Wie aus einem armenischen Friedhof ein öffentliches WC wurde

Im Sommer 2017 ließ der staatliche AKP-Treuhänder in Wan-Ertemêtan einen armenischen Friedhof mit einer öffentlichen Toilette überbauen. Trotz Beschluss des Kulturministeriums wurden die Toiletten bis heute nicht abgerissen.

Antiarmenische und antikurdische Ressentiments sind spätestens seit der Republiksgründung integraler Bestandteil des türkischen Nationalismus. Ein weiteres Beispiel dafür lieferte im Sommer 2017 der von der AKP-Regierung in Wan-Ertemêtan (armenisch: Artamed, türkisch: Edremit) eingesetzte Treuhänder Atıf Çiçekli, nachdem die Kommunalverwaltung unter Federführung der kurdischen DBP (Partei der demokratischen Regionen) zuvor unter staatliche Kontrolle gebracht wurde. Çiçekli ließ auf einer archäologischen Fundstelle unter Denkmalschutz in der Ortschaft Xorkom (armenisch: Khorkom, türkisch: Dilkaya) einen armenischen Friedhof mit einer öffentlichen Toilette, Umkleidekabinen und einem Parkplatz überbauen.

Den Skandal aufgedeckt hatte die mittlerweile per Notstandsdekret geschlossene kurdische Nachrichtenagentur DIHA. Der armenische HDP-Abgeordnete Garo Paylan brachte die Überbauung des Friedhofs in der türkischen Nationalversammlung zur Sprache. Numan Kurtulmuş, damaliger Minister für Kultur und Tourismus versicherte, dass der Überbau innerhalb von 60 Tagen abgerissen werde. Dies sei vom Ausschuss für Kulturgutschutz beschlossen worden, teilte er mit. Geschehen ist dergleichen auch nach einem Jahr nicht. Mittlerweile werden die Umkleidekabinen von den Frauen aus der Gegend als Trauerhaus genutzt.

Erste Schädeltrepanation in Dilkaya

Von 1984 bis 1988 wurden der Siedlungshügel und die Nekropole von Dilkaya, 34 Kilometer südwestlich von Wan am Ostufer des Vansees (Gola Wanê) gelegen, durch den Archäologen Altan Çilingiroğlu (Ege Universität Izmir) erforscht. Auf dem Hügel wurde, neben frühbronzezeitlichen Schichten, auch Bebauung der urartäischen und vorurartäischen Eisenzeit nachgewiesen. In der Nekropole fanden sich früheisenzeitliche Steinkisten- und Kammergräber, sowohl mit Körper-, als auch mit Brandbestattungen, und mitteleisenzeitliche (urartäische) Urnengräber. Untersuchungen an den insgesamt 24 entdeckten Skeletten ergaben, dass hier die erste Schädeltrepanation, also die operative Öffnung des Schädels, an einem Menschen durchgeführt wurde.

In Khorkom/Dilkaya, dem Geburtsort des armenischen Malers Arshile Gorky, einem Wegbereiter des abstrakten Expressionismus, der Kunstschaffende der New Yorker Schule inspirierte, gäbe es gar keinen armenischen Friedhof, behauptete der Treuhänder Atıf Çiçekli erst vor wenigen Tagen wieder. Deshalb sei auch nicht vorgesehen, den Überbau abzureißen.