Veranstaltung in Berlin: „Wendepunkt in Kurdistan“

Bei der Panel-Veranstaltung „Wendepunkt in Kurdistan“ haben in Berlin 170 interessierte Menschen neue Perspektiven für Frieden und Demokratisierung diskutiert. Die Veranstaltenden haben insbesondere auch die Verantwortung Deutschlands betont.

Beide Seiten müssen an der Lösung interessiert sein

Mehr als 170 Menschen folgten am 10. Juni der Einladung zu einer Diskussionsveranstaltung in den Räumen der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin. Unter dem Titel „Wendepunkt in Kurdistan – Die Auflösung der PKK & neue Wege zum Frieden“ diskutierten Philipp Degenhardt, stellvertretender Geschäftsführer der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS), Nilüfer Koç, außenpolitische Sprecherin des Nationalkongresses Kurdistans (KNK), sowie Ferat Koçak, Bundestagsabgeordneter der Partei Die Linke aus Berlin-Neukölln, zusammen mit Interessierten aus allen Bereichen der Gesellschaft über die aktuellen Entwicklungen in Kurdistan. Das Panel wurde von Cênî – Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V., Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V. sowie der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisiert.

Philipp Degenhardt (RLS) eröffnete die Diskussion mit einem Bericht von seiner Reise nach Südkurdistan. Gleich zu Beginn stellte er klar, dass internationale Solidarität angesichts der politischen Lage dringender denn je sei. Für einen dauerhaften Frieden und Demokratie in der Region müsse man zwei essenzielle Fragen lösen: den Israel-Palästina-Konflikt und die kurdische Frage.

Neue politische Spielräume und blockierte Lösungen

Anschließend analysierte Nilüfer Koç (KNK) die aktuelle Lage der kurdischen Freiheitsbewegung. Mit der Sichtbarmachung der kurdischen Identität habe die PKK ihre historische Aufgabe erfüllt und gehe nun neue Wege. Angesichts geopolitischer Veränderungen, wachsender innerer Spannungen in der Türkei und des schwindenden internationalen Einflusses Ankaras bieten sich neue politische Spielräume.

Die KNK-Sprecherin wies darauf hin, dass die kurdische Seite Abdullah Öcalan zu ihrem Ansprechpartner erklärt habe und es nun notwendig sei, dass er diese Rolle unter freien Bedingungen ausfüllen könne. Als Reaktion auf Öcalans Aufruf im Februar dieses Jahres hatte die PKK auf ihrem 12. Kongress erklärt, die Waffen niederzulegen, sofern der türkische Staat konkrete Schritte in Richtung einer politischen Lösung unternehme. Dennoch verzögern und blockieren die Verantwortlichen in Ankara diesen Prozess bis heute.

Repression in Deutschland und demokratische Alternativen aus Kurdistan

Ferat Koçak, Bundestagsabgeordneter der Partei Die Linke aus Berlin-Neukölln, prangerte die anhaltende Repression gegen die kurdische Bewegung in Deutschland an. Trotz veränderter politischer Realitäten in der Türkei halte die Bundesregierung am PKK-Verbot fest. Sie kriminalisiere kurdisches Leben und ignoriere Menschenrechte zugunsten wirtschaftlicher und geostrategischer Interessen.

Konsequent fordert Koçak daher die Aufhebung des PKK-Verbots, ein Ende aller Waffenexporte an die Türkei sowie eine klare, solidarische Haltung gegenüber der kurdischen Bewegung. In den basisdemokratischen Organisationsformen der Bewegung erkennt er seinen eigenen Alltag wieder: „Kiezversammlungen“ und Sozialsprechstunden prägen auch seine politische Arbeit in Berlin.

Demokratischer Konföderalismus als Alternative zum Nationalstaat

Die ideologische Weiterentwicklung der kurdischen Bewegung stand ebenfalls im Mittelpunkt der Veranstaltung. Nilüfer Koç hob hervor, dass die Auseinandersetzung mit dem Realsozialismus und patriarchalen Machtstrukturen bereits in den 1990er Jahren zu einer tiefgreifenden Transformation innerhalb der PKK führte. Der Demokratische Konföderalismus, der heute im Zentrum stehe, biete eine radikale Alternative zum Nationalstaat – basisdemokratisch, ökologisch und frauenbefreiend.

Die Botschaft des Abends war klar: Mit seiner Politik der Verleugnung, Repression und Assimilation ist der türkische Staat gescheitert. Die kurdische Bewegung hat einen historischen Bruch herbeigeführt und zeigt konkrete Alternativen auf. Eine politische Lösung der kurdischen Frage ist möglich – doch nur, wenn beide Seiten ernsthaft an einer Lösung interessiert sind. Diese Lösung hat – so der Tenor – das Potenzial, auch andere Konflikte in der Region zu beeinflussen – von sozialer Gerechtigkeit über die Frauenfrage bis hin zu Selbstverwaltungsmodellen.

In diesem Sinne riefen die Veranstaltenden zur gemeinsamen politischen Aktion auf, um auf die deutsche Bundesregierung einzuwirken, das PKK-Verbot aufzuheben, den Friedensprozess aktiv zu unterstützen und ihre Rolle im internationalen Geflecht zu überdenken.