HPG gedenken Alan Milazgîr und Sara Tolhildan

Der HPG-Kommandant Alan Milazgîr war seit 1994 bei der PKK, die Guerillaärztin Sara Tolhildan ging 2014 in die Berge. Sie sind bei einem selbstlosen Offensivschlag gegen die türkischen Besatzungstruppen in der Zap-Region gefallen.

Fedai-Aktion zur Verteidigung des Sîda-Widerstands

Der HPG-Kommandant Alan Milazgîr und die Guerillaärztin Sara Tolhildan sind im Tunnelwiderstand gegen die türkischen Besatzungstruppen in der Zap-Region ums Leben gekommen. Das machten die Volksverteidigungskräfte (HPG) am Freitag in einem Nachruf öffentlich. Zu den Todesumständen der beiden Gefallenen erklärten die HPG, dass Alan Milazgîr und Sara Tolhildan eine Fedai-Aktion gegen einen Stützpunkt durchgeführt haben, um Kämpferinnen und Kämpfer in einer Tunnelanlage vor Attacken der Besatzer zu schützen. Der von den HPG als „selbstloser Offensivschlag“ bezeichnete Angriff war den Angaben nach zum Schutz der nach Doğan Savaş benannten Tunnelanlage im Guerillagebiet Sîda gedacht und fand Ende Juni statt, ein ranghoher Offizier wurde getötet. Das unterirdische Tunnelsystem in Sîda war besonders massiv vom Einsatz chemischer Kampfstoffe und anderer geächteter Waffen durch die türkische Armee betroffen. Rund drei Jahre versuchten Invasionstruppen die Anlage einzunehmen.

„Angetrieben vom Geist des Apoismus haben unsere Freundinnen und Freunde, die am Tunnelwiderstand in Sîda beteiligt waren, einen schier übermenschlichen Willen gezeigt. Sie haben Historisches vollbracht, als sie den genozidalen und von der NATO hochgerüsteten Kolonialstaat Türkei und dessen Besatzungsarmee drei Jahre lang zurückschlugen. Alan Milazgîr und Sara Tolhildan sind zwei dieser Heldinnen und Helden. Die Spuren, die ihre Namen in der Geschichte hinterlassen, werden uns stets den Weg weisen“, erklärten die HPG. Zu den persönlichen Daten der Gefallenen machte die Organisation folgende Angaben:

                                

 Codename: Alan Milazgîr

Vor- und Nachname: Ender Budancer

Geburtsort: Mûş

Namen von Mutter und Vater: Hazal – Nusret

Todestag und -ort: 21. Juni 2024 / Zap

 

 

Codename: Sara Tolhildan

Vor- und Nachname: Leyla Aykut

Geburtsort: Adana

Namen von Mutter und Vater: Gevre – Aziz

Todestag und -ort: 21. Juni 2024 / Zap

 

Alan Milazgîr

Alan Milazgîr war Mitglied des Kommandorats der HPG und gehörte dem Operativen Führungskommando in den Medya-Verteidigungsgebieten an. Er stammte aus Milazgîr (tr. Malazgirt) in der Provinz Mûş und hat den schmutzigen Krieg des türkischen Staates im Kurdistan der 1990er Jahre miterlebt. Die Erfahrungen damals waren ausschlaggebend für seine Entscheidung, sich am 15. August 1994, dem zehnten Jahrestag des Beginns des bewaffneten Widerstands der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), der Guerilla anzuschließen. Sechs Jahre lang kämpfte er in den Reihen der HPG-Vorgängerorganisation ARGK in verschiedenen Gebieten der Botan-Region; es war die heiße Phase des Krieges. 2000 wechselte er in die Medya-Verteidigungsgebiete.


Die erste Phase in Südkurdistan nutzte Alan Milazgîr dafür, sich intensiver mit der Ideologie und Philosophie der kurdischen Befreiungsbewegung auseinanderzusetzen und das Paradigma ihres Vordenkers Abdullah Öcalan zu studieren. 2005 ging er im Rahmen des revolutionären Volkskrieges nach Nordkurdistan und kämpfte sieben Jahre lang in Dersim. Ab 2014 widmete er sich dem Widerstand gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS), darunter in Şengal. Er war maßgeblich an der Befreiung der Region beteiligt, deren ezidische Bevölkerung in jenem Jahr zum Ziel eines Genozids und Feminizids geworden war. Seit 2021 bis zu seinem Tod war Alan Milazgîr als Regionalkommandant der HPG im Zap im Einsatz. In dieser Funktion leitete er unter anderem auch die revolutionäre Guerillaoffensive „Bazên Zagrosê“.

Sara Tolhildan

Sara Tolhildan wurde als Tochter einer dem kurdischen Mamxurî-Stamm angehörenden Familie im südtürkischen Adana geboren. Aufgewachsen ist sie jedoch in Elkê (Beytüşşebap), der Heimatstadt ihrer Eltern in der kurdischen Provinz Şirnex, in einem von der Kultur und Tradition Kurdistans geprägten Umfeld. In einer Lebenswelt, die durch Krieg, Unterdrückung und Widerstand geformt ist, reifte sie zu einer reflektierten und aufgeklärten Persönlichkeit heran.


Zum Studieren ging Sara Tolhildan nach Amed (Diyarbakır). Sie war an der medizinischen Fakultät der Universität in der Widerstandshochburg eingeschrieben und lernte zu dieser Zeit die Revolutionäre Jugend Kurdistans kennen. Zwar hatte sie bereits als Kind die Widersprüche erlebt, die sich aus der antikurdischen und frauenfeindlichen Mentalität des türkischen Staates ergeben. Bei der kurdischen Jugendbewegung widmete sie sich jedoch besonders intensiv den Spezialkriegsmethoden, die junge Menschen von ihrer Identität entfremden, und der patriarchalen Gesellschaftspolitik der Herrschenden. Dazu studierte sie die Schriften Öcalans und sein auf Frauenbefreiung, Radikaldemokratie und Ökologie basierendes Paradigma einer demokratischen Nation.

Sara Tolhildan war eine Frau mit einem alternativen Lebensentwurf, den sie in den Bergen Kurdistans umsetzen wollte. Es war die Hochphase des IS-Terrors in Rojava und Şengal, als sie die Universität im letzten Semester verließ und zur Guerilla ging. Da ein Ende der dschihadistischen Gewalt damals noch nicht absehbar war und der türkische Staat den im Sommer 2015 begonnenen Vernichtungskrieg gegen die kurdische Bewegung signalisierte, konzentrierte sich Sara Tolhildan direkt zu Beginn ihres Anschlusses an die Verbände freier Frauen (YJA Star) auf militärisches Fachwissen.


In diesem Rahmen war sie zunächst in der südkurdischen Avaşîn-Region im Einsatz. Neben ihren Leistungen an der Front war sie auch als Guerillaärztin tätig und pflegte erkrankte oder verletzte Kämpfer:innen. „Hevala Sara behandelte ihre Weggefährt:innen mit großer Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit. Mit ihrer ausgeprägten Freundschaft spürte sie den Schmerz ihres Gegenübers und gab Kraft und Moral.“ An die Zap-Front wechselte sie im Jahr 2021.

Die HPG sprachen den Angehörigen von Sara Tolhildan und Alan Milazgîr sowie dem kurdischen Volk ihr Beileid aus.