TEV-ÇAND: Dem kapitalistischen Bewusstsein ein kommunales Kunstverständnis entgegensetzen

Auf ihrer 7. Konferenz hat die kurdische Kulturbewegung TEV-ÇAND beschlossen, ihre Aktivitäten auszuweiten und damit der psychologischen Kriegsführung entgegenzutreten. Michael Panser wurde zum Symbol des internationalistischen Zusammenlebens erklärt.

Die Bewegung für demokratische Kultur und Kunst (ku. Tevgera Çand û Hunerê ya Demokratîk, TEV-ÇAND) hat die Ergebnisse ihrer 7. Konferenz veröffentlicht, die vom 21. bis 28. Januar in den von der Guerilla kontrollierten Medya-Verteidigungsgebieten in Südkurdistan mit der Teilnahme von 93 Delegierten durchgeführt wurde.

Eröffnet wurde die Konferenz mit einer Schweigeminute für die Gefallenen der Revolution. Nach der Wahl der Versammlungsleitung wurden zunächst die Perspektiven des Vordenkers der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, auf Kunst und Kultur sowie ein Schreiben des PKK-Generalsekretariats verlesen. Aus den Arbeitsberichten sowie Diskussionen über die politische Tagesordnung sind in Verbindung mit Kritik und Selbstkritik umfassende Pläne und Projekte entstanden. Im Rahmen der Konferenz wurden die im Prozess des Aufbaus einer demokratischen Gesellschaft zu Tage tretenden Unzulänglichkeiten der Arbeit von TEV-ÇAND analysiert und effektive Lösungsperspektiven entwickelt. Bei ausführlichen Diskussionen über die notwendigen Aktivitäten erarbeiteten die Delegierten wichtige Entscheidungen. Zudem ist ein neuer Vorstand gewählt worden, der in den nächsten zwei Jahren die Arbeiten leiten wird.

Den faschistischen Kräften auch kulturell entgegentreten

Die Teilnehmenden der Konferenz haben sich entschlossen gezeigt, die Offensive „Schluss mit Isolation, Faschismus, Besatzung: Zeit für Freiheit“ durch Kunst und Kultur auf effektive und kreative Weise zu unterstützen. Im 23. Jahr des „internationalen Komplotts” – wie die kurdische Gesellschaft die Zeitspanne zwischen Abdullah Öcalans erzwungenem Aufbruch aus Syrien am 9. Oktober 1998 und seiner völkerrechtswidrigen Verschleppung in die Türkei am 15. Februar 1999 nennt –  sei es unerlässlich, den Aufgaben der Zeit nachkommen. Der Kampf für die physische Freiheit Abdullah Öcalans soll ins Zentrum der Arbeit in den Bereichen Kunst, Kultur und Literatur rücken.

In tiefer Dankbarkeit und mit großem Respekt ist der Gefallenen des kurdischen Befreiungskampfes gedacht worden. Allen voran Kasım Engin, Atakan Mahir, Zekî Şengalî, Delal Amed und Diyar Xerib sowie den Vorkämpfer*innen der TEV-ÇAND: Sefkan, Mizgîn, Jinda, Hewlêr, Yekta, Rêzan, Berçem, Xelîl, Delila, Dilêr, Bawer, Daxistan, Zerdeşt, Viyan, Ronî, Zanin, Fedakar, Welat, Arjîn, Ronahî, Bager und Rubar. „Sie haben uns dahin gebracht, wo wir heute sind”, heißt es in der Abschlusserklärung. Es wurden Beschlüsse und Pläne gefasst, wie der Widerstand und das Leben der Gefallenen in den Bereichen Kunst und Kultur am Leben gehalten werden. Der Internationalist Michael Panser (Nom de Guerre: Bager Nûjiyan) wurde von TEV-ÇAND zum „Symbol des internationalistischen Zusammenlebens der Völker” erklärt, und Têkoşer Ereb zum „Künstlerischen Vorkämpfer der Demokratischen Nation”.

