340 Wähler. Der Antrag wurde abgelehnt.
Ermittlungen nach Wahlen eingeleitet
Diyar Orak, Anwalt und HDP-Stadtratsmitglied, erklärt dazu: „Wir haben bei den Wahlen am 31. März von 25 Sitzen im Stadtrat 14 gewonnen und damit die Mehrheit. Anschließend erhielten zwei unserer Stadtratsmitglieder kein Mandat, weil sie aufgrund von Verordnungen im Rahmen des Ausnahmezustands aus dem öffentlichen Dienst entlassen worden waren. Sie wurden durch Nachrücker ersetzt. Am 20. Mai rief uns die Polizeidirektion an und erklärte, es gäbe eine Entscheidung des Innenministeriums bezüglich der Stadtratsitze und sie würden diese den Betroffenen direkt mitteilen. Als wir mit unseren Freundinnen und Freunden zur Polizeidirektion gingen, erfuhren wir, dass sie suspendiert werden sollen. Aufgrund von Verfahren gegen neun unserer 14 Stadtratsmitglieder habe der Gouverneur von Bitlis gefordert, dass sie des Amtes enthoben werden sollen. Diese Entscheidung wurde am 16. Mai vom Innenministerium bestätigt und entschieden, Maßnahmen zur Entfernung aus dem Amt einzuleiten.“
Rechtsanwalt Diyar Orak
„Es ging einfach nur darum, die Mehrheit zu gewinnen“
Orak erklärt weiter: „Uns wurde bis heute keine einzige Information hinsichtlich der Ermittlungen gegen uns mitgeteilt. Es wurden nicht einmal Aussagen von uns aufgenommen. Deshalb haben wir von dem Verfahren erst bei der Amtsenthebung erfahren. Dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen acht Stadtratsmitglieder am gleichen Tag einleitet, ist sicher kein Zufall.
In Paragraf 47 des Kommunalgesetzes wird die Absetzung von Stadtratsmitgliedern geregelt. Demnach kann ein Stadtratsmitglied, gegen das ermittelt wird, vorübergehend suspendiert werden. Allerdings muss sich das Verfahren auf seine Arbeit im Stadtrat beziehen. Die Verfahren gegen uns wurden aber eingeleitet, bevor wir überhaupt mit unserer Aufgabe begonnen haben, ja sogar bevor wir uns Mandate bekamen. Die Entscheidung des Ministeriums ist also juristisch nicht haltbar.“