Şirnex: Wohnungsvergabe gegen Wählerstimmen

Nach der großflächigen Zerstörung von Şirnex will die staatliche Wohnungsbaugesellschaft am 20. Juni neugebaute Unterkünfte in der Stadt übergeben.

In der nordkurdischen Provinzhauptstadt Şirnex (Şırnak) bestand vom 14. März 2016 bis zum 14. November 2016 eine Ausgangssperre. Während dieser 246 Tage und hinterher wurden über 70 Prozent der Stadt zerstört. Besonders betroffen waren die Stadtteile Gazipaşa, Yeşilyurt, İsmetpaşa, Dicle, Cumhuriyet, Bahçelievler und Yeni Mahalle. Viele Gebäude wurden durch den Artilleriebeschuss staatlicher Sicherheitskräfte zerstört, aber über 300 Wohnungen wurden im Nachhinein abgerissen, obwohl Stabilitätsgutachten vorlagen. Die entsprechenden Stadtteile wurden mit Stacheldraht umzäunt und die staatliche Wohnungsbaugesellschaft TOKI begann mit der Errichtung neuer Unterkünfte. Einschließlich der Kreisstädte Cizîr (Cizre), Hezex (Idil) und Silopî (Silopi) sollten in Şirnex 11.000 neue Wohnungen entstehen. Bisher ist jedoch lediglich der Rohbau von 6500 Wohnungen in Şirnex abgeschlossen.

In der Provinzhauptstadt wird davon ausgegangen, dass die Verzögerung mit den bevorstehenden Wahlen am 24. Juni zusammenhängt. Die Wohnungsübergabe ist als Wahlgeschenk für den 20. Juni geplant.

Ein Bewohner erklärte gegenüber ANF: „Die von der TOKI errichteten Wohnungen werden dazu benutzt, Druck auf uns auszuüben. Als die Stadt unter Beschuss gesetzt wurde und die Häuser über uns zusammenstürzten, als die Menschen vor unseren Augen brutal ermordet wurden und wir ohne Unterkunft dastanden, haben wir alles abgelehnt, was die AKP uns angeboten hat. Wie kann die Regierung jetzt von uns erwarten, dass wir sie am 24. Juni wählen werden? Was ist das bloß für eine niederträchtige Politik?“

Wohnungen gegen Wählerstimmen

Faire und rechtzeitige Entschädigungen für die Zerstörungen in der Stadt habe es nicht gegeben, erklärt der Bewohner weiter: „Vor uns liegen die Wahlen. Die AKP hat uns zwei Jahre lang hingehalten und will jetzt unsere Wählerstimmen für die Wohnungsvergabe. Wir wissen jedoch genau, was wir erlebt haben und wie wir uns künftig zu verhalten haben. Unzählige Male haben wir die kurdenfeindliche Politik des türkischen Staates miterleben müssen. Wir glauben den Lügen des Staates und der Regierung nicht mehr. Unsere Häuser sind zerstört worden, unsere Mitmenschen wurden ermordet, unsere Tiere wurden getötet. Monatelang haben wir im Winter ohne Unterkunft ausgeharrt und haben Schulden gemacht. An den Staat haben keinerlei Erwartungen. Und jetzt wird auf einmal behauptet, dass sich der Staat für uns einsetzen und uns unterstützen will? Jeder weiß, dass es ausschließlich um Wählerstimmen geht.“