7. Konferenz von TEV-ÇAND

Im Konferenzbericht wird weiter ausgeführt: „Sowohl in unserer Region als auch in allen vier Teilen unseres Landes haben unsere Kunst- und Kulturarbeiten im Kontext von Krieg und den jüngsten Entwicklungen eine größere historische Bedeutung als je zuvor. Das System der kapitalistischen Moderne versucht sich durchzusetzen und am Leben zu halten, indem es sich durch Kunst und Kultur legitimiert. In Kurdistan wird diese Methode von den hegemonialen Staaten gegen die Kurden und die anderen Völker der Region angewendet. Die kolonialen und genozidalen Kräfte versuchen nicht nur mit politischen und militärischen Völkermordoperationen die Erfolge eines halben Jahrhunderts kurdischen Freiheitskampfes rückgängig zu machen, sie wollen gleichzeitig mithilfe kultureller Angriffe die totale Auslöschung des kurdischen Volkes erreichen. Im Rahmen der Konferenz wurde betont, dass ein breiter Widerstand gegen die kolonialen und faschistischen Kräfte auf dem Gebiet der Kunst und der Kultur notwendig ist und alle in diesem Bereich arbeitenden Kunstschaffenden, Intellektuelle, Autoren und Literaten jetzt mehr als je zuvor die Werte von Freiheit, Gleichheit, und Demokratie verteidigen und im Kampf gegen den Faschismus vereint sein müssen.”

Eine revolutionäres, demokratisches und kommunales Kunstverständnis

Entsprechend der von Öcalan in seinem Werk „Die Kurden gegen den Griff des kulturellen Völkermords verteidigen” dargelegten Ideen betont TEV-ÇAND den Platz, den die Werte der kurdischen Kultur und der Kurden in der Kultur der Menschheit einnehmen, und unterstreicht die Notwendigkeit von kulturellen und künstlerischen Aktivitäten in Kurdistan als vereinende Kraft zwischen den Völkern. Alle, die im Bereich der Kunst und Kultur tätig sind, müssten gegen die Sichtweise des globalen Systems, das die Kunst, ihre Wirkenden und ihre Identität zerstöre, einen radikalen und effektiven Kampf führen und ein Schaffen entwickeln, das auf einem revolutionären, demokratischen und kommunalen Verständnis von Kunst und Kultur basiert.

Gesellschaftliche Kunst gegen das kapitalistische Bewusstsein

Wie die 50-jährige Geschichte des auf diesen Werten basierenden Kampfes der Bevölkerung, der Guerilla, der Frauen und der politischen Gefangenen in die Kulturarbeit einfließen könne, wurde im Rahmen der siebten Konferenz von TEV-ÇAND ebenfalls ausgiebig diskutiert. Unter dem Motto: „Gesellschaftlichkeit ist die Existenzgrundlage der Kunst, Individualismus tötet die Kunst und ihre Schaffenden” will sich die kurdische Kulturbewegung einer Kunst entgegenstellen, die mit Individualismus, Populismus und einem „falschem Verständnis” von Freiheit die Ethik der Gesellschaft und ihre kommunalen Werte zerstört.

„Wir haben alle Annäherungen an die Kunst, die auf unsere kulturellen Werte herabschauen, die fern von Arbeit und Ethik sind, die seelenlos sind und der kapitalistischen Kulturlosigikeit folgen, verurteilt. All diesen falschen Ansätzen muss ein revolutionäres und demokratischen Kultur- und Kunstbewusstsein, basierend auf der Philosophie Abdullah Öcalans, entgegengestellt werden. Genauso muss die Philosophie der Befreiung der Frauen auf aktive und organisierte Weise im Bereich der Kunst vertreten sein, um dem patriarchalen, etatistischen und sexistischen Bewusstsein entgegenzutreten. Kunst und Kultur spielen eine wichtige Rolle beim Aufbau einer neuen Gesellschaft, basierend auf der Vorreiterrolle der Frauen. In diesem und in allen anderen Bereichen muss ein ideologischer Kampf sowie der Kampf für die Freiheit der Geschlechter und der Klassenkampf geführt werden.”

Die Bombardierung Kurdistans, das Abbrennen der Wälder, die Zerstörung materieller und gesellschaftlicher Werte, und die Besatzung durch koloniale Kräfte, insbesondere durch den Faschismus der türkischen AKP/MHP-Regierung, stellten eine „konkrete Manifestation der Vergewaltigungskultur und des Vergewaltigungsbewusstseins” dar. Die Teilnahme an der revolutionären, demokratischen Selbstverteidigung gegen diese Vergewaltigungskultur sei die Pflicht aller, die sagen: „Ich bin Künstler*in. Ich bin Intellektuelle*r. Ich bin Demokrat*in. Ich bin Frau. Ich bin jugendlich. Ich bin Mensch.”

