Şehîd Rêber Zana – Ein Kommandant der modernen Guerilla des 21. Jahrhunderts

Ein Kampfgenosse in den freien Bergen Kurdistans erinnert sich an Rêber Zana, der am 11. Juni in Metîna in den Medya-Verteidigungsgebieten sein Leben verloren hat.

Seit dem 23. April versucht die türkische Armee, die Regionen Zap, Metîna und Avaşîn in den Medya-Verteidigungsgebieten in Südkurdistan zu besetzen. Eines der umkämpften Gebiete ist Zendûra in Metîna. Während eines Rückzugs der Guerilla aus Zendûra kam es drei Tage lang zu heftigen militärischen Auseinandersetzungen, bei denen am 11. Juni Rêber Zana, einer der Kommandanten der revolutionären Offensive Cenga Xabûrê in der Region Metîna, Hêjar Can, Têkoşer Farqîn, Bahoz Botan, Botan Kobanê und Nûman Demhat gefallen sind. Ein Kampfgenosse erinnert sich an Rêber Zana, wie er ihn als junger Guerillakämpfer das erste Mal traf und kennenlernte:

Es ist schockierend, wie sich in Sekundenbruchteilen Erkenntnisse wie ein Pfeil in unser Gehirn, in unser Herz bohren, lange bevor wir sie eigentlich vollkommen realisiert haben. So jedenfalls erging es mir vor einigen Tagen, als ich erst nur aus der Ferne schauend das Bild einiger gefallener Genossen erblickte und schon, ohne wirklich die Details erkennen zu können, nur von der Körperhaltung und einem unguten Gefühl im Bauch an dich dachte, Heval Rêber. Als ich dann genauer hinsah, bestätigte sich, was ich mit so einem klammen Gefühl geahnt hatte. Auch du solltest also nun in diesem Kampf unsterblich geworden sein.

Als ich dich das erste Mal traf, hattest du auf mich wohl die gleiche Wirkung wie bei allen anderen, die dich das erste Mal trafen. Ich dachte mir, ein sehr strenger Kommandant, ein wenig wütend. Das war, als ich vor ein paar Jahren in den freien Bergen Kurdistans im Lager für die neuen Kämpfer eintraf. Wie so viele andere auch sollte ich mich schwer in meinem ersten Eindruck getäuscht haben. Schon kurz darauf sah ich, mit welcher Herzlichkeit und Wärme du den Freund:innen eigentlich begegnetest, und dass dir viel daran gelegen war, die Werte und die Disziplin der Bewegung zu verteidigen. Sicherlich nicht die leichteste Aufgabe in einem Lager mit so vielen neuen Kämpfer:innen. Später sah ich dann, mit welcher Energie du keine Arbeit scheutest und immer wieder voller Ausdauer und Geduld den Freund:innen mit ihnen unbekannten Arbeiten zur Hand gingst, um sie im Guerillakampf zu schulen. Nachdem ich einige Monate dort verbrachte, hatte ich immer wieder das Glück, deinen Erlebnissen und Erzählungen zu lauschen, all den Erfahrungen aus mehr als 20 Jahren in den Reihen des kurdischen Freiheitskampfes.

Noch heute muss ich herzlich lachen, als du mir die Geschichte erzähltest, wie du damals mehrere Jahre in Mêrdîn (tr. Mardin) warst und nur allein mit zwei jungen, neuen Genossen unterwegs warst, als der faschistische, türkische Staat plötzlich eine Operation begann. Durch deine Erfahrung und deine Entschlossenheit konntest du mit einer so kleinen Zahl die komplette Besatzungsmacht in diesem Gebiet von mehreren hundert Soldaten in Angst und Schrecken versetzen und endlich in die Flucht schlagen.

Dann wiederum muss ich daran denken, wie du trotz all der Drohnen über unserem Gebiet zu uns kamst, um dich nach dem Luftangriff um alle zu kümmern, langsam unter einem Regenschirm sich mit kleinen Schritten vorwärts bewegend. Ich weiß noch, wie du damals, als wir zum ersten Mal die neuen Maßnahmen gegen die Drohnen vorgestellt bekommen haben, auf die Bedeutung und die Wichtigkeit dessen hingewiesen hast. Eine weitere Erinnerung, die mich oft schmunzeln lässt, ist, wie du uns damals alle kurz vor der Newroz-Feier dazu überredet hast, einen Chor zu bilden, um ein neu gedichtetes Lied mit dir zu singen. Dann wiederum sehe ich dich vor mir, wie du voller Inbrunst alles daran gesetzt hast, den Bären zu finden, der einige Vorräte aus dem Lager stibitzt hatte. Es sind so viele kleine Erinnerungen …

Seit nun einigen Jahren durchläuft die kurdische Freiheitsguerilla einen Modernisierungsprozess. Das Ziel ist, sich den gegebenen Umständen und der Veränderung der Kriegsführung, die immer mehr auf technische Waffen setzt, anzupassen. Es geht um nicht weniger, als eine völlig neue Guerilla, eine Guerilla des 21. Jahrhunderts zu schaffen. Damit gibt die kurdische Freiheitsbewegung auch eine klare Antwort auf die Frage des kapitalistischen Systems, ob nicht das Konzept Guerilla mit dem Ende des Realsozialismus in den 90er Jahren ausgedient hätte. Doch weder der Sozialismus ist am Ende noch der Guerillakampf als bestes Mittel der Unterdrückten, ihre Befreiung zu erreichen. Doch für solch eine fundamentale Veränderung, wie sie gerade in nur wenigen Jahren durchgeführt wird, und dies alles unter den ständigen, nicht abebbenden Angriffen des faschistischen, türkischen Staates und seiner NATO-Verbündeten braucht es Vorreiter, braucht es zuverlässige Kommandanten, die die Bedeutung dieser Veränderung sehen. Es ist nicht untertrieben, wenn wir davon sprechen, dass du genau solch eine Rolle erfüllt hast, dass du die Wichtigkeit dieses Wandels erkanntest und dort wo, es vielleicht am wichtigsten ist, bei denen, die gerade erst in die Fußstapfen der tausenden Gefallen treten, dort anzusetzen.

Auch wenn sich dein Herzenswunsch nicht erfüllte, noch einmal als Guerilla nach Bakur (Nordkurdistan) zu gehen, warst du doch bis zuletzt in Metîna an vorderster Front, und da bin ich ganz sicher, wirst all den jungen Freund:innen um dich herum viel Erfahrung und Kraft gegeben und bis zu deiner letzten Kugel unerschütterlich gekämpft haben. Wir wissen, dass der Feind sich an den vielen Tunneln in Metîna die Zähne ausgebissen hat und nur mit Hilfe niederträchtiger, hinterlistiger Methoden wie mit Giftgas eure mutigen Herzen bezwingen konnte. Doch wo ein Herz aufhört zu schlagen, fallen viele weitere in den Rhythmus ein. Wir werden deinen Kampf weiterführen, erfolgreich die Guerilla der demokratischen Moderne erschaffen, Bakur und ganz Kurdistan befreien.