Der psychologischen Kriegsführung entgegentreten

„Der psychologischen Kriegsführung, die den kurdischen Freiheitskampf und den Widerstand der Guerilla angreift, indem sie mithilfe von Fernsehprogrammen, Serien oder ähnlichem versucht die Wahrheit zu verdrehen, muss auf dem Gebiet der Kunst und Kultur aktiv entgegengetreten werden, um diese Angriffe ins Leere laufen zu lassen.

Zudem muss TEV-ÇAND eine aktivere Rolle einnehmen bei der Durchführung gemeinsamer Arbeiten und Aktivitäten mit Revolutionär*innen, Demokrat*innen, Intellektuellen und Künstler*innen aus dem Nahen Osten und aus dem Rest der Welt, um so die kurdische Kultur, Sprache und Kunst anderen Teilen der Welt bekannt zu machen.

Den Versuchen, traditionelle kurdische Musik und Kunst in den Dienst finanzieller Profite zu stellen, muss genauso entgegengetreten werden wie der Imitation anderer Musik unter dem Deckmantel der ‚Modernisierung‘. Um den Reichtum der kurdischen Musik und ihren kämpferischen, gesellschaftlichen und freiheitlichen Charakter zu bewahren, müssen vielfältige akademische und musikalische Aktivitäten umgesetzt werden.”

Die Kultur und die Kunst der demokratischen Nation verteidigen

Laut TEV-ÇAND gibt es in Kurdistan Versuche, den Bereich Theater unter dem Einfluss der Postmoderne und der Popkultur in die Passivität zu drängen. Die Bewegung schlägt als Gegenoffensive eine organisierte Ausweitung allen Engagements in diesem Bereich vor unter dem Motto: „Jeder Ort, an dem Gesellschaft stattfindet, ist eine Bühne.”

Dazu heißt es: „Das kapitalistische System und die Besatzerstaaten produzieren tausende Filme und Serien voll mit ihrer Kultur von Nationalismus, Sexismus, Gewalt, Sklaverei und Militarismus, um dieses Bewusstsein in der Bevölkerung zu verankern. Die Produktion von Serien und Filmen, die ein freies Leben und eine demokratische Gesellschaft behandeln, wird in den kommenden Jahren eine wichtige Aufgabe der TEV-ÇAND sein. Deshalb wurde im Rahmen unserer Konferenz beschlossen, ein Filmseminar einzurichten und die Filmproduktion sowie die Ausbildung von Schauspieler*innen auszuweiten.

Auch den Versuchen, den kurdischen Tanz von seinen Ursprüngen zu entfernen, muss entgegengetreten werden. Deshalb rufen wir alle auf, die Folklore zu pflegen und in die Zukunft zu tragen. Kurdische Dichter*innen, Sänger*innen, und Künstler*innen müssen unterstützt werden und es muss ein kulturelles und künstlerisches Gedenken organisiert werden für solche, die ihr Leben verloren haben. Wir haben verschiedene künstlerische Aktivitäten beschlossen, um historische Werke bekannt zu machen und zu schützen. Unter anderem wurde die Durchführung einer zweiten kurdischen Kulturkonferenz beschlossen.

Im Rahmen der 7. Konferenz der TEV-ÇAND sind diverse Probleme im Bereich der Kunst und Kultur adressiert und wichtige Entscheidungen getroffen worden, um uns zu erfolgreichen Arbeiten zu führen. Die Perspektive unserer Bewegung konnte in diesem Bereich erweitert werden. Es wurde beschlossen, unseren Kampf unter dem Motto ‚Wir werden im Geiste der Revolution die Kultur und die Kunst der demokratischen Nation verteidigen‘ auszuweiten. Mit großer Hingabe an das Gedenken an unsere selbstlosen Gefallenen ist unsere Konferenz in dieser wichtigen und kritischen Zeit erfolgreich zu Ende gegangen. In diesem Sinne rufen wir alle sozialistischen und revolutionären Arbeiter*innen im Bereich der Kunst auf, sich im Kampf gegen die kolonialen, faschistischen Kräfte zu vereinen.“